«Wie ein störendes Nebengeräusch»
05.03.2021 GelterkindenEin Buch über Sterben und Tod von Autorin Sabrina Steiner
Sabrina Steiner aus Gelterkinden betreibt eine «Agentur des Todes», wie sie selbst mit einem Augenzwinkern sagt. Sie vernetzt Menschen wie Bestatter oder Trauerredner und normale Leute. Jetzt hat sie ihr erstes Buch ...
Ein Buch über Sterben und Tod von Autorin Sabrina Steiner
Sabrina Steiner aus Gelterkinden betreibt eine «Agentur des Todes», wie sie selbst mit einem Augenzwinkern sagt. Sie vernetzt Menschen wie Bestatter oder Trauerredner und normale Leute. Jetzt hat sie ihr erstes Buch veröffentlicht. Darin präsentiert sie 25 Gespräche mit Menschen, die mit dem Tod zu tun haben.
Stefan Burkhart
Frau Steiner, im Buchtitel steht: «fertig. Das Leben ist tödlich …» Ist mit dem Tod wirklich alles fertig?
Sabrina Steiner: Oh, da müssen Sie den Pfarrer fragen (lacht). Ich bin keine Seelsorgerin und auch kein Guru, sondern bringe einfach Leute zusammen, die den Tod nicht ausklammern wollen.
Sie sind 34 Jahre jung; arg früh, um über das Sterben zu schreiben.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod hat nichts mit dem Alter zu tun. Ich würde es so sagen: Ich habe etwas frühreif gespürt, wie sich die Tabuisierung des Themas auswirkt.
Sie wollen den Tod also vom Tabu befreien. Rein hypothetisch: Sagen wir, Sie erhielten eine Krebsdiagnose mit einer Lebenserwartung von noch drei Monaten. Wie würden Sie reagieren?
Ich würde es gefasst aufnehmen. Das klingt eigenartig, ist aber möglich, weil ich mich mit einem solchen Szenario gedanklich intensiv auseinandergesetzt habe.
Hart wäre es aber schon?
Salopp ausgedrückt: Es würde mich wurmen, wenn ich schon jetzt gehen müsste.
Wie schafft man eine solche Gelassenheit?
Mich beruhigt, festgehalten zu haben, was an meinem Ende passieren soll. Ich sprach mit Vertrauten und weiss, dass sie die Zeit kurz vor und nach meinem Tod so gestalten können, wie es zu mir passt. Der tiefere Sinn meiner ganzen Arbeit ist, die Angst vor dem Tod in den Griff zu kriegen.
Und wenn das einer emotional nicht schafft?
Da kann man sich heranarbeiten. Man fährt einfach besser, wenn man den Tod ins Leben integriert, statt vor ihm wegzulaufen und dabei das Leben zu vergessen.
Denken Sie jeden Tag schon bei der Morgentoilette ans Sterben?
Nein, das empfehle ich niemandem. Besser ist es, die Seele baumeln zu lassen. Aber ein solches Loslassen fällt leichter, wenn man das Verhältnis zum Tod geklärt hat. Sonst hört man es immer wie ein störendes Nebengeräusch.
Um Corona kommen wir auch in diesem Gespräch nicht herum. Denken Sie, dass die Pandemie den Umgang mit dem Tod verändert hat?
Zu Beginn dachte ich das. Doch mittlerweile scheint mir, dass die Tabuisierung aufrechterhalten wird, sogar um jeden Preis. Die Massnahmen der Regierungen nehmen praktisch kommentarlos jeden Kollateralschaden in Kauf. In dieser Verbissenheit zeigt sich, dass man der Diskussion um unsere Verletzlichkeit und Endlichkeit doch lieber ausweichen möchte. Die Intensität, mit der man das Virus bekämpfen will, spiegelt die Intensität, mit der man dieser Diskussion enteilen möchte.
Macht es für Angehörige einen Unterschied, ob jemand an Corona oder an einer anderen Ursache stirbt?
Ich denke, eher nicht. Es ist immer schwer, einen geliebten Menschen zu verlieren. Die aktuellen Diskussionen um die letzten Stunden finde ich allerdings sehr wichtig. Schon vor Corona starben Menschen oft in sterilen Umgebungen ohne richtige Begleitung, Angehörige waren überfordert oder fühlten sich im Stich gelassen. Corona wäre der Anlass, das endlich zu ändern. Dazu benötigt es offene Gespräche und interdisziplinären Austausch über die Fachwelt hinaus sowie eine mentale Ausgewogenheit im Umgang mit dem Tod – Aspekte, die ich leider vermisse.
Wie sieht Ihre praktische Arbeit aus?
Ich bin die PR-Agentur des Todes …
Wie bitte?
Ich tausche mich intensiv mit Bestattern, Sterbe- und Trauerbegleitern, Trauerrednern, Autoren und so weiter aus. In meinem Buch frage ich die Gesprächspartner: Welche drei Dinge möchtest du erreicht haben, bevor du stirbst? Das ist so einfach und konkret, dass man nicht ausweichen oder ins Philosophische abstrahieren kann.
Wie lautet ihr Business-Plan, wenn man es so nennen will?
Hauptsächlich berate ich Menschen, die im Umfeld des Todes arbeiten, zu PR- sowie Marketingstrategien und betreibe selbst Öffentlichkeitsarbeit zum Thema. Eine der wichtigsten Ressourcen ist das Netzwerk: Wer sich mit dem Thema Tod beschäftigen möchte, den berate ich selbst oder vermittle einen Kontakt zu einer passenden Person.
Jetzt ist ihr Buch auf dem Markt. Haben Sie schon weitere Projekte?
In Deutschland gibt es seit 2019 den Memento Tag. Da ich damals noch in Deutschland lebte, veranstaltete ich in Weil am Rhein eine Lesung, die von einer Trauersängerin begleitet wurde. Im Anschluss gab es einen offenen Austausch. Vergangenes Jahr fand diese Veranstaltung wegen Corona leider nur online statt. Da ich mittlerweile wieder im Oberbaselbiet lebe, möchte ich diesen Aktions- und Gedenktag in der Schweiz durchführen.
Zur Person
sb. Sabrina Steiner, Jahrgang 1986, wuchs in Rickenbach auf. 2005 beendete sie die Lehre als Pharmaassistentin. Nach einigen Jahren in der Apotheke packte sie eine Ausbildung zur Marketingfachfrau obendrauf und arbeitete als Projektmanagerin, bevor sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei sie sich immer mehr auf das Thema «Sterben» spezialisierte. Seit 2019 betreibt sie den Blog: www.lebenisttoedlich.ch. Nun hat sie ihr erstes Buch – es umfasst 200 Seiten – veröffentlicht: «fertig. Das Leben ist tödlich – darüber reden nicht». Darin präsentiert sie 25 Gespräche, etwa mit Martin Herzberg aus Anwil oder Claudia Spaar aus Nunningen. Den Leser erwarten keine trockenen Abhandlungen. Im Gegenteil: Die Gesprächspartner stehen mitten im Leben. So bietet Herzberg unter dem Titel «Herzleuchten» Lebenszeremonien an. Das kann eine Hochzeit sein oder eine Beerdigung. Spaar betreibt unter dem Namen «Spiritflowers» ein Blumengeschäft und bietet Kurse an. Gerade Blumen sprechen ihre eigene Sprache. Nicht ohne Grund gehören sie zu praktisch jedem Bestattungsritual.