Das Oberbaselbiet ist ein Flickenteppich
23.02.2021 SportSportanlagen | Der Vereinsnachwuchs kann nur teilweise trainieren
Morgen dürfte der Bundesrat die Ausnahmeregeln im Sport, die aktuell für unter 16-Jährige gelten, auf die bis 18-Jährigen erweitern. Doch ob die Sportanlagen genutzt werden können, ist von Gemeinde zu ...
Sportanlagen | Der Vereinsnachwuchs kann nur teilweise trainieren
Morgen dürfte der Bundesrat die Ausnahmeregeln im Sport, die aktuell für unter 16-Jährige gelten, auf die bis 18-Jährigen erweitern. Doch ob die Sportanlagen genutzt werden können, ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich.
Sebastian Wirz
Es dürfte noch länger dauern, bis Erwachsene wieder in einigermassen gewohntem Rahmen Sport treiben dürfen. Der erste Öffnungsschritt, den der Bundesrat am vergangenen Mittwoch vorgestellt hat, den er morgen beschliessen dürfte und der ab dem 1. März umgesetzt wird, bedeutet für viele erwachsene Sporttreibende keinen Unterschied zur jetzigen Situation: Veranstaltungen und Wettkämpfe für Amateure bleiben verboten. Erst im zweiten Schritt, der bei entsprechender Entwicklung der Ansteckungszahlen per 1. April folgen soll, soll Sport in Innenräumen in Gruppen von maximal 15 Personen erlaubt werden. Wettkämpfe und Aktivitäten mit Körperkontakt werden aber auch dann noch nicht erlaubt sein.
Eine Veränderung gibt es per 1. März für «Sporteinrichtungen im Aussenbereich», für Tennis- und Fussballplätze sowie Kunsteisbahnen, die öffnen dürfen. Zudem wird die Altersgrenze derer, die aktuell Sport treiben dürfen, von bisher «unter 16» auf «bis 18» Jahre erhöht. Denn der Sportnachwuchs durfte in diesem zweiten Lockdown stets trainieren, gar ohne Maske und mit Körperkontakt – wenn er denn eine entsprechende Anlage fand, die offen war.
Die Lage ist unübersichtlich: Es gibt Vereine, die ihrem Nachwuchs das gewohnte Programm anbieten. Es gibt Vereine, die von sich aus auch beim Nachwuchs auf Trainings verzichten, obwohl ihnen eine Sporthalle zur Verfügung stünde, wie etwa die Volleyballriege des TV Sissach. Es gibt Vereine, die Trainings anbieten können, weil sie auf der eigenen Anlage zu Hause sind, wie der FC Gelterkinden, der den Trainingsbetrieb auf dem Kunstrasen in der Wolfstiege dafür wegen des Schnees unterbrechen musste. Und dann gibt es zahlreiche Vereine, die ihrem Nachwuchs Auslauf geben wollen, dies aber nicht können, weil die jeweilige Gemeinde die Sportanlagen geschlossen hält.
Vorsichtige Oberbaselbieter
Markus Graf ist das ein Dorn im Auge. «Wie könnten Gemeinden motiviert werden, die Anlagen für Sportlerinnen und Sportler unter 16 Jahren geöffnet zu lassen?», fragte der SVP-Landrat und ehemalige Präsident des Bezirksturnverbands Sissach die Regierung im Rahmen der Fragestunde im Landrat. Denn die Ausnahme für die Kinder und Jugendlichen sei aus gesundheitlicher und gesellschaftlicher Sicht sinnvoll.
Die Regierung scheint Grafs Ansicht in ihrer Antwort zu teilen: «Der Regierungsrat begrüsst es, wenn die Gemeinden ihre Anlagen für den U16-Vereinssport sowie für den Profi- und Leistungssport geöffnet haben», schreibt sie. Sie respektiere aber auch, wenn die Gemeinden aufgrund ihrer Lagebeurteilung zum Schluss kommen, dass die Anlagen ausserhalb des obligatorischen Sportunterrichts geschlossen bleiben sollen.
Zu diesem Schluss kommen erstaunlich viele Gemeinden im Oberbaselbiet: Gemäss einer Umfrage des Sportamts vom 9. Februar haben 28 Gemeinden im Baselbiet ihre Sportanlagen wegen Corona geschlossen. 18 davon liegen im Einzugsgebiet der «Volksstimme». Dies führt zu einem Flickenteppich der Regeln. Während die Vereine die Sportanlagen in Rünenberg, Zeglingen und Oltingen nutzen dürfen, sind diese in Tecknau, Wenslingen und Anwil geschlossen. In Maisprach offen, in Buus geschlossen. Diese Unterschiede auf kleinstem Raum mit pandemischen Lagebeurteilungen zu erklären, fällt schwer.
An mehreren Orten sind Vereine seit Anfang Jahr auf die Gemeinden zugegangen. In Gelterkinden wandte sich unter anderem der Turnverein an die Verwaltung. «Wir haben vorgeschlagen, dass die Hallen geöffnet werden könnten und dafür eine Personenobergrenze festgelegt wird. So wären nicht zu viele Kinder auf einmal anwesend gewesen», sagt TV-Präsident Tomaso Bitterlin auf Anfrage. Gehör fand der TV ebenso wenig wie der Fussball- und der Volleyballklub. Die Hallen blieben geschlossen.
Auch in Ormalingen hat sich der Turnverein mit zwei Anträgen an den Gemeinderat gewandt, wie Präsident Roger Schär auf Anfrage bestätigt: Die Halle oder zumindest die Aussensportanlagen sollen vom Vereinsnachwuchs genutzt werden können.
Ansporn für Öffnung?
«In meinen Augen ist die Frage vom Regierungsrat gut beantwortet worden», sagt Landrat Graf, «vielleicht ist die Reaktion ein Ansporn für einige Gemeinden, auf ihren Entscheid zurückzukommen und die Hallen für den Nachwuchs der Vereine nach den Fasnachtsferien zu öffnen.» In dieselbe Stossrichtung weist eine Mitteilung der Interessengemeinschaft der Baselbieter Sportverbände. Anfang Februar wandte sich Präsident Pascal Buser mit einer Mitteilung an sämtliche Baselbieter Gemeinden, in der er sie bat, gemeinsam mit den Vereinen Lösungen zu suchen. «Ich habe von keiner einzigen Gemeinde eine Rückmeldung erhalten», sagt Buser, der als Geschäftsführer des Fussballverbands Nordwestschweiz im Alltag vor allem mit den Anliegen der Fussballvereine konfrontiert ist. Dafür nahm etwa der Bezirksturnverband die Forderung auf und bat alle Gemeinden mit geschlossenen Sportanlagen im Bezirk, sich Gedanken über eine Öffnung zu machen.
Die «grosse Schwester» von Busers IG, die IG Sport Schweiz, hat mit ihrem Brief an das Bundesamt für Sport immerhin einen kleinen Erfolg feiern können: Sie hatte die Ausweitung der Regeln für die Unter-16-Jährigen auf das ganze J+S-Alter, also bis 20 Jahre gefordert. So weit ging der Bundesrat in seinen Plänen von vergangener Woche zwar nicht – immerhin um zwei Altersjahre wurde die Ausnahme für den Nachwuchs aber erweitert.
Die nationale IG zeichnet dabei düsterere Bilder als solche von Vereinen, die wegen zahlreicher Austritte um ihre Existenz fürchten: Schwere depressive Symptome und Missbrauchsfälle seien häufiger geworden, unterstützende Dienstleistungen wie die Telefonnummer 147 seien mehr genutzt und signifikant mehr Menschen seien in die Kinder- sowie Jugendpsychiatrie eingewiesen worden. Dies alles zeige, dass «die aktuelle Situation wohl zu grosse Herausforderungen für unsere Jugendlichen» darstelle. Der Vereinssport könne dabei helfen.