Das Fischerhaus Bürgin in Kleinhüningen
28.01.2021 Basel, Bezirk SissachVor 20 Jahren wurde das historische Gebäude gerettet und in einiger Distanz neu aufgebaut
Autor Heinz Spinnler, der über ein gewaltiges Archiv mit historischen Bildern verfügt, ist jüngst auf alte Fotos aus Kleinhüningen gestossen. Zu sehen sind Mitglieder der Familie Bürgin. Die ...
Vor 20 Jahren wurde das historische Gebäude gerettet und in einiger Distanz neu aufgebaut
Autor Heinz Spinnler, der über ein gewaltiges Archiv mit historischen Bildern verfügt, ist jüngst auf alte Fotos aus Kleinhüningen gestossen. Zu sehen sind Mitglieder der Familie Bürgin. Die Bürgins, die aus Känerkinden stammten, waren bedeutende Rheinfischer. Ihr Haus ist erhalten geblieben.
Heinz Spinnler
Kleinhüningen – ein Fischerdorf? Kaum vorstellbar, wenn man heute durch die noch verbliebenen Strassen des Basler Hafen- und Industriequartiers geht.
Anlass für diese reich bebilderte Doppelseite ist der Fund von einigen alten Fotografien mit dem Hinweis, dass es sich um Bilder der Familie Bürgin aus dem Fischerdorf Kleinhüningen handelt. Bürgin – tönt irgendwie nach Oberbaselbiet. Wer sucht, der findet. Das Fischerhaus der Familie Bürgin in Kleinhüningen hat Geschichte geschrieben.
Das Dorf Kleinhüningen wurde im Jahr 1640 vom Markgrafen von Baden für 3500 Reichstaler an Basel verkauft. Basel wollte sich damit die Fischereirechte am Rhein sichern. Die Fischerei wurde für die Bewohner von Kleinhüningen überlebenswichtig. Bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts war der Rhein ein ausgesprochen fischreiches Gewässer.
Die «Bürgerkoporation Kleinhüningen» schreibt zur Fischerei im Rhein und Wiese auf ihrer Internetseite: «Die Fische wogen um die Jahrhundertwende im Durchschnitt 20 Pfund und waren rund einen Meter lang. Der schwerste je geländete Lachs wog 54 Pfund. Aber auch andere Fische wie Barben, Alet, Karpfen, Aal, Schleien und Brachsmen wurden regelmässig in grossen Mengen gefangen. Am bekanntesten war jedoch der Nasenstrich. Regelmässig im Mai während drei bis vier Tagen war an der Wiesemündung vor lauter Fischen das Wasser fast nicht mehr zu sehen. Ununterbrochen waren die Fischer im Einsatz und holten in diesen drei Tagen bis zu 30 000 Nasen aus dem Wasser.
Die Familie Bürgin ist die traditionsreichste und bekannteste Fischerfamilie. Um eine Familie durchbringen zu können, mussten pro Woche 100 Kilogramm Fisch gefangen und verkauft werden. Abnehmer waren diverse Restaurants, allen voran das Gasthaus Krone in Kleinhüningen, ein beliebtes Ausflugsziel der Städter, die sich hier mit Fisch vollstopften und ihn mit badischem Wein hinunterspülten. Daneben wurden die – heute nicht mehr existierenden – Comestiblesgeschäfte Christen und Renaud und bis 1950 auch das Warenhaus Globus beliefert.»
So weit die offiziellen Ausführungen zur Geschichte des Fischerdorfs. Kleinhüningen war bis zur Industrialisierung Basels eine kleine Landgemeinde. Im Jahr 1908 wurde in einer Volksabstimmung die Eingemeindung in die Stadt Basel beschlossen. Basel plante bereits den Bau eines neues Rheinhafens. Damit verlor die Gemeinde ihre Selbstständigkeit. Rasch entwickelte sich die Gemeinde zur Hafenstadt und zu einem Industriequartier.
Bürgins aus Känerkinden
Die Familie Bürgin, die seit 1777 in Kleinhüningen wohnten, stammte aus Känerkinden. Jakob Bürgin heiratete 1776 Anna Catharina Winter aus Herten/Baden und ein Jahr später wurde ihr erser Sohn Heinrich in Kleinhüningen geboren. Dieser Heinrich Bürgin ist im Brandlagerbuch Kleinhüningens von 1807 als Besitzer eines Hauses aufgeführt, das als «Haus mit Riegel, Schäur und Stallung» beschrieben wird.
Von Heinrich Bürgin an ist die Reihe dieser Familie als Besitzer des Hauses lückenlos bis in 20. Jahrhundert zu verfolgen. Heinrichs jüngster Sohn, Sebastian (1815–1855), wird erstmals als Fischer bezeichnet. Er übernimmt das Haus im Jahr 1843. Er wurde im Jahr 1834 in die Fischerzunft von Kleinhüningen aufgenommen und 1838 dort als Meister aufgeführt.
Bis zur Industrialisierung blieb neben dem Posamenten und der Landwirtschaft der Fischfang ein wesentlicher Erwerbszweig für die Bevölkerung. 1864 baute Alexander Clavel an der Klybeckstrasse eine Anilinfabrik und 1893 entstand in Kleinhüningen die «Basler Chemische Fabrik Bindschedler» (beide später Ciba). Durch die in den Rhein eingeleiteten giftigen Abwässer und die zunehmende Verbauung am Rhein ging der Fischbestand Jahr für Jahr zurück. Es ist aktenkundig, dass die Chemische Fabrik im Jahr 1908 diesbezüglich mit Jean Bürgin einen Vertrag schloss, in dem sie sich verpflichtete, ihm an seinen Pachtzins für die Fischerei jährlich 50 Franken zu zahlen, wenn er im Gegenzug dafür auf Einsprachen gegen ihre flüssigen Rückstände im Rhein verzichtete.
Der Hafen lässt das Dorf sterben
Die Bürgins stellten aber auch Fährmänner, sie waren auch Schwimmlehrer für das «Pfalzbadhysli», einer Badeanstalt unterhalb des Münsters. Sowohl Wilhelm Bürgin (1841–1891) war dort Schwimmleher als auch sein Sohn Friedrich Wilhelm, genannt Hämmi (1868–1936).
Bis 1969 blieb das Fischerhaus Bürgin an der Schulgasse 27 im Familienbesitz. Dann wurde es von der Schweizerischen Reederei übernommen, die in jenen Jahren mehrere Fischerhäuser abbrechen liess. Das Haus Bürgin überlebte, da es noch als Werkstatt nutzbar war. Erst in dieser Zeit bemühte sich die Basler Denkmalpflege um den Erhalt dieses Gebäudes. Jahre später aber erkannte man, dass das «Bürginhaus» am alten Standort nicht erhalten werden konnte, für die Rettung müsste das Haus abgebaut und an einem anderen Ort in einiger Distanz wieder aufgebaut werden. Ab dem Jahr 1920 wurde vor den alten Häusern des Fischerdorfs ein riesiges Hafenbecken ausgegraben. Das Hafenbecken 1 wurde 1922 dem Schiffsverkehr übergeben. Damit war es endgültig aus mit der Fischerei am Rhein in diesem Bereich. Rhein und Wiese waren nicht mehr zugänglich.
In den Folgejahren wurden viele weitere Silotürme und Gebäude für den Warenumschlag im Hafen errichtet und Gleisanlagen direkt vor die Häuser verlegt. Ein Ende war nicht abzusehen. Haus um Haus musste dem Güterumschlag weichen. Mit dem Bau des zweiten Hafenbeckens 1936–1939 mussten zahlreiche Häuser und Höfe auf der Westseite der Gemeinde teils enteignet und danach abgebrochen werden.
Das Fischerhaus Bürgin
Das Fischerhaus an der Schulgasse 27 wurde um 1765 erbaut. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erfuhr das Gebäude einige Veränderungen. In der Wohnstube wurde ein biedermeierlicher Kachelofen eingebaut. Um 1900 baute man den Aufgang in das Dachgeschoss und dieser wurde zu einem einfachen Schlafraum ausgebaut. Das Haus zählt zu den drei letzten heute noch erhaltenen Fischerhäusern Kleinhüningens und ist von diesen das wertvollste, denn es ist im Innern weigehend unverändert geblieben. Das Haus wurde, um es vor dem Abbruch zu retten, Ende 1999 zerlegt und eingelagert. Im August 2000 begann der Wiederaufbau, welcher 2002 vollendet war. Das Fischerhaus Bürgin steht heute an der Bonergasse, im Garten des «Restaurants Schifferhaus», der ehemaligen Villa Clavel, nicht weit vom alten Standort entfernt. Für das Vorhaben wurde die Stiftung «Pro Fischerhaus» gegründet, um die notwendigen finanziellen Mittel zu beschaffen. Das Interesse war gross und die Mittel waren bald vorhanden. Fachleute und Handwerker arbeiteten im Stil vom «Ballenberg», um möglichst alles wieder im Originalzustand aufzubauen. Das Fischerhaus ist in seiner ursprünglichen Form wiederentstanden und kann somit der Nachwelt nicht nur erhalten bleiben, sondern ist als Fischer- und Kleinbauernhaus im wahrsten Sinne des Wortes auch erlebbar. Als Kozession an die heutigen Bedürfnisse wurden im ehemaligen Stall eine neue Küche eingebaut und im Gang zur Scheune eine WC-Anlage. Das Haus versteht sich nicht als Museum, es kann für geschäftliche oder private Veranstaltungen gemietet werden.
Quellen: Uta Feldges, «Das Fischerhaus Bürgin in Kleinhüningen», 2003;
Stiftung pro Fischerhaus, Kleinhüningen; Bürgerkorporation Kleinhüningen,
«Kleinhüningen gestern und heute»;
www.fischerhaus-kleinhueningen.ch