CARTE BLANCHE
23.02.2021 PolitikDie Wirklichkeit der Träume
Marcel Koenig, Gemeindepräsident Anwil, parteilos
Seit jeher beschäftigt uns der Traum respektive das, was sich dabei im Hirn abspielt. Was unsere eigenen Gedanken auslösen können, ist ebenfalls ...
Die Wirklichkeit der Träume
Marcel Koenig, Gemeindepräsident Anwil, parteilos
Seit jeher beschäftigt uns der Traum respektive das, was sich dabei im Hirn abspielt. Was unsere eigenen Gedanken auslösen können, ist ebenfalls sehr beeindruckend. Wem ist es nicht schon passiert, dass nach einem guten Schlaf die Dinge am nächsten Tag plötzlich anders aussehen oder das, was Sie immer befürchtet haben, plötzlich eingetreten ist?
Die Träume haben mit den ureigensten Erfahrungen, Hoffnungen, Wünschen und Konflikten zu tun. Aber sie sind vor allem Vermittler zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten und zeigen die Macht unserer Gedanken und Gefühle. Wenn wir aber bewusst Gedanken, Wunschwelten, Träume und Visionen auf uns wirken lassen, kann das sowohl zum Segen als auch zum Fluch werden. Daraus können dann chronisch veranlagte Optimisten und Pessimisten entstehen. Beides sind gute Propheten, die unsere Gedanken und Handlungen beeinflussen. Der Optimist behält ebenso oft recht wie der Pessimist. Das heisst, was wir erwarten oder befürchten, neigt dazu, wahr zu werden. Die Fach welt nennt dies selbsterfüllende Prophezeiung.
Hierzu ein Beispiel: Ein Mann verkaufte am Strassenrand Würste. Er war schwerhörig, deshalb hatte er kein Radio. Er sah schlecht, deshalb las er keine Zeitung. Aber er verkaufte köstliche, heisse Würste. Das sprach sich herum und die Nachfrage stieg stetig. Er investierte in einen grösseren Stand, einen grösseren Herd und musste immer mehr Wurst und Brötchen einkaufen. Er holte seinen Sohn nach dessen Ausbildung zu sich, damit er ihn unterstützte. Da geschah etwas … Sein Sohn sagte: «Vater, ich habe im Radio gehört, dass eine Rezession auf uns zukommt! Der Umsatz könnte zurückgehen – du solltest nur noch vorsichtig investieren!» Der Vater dachte: «Nun, mein Sohn ist gut ausgebildet, er schaut täglich Fernsehen, hört Radio und liest regelmässig den Wirtschaftsteil der Zeitung. Er muss es schliesslich wissen.» Also verringerte er seine Wurst- und Brötcheneinkäufe. Auch verringerte er seine Kosten, indem er fast keine Werbung mehr machte. Und das Schlimmste: Die Ungewissheit vor der Zukunft liess ihn vorsichtiger werden im Umgang mit seinen Kunden. Er begann, seine innere Haltung und sein Verhalten anzupassen. Es dauerte nur wenige Monate. Sein Absatz an Würsten ging deutlich zurück. «Du hast recht, mein Sohn», sagte der Vater, «es steht uns tatsächlich eine Rezession bevor.»
Zurück in die Gegenwart. Wenn wir auf die letzten paar Jahre zurückblicken, gab es doch einige Fälle, wo Traum- oder Scheinwelten vermittelt wurden, die Menschen in ihren Bann zogen. Jüngstes Beispiel war sicher der letzte US-Präsident. Wir können gespannt sein, wie viel davon nachwirkt und als selbsterfüllende Prophezeiung eintreten wird.
Ich bin der Meinung, dass es auf einen gesunden Mix ankommt. Warum nicht Visionen haben, sich an Traumwelten erfreuen und mit diesen, gekoppelt mit einem gesunden Menschenverstand, ein bisschen Logik und Bodenhaftung, durch das Leben gehen?
Man denke doch einfach mal an die leuchtenden Augen der Kinder, wenn es darum geht, ob nun das Christkind durch das linke oder rechte Fenster des Wohnzimmers zum Weihnachtsbaum kommt. Diese Traumwelt wollen wir doch bitte stehen lassen. Und das ist gut so.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.