«In einer Welt der inneren Ruhe»
24.12.2020 SportChantal Karrer und das Delfin-Horsetraining
Von Chantal Karrers Stube in Bretzwil aus kann man direkt auf den grosszügigen Offenstall und die Weiden vom Hof Fälken blicken, wo ihre Pferde Pseykan und Blue zufrieden ihr Heu fressen. «Mit Pseykan hat damals alles ...
Chantal Karrer und das Delfin-Horsetraining
Von Chantal Karrers Stube in Bretzwil aus kann man direkt auf den grosszügigen Offenstall und die Weiden vom Hof Fälken blicken, wo ihre Pferde Pseykan und Blue zufrieden ihr Heu fressen. «Mit Pseykan hat damals alles angefangen», sagt Karrer, «dank ihm bin ich heute da, wo ich jetzt bin.»
Céline Humair
Die heute 43-jährige Chantal Karrer begann sechsjährig zu reiten. Schon früh nutzte sie jede Gelegenheit, um mit Pferden in Kontakt zu kommen. Eines Abends schaute sie einen Film, in dem ein Mädchen mit einem Zebra ohne Sattel und Zaum durch den Dschungel ritt – und eine lebenslange Faszination nahm ihren Lauf. Sie begann Reitstunden zu nehmen und hatte in ihrer Teenagerzeit bis zu vier Pflegepferde, die sie mitbetreute. Jede freie Minute verbrachte Karrer im Stall – sehr zum Leidwesen ihres damaligen Freundes.
Karrer hatte schon früh den Wunsch nach einem eigenen Pferd. Sie konnte sich diesen jedoch erst im Jahr 2009 erfüllen. Damals zog sie mit ihrem Mann Thomi auf den Bretzwiler Stierenberg. Sie führten da die Bergbeiz. Dazu gehörte auch ein Stall, wo Karrer ihre eigenen Pferde, Ferien- und Ausbildungspferde selbst versorgte. In einem Internetinserat entdeckte sie den Araber Pseykan. Sie wollte eigentlich weder einen Araber noch einen Braunen, aber als sie den knapp dreijährigen Hengst das erste Mal sah, berührte sie sein Blick und sein Wesen sofort im Innersten. So zog Pseykan auf den Stierenberg – und es folgte eine schwierige Zeit.
«Pseykan ist sehr dominant und selbstsicher, er kommt sehr gut mit sich alleine zurecht.» Solche Pferde sind schwieriger zu trainieren. Karrer hat ihren Pferden schon immer gerne Kunststücke beigebracht, bei Pseykan dauerte es aber zwei volle Jahre, bis er das Kompliment selbstständig erlernt hatte. Trotzdem gab Karrer nicht auf und begann vor allem im Winter, wenn sie vor lauter Schnee und Eis auf dem Stierenberg weder Ausreiten noch Verladen konnte, Freiheitstraining zu machen.
Es begann eine langjährige Suche nach dem richtigen Trainer, der ihr mit ihrem Pferd helfen konnte. Bei namhaften Trainern wie Jean Francoise Pignon, Hasta Luego oder Kenzi Dysli besuchte sie diverse Kurse. Jedoch stiess sie immer wieder an Grenzen, merkte, dass man bei Pseykan mit Druck nichts erreichte, und reflektierte gezwungenermassen ihre Arbeit immer wieder. Er machte zwar im Training mit, jedoch merkte man, dass er keinen Spass daran fand. Karrer merkte auch, dass sie zwar viele Systeme und Arbeitsweisen kennengelernt hatte, eine Struktur über das Ganze jedoch fehlte.
Vom Delfin zum Pferd
Vor zehn Jahren schliesslich lernte Karrer Reto Gfeller kennen, der schon lange Pferdeshows gezeigt hatte und als Student in Rapperswil keine Gelegenheit ausliess, die Morgenarbeit von Fredy Knie senior zu beobachten. In vielen Gesprächen konnte Gfeller Karrer aufzeigen, wie Pferde funktionieren und lernen, er gab dem bei Karrer vorhandenen Wissen eine Struktur. Gfeller zeigte Karrer den Weg in die positive Arbeit mit Pferden und gab sein grosses Wissen weiter, ohne Geheimnisse zurückzubehalten.
Vor vier Jahren begann die Zusammenarbeit zwischen den beiden und seit zwei Jahren sind sie Geschäftspartner und haben das Programm des Delfin-Horsetrainings ins Leben gerufen. Aber warum Delfin? «Eigentlich müsste jeder, der Pferde trainiert, zuerst erfolgreich Delfine trainieren müssen. Denn bei Delfinen hat man kein Druckmittel, man muss ihre freiwillige Kooperation gewinnen. Macht man es falsch, tauchen sie unter und die Show ist vorbei. Bei Pferden kann man viel zu viel mit mechanischen Mitteln machen und lässt oftmals deren Willen ausser Acht», sagte Fredy Knie senior einst.
Mit viel positiver Verstärkung und freiwilliger Zusammenarbeit fand Karrer endlich auch den richtigen Weg, um mit Pseykan zu trainieren. «Meine Pferde machen mit Begeisterung mit und bieten sich sogar freiwillig an, um mit mir zu trainieren», sagt Karrer. Der lang ersehnte Traum vom Galopp ohne Sattel und Zaum wurde wahr.
Auch für Karrers zweites Pferd Blue, das bald nach Pseykan auf den Stierenberg zog, war dieser Ausbildungsweg der richtige. Unter dem Sattel war das Pferd schon sehr gut ausgebildet. Das war auch wichtig, denn Blue war für Karrers Tochter Giatrinia gedacht, welche die Leidenschaft der Mutter für Pferde seit dem Kindesalter teilt. In der Freiarbeit machte Blue dank des Delfin-Horsetrainings von Anfang an motiviert mit und wurde zu einem Musterschüler, der wahnsinnig schnell und gerne Neues dazulernt. Für Karrer endete mit der Zusammenarbeit mit Gfeller und dem Aufziehen des Trainingsprogramms eine lange Odyssee der Suche nach der richtigen Arbeit mit den Pferden.
Programm für alle
Heute ist das Pferdetraining Karrers Arbeit. Nachdem das Paar den «Stierenberg» dem Nachfolgewirtepaar übergeben hatte, widmet sie sich nun zu 100 Prozent dem Delfin-Horsetraining. Dieses ist ein Online-Programm, in dem mit Blended Learning gearbeitet wird, einer didaktischen Mischung von selbstständigem Online-Lernen und Unterricht mit einem Coach beim Pferd. Jeder Teilnehmer kann in seinem Tempo das Lernprogramm durcharbeiten und, wenn Fragen oder Probleme auftauchen, einen Coach beiziehen.
Der Coach, zum Beispiel Karrer oder Gfeller, gibt Unterstützung und schliesst den Kurs ab, indem er den Lernfortschritt der Teilnehmer überprüft. Delfin-Horsetraining ist ein druchgängiges, didaktisches Konzept und für jede Reitweise geeignet. Das Ziel ist es, raus aus der hektischen Welt des Alltags zu gelangen, weg von Stress, Druck und Ranglisten. Mit dem Pferd zusammen kann man in eine Welt der inneren Ruhe, der positiven Gefühle und des Vertrauens finden. Somit ist das Delfin-Horsetraining nicht nur ein Pferdetraining, sondern auch eine Lebensphilosophie.