«Ich möchte die Gesundheit nicht gefährden»
02.03.2021 LeichtathletikKugelstösser Gregori Ott erholt sich nur langsam von Corona
Im März 2020 infizierte sich der Kugelstösser Gregori Ott mit Covid-19. Seither leidet er an den Folgen der Erkrankung. Um seine Gesundheit nicht zu gefährden, hat der Liestaler die Hallensaison abbrechen ...
Kugelstösser Gregori Ott erholt sich nur langsam von Corona
Im März 2020 infizierte sich der Kugelstösser Gregori Ott mit Covid-19. Seither leidet er an den Folgen der Erkrankung. Um seine Gesundheit nicht zu gefährden, hat der Liestaler die Hallensaison abbrechen müssen.
Daniel Hofstetter
Anfangs wirkte alles harmlos. «Ich hatte normale Grippesymptome, wie ich sie in der Vergangenheit schon oft hatte», erinnert sich Gregori Ott an den März 2020. Dass es keine normale Grippeerkrankung war, sollte sich jedoch bald darauf zeigen. Ott verlor seinen Geschmacks- und Geruchssinn. Ein Test sorgte für Klarheit. Der 26-jährige Liestaler hatte sich mit Covid-19 angesteckt. Zusammen mit seiner ebenfalls infizierten Frau blieb er einen Monat lang in Quarantäne.
Neben dem Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns hatte er «zwei Mal hohes Fieber. Ausserdem verspürte ich ein Stechen in der Brust. Es war aber keineswegs so schlimm, dass ich in ein Spital hätte gehen müssen.» Ott schien die Krankheit glimpflich überstanden zu haben. Die Motivation, wieder voll anzugreifen, war insbesondere deshalb sehr gross, weil der Leichtathlet seit Langem zum ersten Mal verletzungsfrei in eine Saison gestartet war.
Doch es kam anders. Den gesamten Sommer hindurch fühlte er sich nicht richtig fit. Immer wieder plagten ihn Beschwerden im Magen-Darm-Bereich oder bei der Atmung, Migräne und Müdigkeit. «Im ersten Moment bekommt man Angst, sich erneut angesteckt zu haben», so Ott. Da er als Masseur körperlichen Kontakt mit seinen Patienten hat, «kann ich es mir nicht leisten, andere Personen anzustecken». Er liess sich regelmässig testen. Das Ergebnis war jedes Mal negativ. Eine gewisse Ratlosigkeit machte sich breit.
Ähnlich unerklärlich fielen die sportlichen Resultate an Ernstkämpfen aus. «Der Unterschied zwischen Training und Wettkampf war wahnsinnig gross», so Ott. Während er im Training sein Potenzial regelmässig ausschöpfen konnte, fielen die Leistungen an den Wettkämpfen weniger zufriedenstellend aus. Daran änderten auch die zwei Medaillen, die er an den Schweizermeisterschaften im September 2020 gewann, nichts. Während der polysportive Ott im Diskus Gold holte, reichte es beim Kugelstossen zu Silber.
«Das Herz muss viel aushalten»
Enttäuschender als das Verpassen der Goldmedaille war der Umstand, dass er mit den gestossenen 17,61 Metern deutlich unter den eigenen Erwartungen blieb. «Ich hätte mir eine Weite zwischen 19 und 20 Metern vorstellen können», meint Ott. Obschon er viel im mentalen Bereich arbeitet, schloss er eine Art mentale Blockade nicht aus. Denn «immer wenn der Körper Leistung erbringen, wenn er grosse Stresssituationen bewältigen musste, ist er irgendwie eingebrochen». Ott legte eine vierwöchige Erholungspause ein. Dabei hinterfragte er diverse Aspekte wie beispielsweise die Ernährung. Neue Erkenntnisse brachte die Pause keine. Dafür wurde es im Winter schliesslich richtig schlimm.
Während des intensiven Aufbautrainings ab Oktober «kam wohl der Punkt, an dem es dem Körper zu viel wurde». Nach jeder intensiven Trainingsphase erkrankte Ott. Er intensivierte nun die Bemühungen, dem Problem auf den Grund zu gehen. Da er in der Vergangenheit bereits Probleme mit der Schilddrüse gehabt hatte, liess er diese untersuchen. Alles war in Ordnung. Der Arzt schickte ihn jedoch weiter zum Lungenarzt und dieser ihn Anfang Februar zum Kardiologen.
«So hat eines zum anderen geführt. Beide haben gemeint, die Symptome würden sie keinesfalls überraschen», erzählt Ott. Mit der Erkenntnis, unter «Long Covid», also an Langezeitfolgen seiner Coronavirus-Infektion, zu leiden, endete die lange Phase der Ungewissheit. Als erste Massnahme erklärte Ott die Hallensaison vor zwei Wochen für beendet. Eine Weiterführung hätte aus zweierlei Gründen keinen Sinn ergeben. «Das Herz muss beim Kugelstossen unglaublich viel Stress aushalten. Das scheint aktuell schlicht nicht möglich zu sein», erklärt Ott. Sportlich hat dies zur Folge, dass er nicht die gewünschten Ergebnisse liefern kann. Vor allem aber ist es aus gesundheitlicher Sicht ein viel zu grosses Risiko. «Ich habe in meinem Leben schon noch etwas vor und will mir das jetzt nicht mutwillig kaputt machen.» Mit ersten Therapien hat der 26-Jährige mittlerweile begonnen.
«Die Lage nicht unterschätzen»
Alle weiteren Massnahmen wird er in den kommenden Wochen zusammen mit den Ärzten in die Wege leiten. «Wir werden sehen, was wir machen. Was ich jetzt schon weiss, ist, dass man etwas machen kann», gibt er sich zuversichtlich. Gleichzeitig unterstreicht Ott, dass er die Saison nur unterbrochen, nicht abgebrochen hat. Im Sommer will er wieder zurückkehren und «durchstarten». Neben dem übergeordneten Ziel, wieder gesund zu werden, stellt die Rückkehr im Sommer Otts wichtigster Meilenstein dar.
So optimistisch er hinsichtlich seines Comebacks ist, so nachdenklich stimmt ihn die gesamte Covid-Situation. Mit seinen 26 Jahren steht Ott in der Blüte seines Lebens. Pro Woche absolviert er zwölf intensive Trainingseinheiten, ist entsprechend fit. «Mit 26 Jahren Abklärungen im Bereich der Lunge oder des Herzens machen zu müssen, ist keine prickelnde Situation. Man darf sich gar nicht ausmalen, was wäre, wenn ich kein gesunder Mensch wäre oder eine Vorgeschichte mit Lungen- oder Herzproblemen gehabt hätte», meint Ott und ergänzt: «Das ist für mich so ein bisschen die Moral der Geschichte: Man darf diese Situation einfach nicht unterschätzen.»