Ein motivierter Haufen
26.11.2020 LiedertswilIhr Konzert in der Oberen Fabrik ist am vergangenen Samstag Corona zum Opfer gefallen. Dennoch lohnt es sich, die «Schwyzerörgeli-Grossformation Tschoppehof» näher anzuschauen, deren Name nicht ganz hält, was erverspricht.
Robert Bösiger
Soll man über einen ...
Ihr Konzert in der Oberen Fabrik ist am vergangenen Samstag Corona zum Opfer gefallen. Dennoch lohnt es sich, die «Schwyzerörgeli-Grossformation Tschoppehof» näher anzuschauen, deren Name nicht ganz hält, was erverspricht.
Robert Bösiger
Soll man über einen Anlass, der wegen der aktuellen Situation rund um die Corona-Pandemie nicht hat stattfinden können, einfach nichts schreiben? Wenn schon nicht über den Anlass selber, dann doch zumindest über jene, die an besagtem Anlass die Hauptrolle hätten spielen sollen. Getreu diesem Grundsatz wird dieser Beitrag der Formation Tschoppenhof gewidmet sein. Ihren Auftritt in der Oberen Fabrik hätten die «Tschoppehöfer» am vergangenen Samstag gehabt. Wenn nicht – Corona eben …
Auf dem Flyer sind 23 Personen abgebildet, mit Ausnahme des Bassisten allesamt ausgerüstet mit ihren Schwyzerörgeli. Ist es tatsächlich möglich, dass etwa jeder siebte erwachsene Einwohner, jede siebte Einwohnerin des 160-Seelen-Dorfes Liedertswil – im Volksmund gerne «Tschoppehof» genannt – bei dieser Schwyzerörgeli-Grossformation mittut? «Genau niemand aus dem kleinen Dörfchen im Waldenburgertal ist Mitglied der Formation», sagt Simon Dettwiler. Der blondgelockte Mann mit dem verschmitzten Lächeln muss es wissen: Dettwiler (44) leitet die Formation seit 17 Jahren in musikalischen Belangen.
Dass die Formation so heisst, kann mit einem Blick in deren Geschichte beantwortet werden: Einige Schülerinnen und Schüler des Schwyzerörgeli-Lehrers Stefan Wehrli hatten den Wunsch, sich regelmässig zu treffen, um gemeinsam zu musizieren. Weil Wehrlis Schule auf dem Tschoppenhof war, präsentierte sich der Name sozusagen auf dem Silbertablett. So wurde die Grossformation 1988 aus der Taufe gehoben. Noch im gleichen Jahr folgte der erste öffentliche Auftritt an einer Bergstubete im Berggasthof Hintere Wasserfallen ob Reigoldswil.
Breiter Volksmusik-Begriff
Simon Dettwiler erinnert sich an die Gründungsveranstaltung. Allerdings war er selber damals zarte zwölf Jahre alt und erst dabei, Örgeli zu lernen. Heute ist er als vermutlich jüngstes Mitglied der musikalische Leiter.
Noch heute sei das Hauptziel der als Verein organisierten Formation, gemeinsam zu musizieren, öffentlich aufzutreten und die Kameradschaft zu pflegen, erklärt Simon Dettwiler. Bis vor Kurzem trafen sich die Mitglieder alle zwei Wochen in Zunzgen, um zu üben. Seit Kurzem – Zunzgen hält die öffentlich nutzbaren Räume situationsbedingt geschlossen – finden die Proben im «Lindenhof» in Gelterkinden statt.
Nachwuchssorgen hat die Grossformation trotz des höheren Altersdurchschnitts keine. «Oft ist es so, dass sich Leute in einem gewissen Alter noch ihren Traum verwirklichen möchten und Schwyzerörgeli spielen lernen», sagt Dettwiler. Er habe feststellen können, dass das Örgelispielen tatsächlich ein Hobby für den dritten Lebensabschnitt ist.
Offen für Experimente
Es liegt auf der Hand, dass die Tschoppenhöfer primär traditionelle Volksmusik im «Berner Stil» spielen. Das Repertoire bietet abwechslungsreiche Unterhaltung, lüpfige Tanzmusik und Volkslieder. Aber längst nicht nur: «Wir interpretieren auch Stücke aus dem Appenzell, dem Bündnerland und der Zentralschweiz.» Zudem wagen sich die Örgeler auch an Stücke aus den Stilrichtungen Blues, Walzer und Tango.
Das kann nicht erstaunen, denn Simon Dettwiler, der zwar Biologie studiert, dann aber ganz auf die Musik gesetzt hat und seinen Unterhalt seit Jahren als professioneller Musiker und Musiklehrer verdient, bringt sein breites Interessengebiet in die Proben mit ein. So kommt es, dass die Tschoppenhöfer zuweilen ganz ungewohnte und vor allem unerwartete Töne zum Besten geben. Dettwiler spielt unter anderem bei den Formationen «Sulp», Pflanzplätz, Landstreichmusik und Doppelbock mit, die alle mehr oder weniger in der Sparte der «Neuen Volksmusik» unterwegs sind. Selber ist er immer wieder erstaunt, wie offen und neugierig seine Schützlinge sind. «Und wie motiviert sie zur Sache gehen und Neues lernen wollen», ergänzt er.
So kommt es, dass die Tschoppenhöfer auch einmal einen Auftritt bestreiten mit einer Fasnachtsclique, einer afrikanischen Percussionsgruppe oder einer Irish-Folk-Gruppe. Ursprünglich hätte das Konzert in der Oberen Fabrik unter Beteiligung des Musikvereins Diegten stattfinden sollen. Als dieser wegen der aktuellen Situation wieder absagte, stellten Dettwiler und seine Leute spontan um und besannen sich auf die eigenen Stärken: Tatsächlich hätten einige der Mitglieder ihre Örgeli beiseitegestellt, um eine Basler Trommel umzuschnallen oder am Klavier zu sitzen, um Gitarre zu spielen oder Flöte, Didgeridoo oder Mundharmonika. Auch das zeigt die grosse Spielfreude und Leidenschaft der Tschoppenhöfer.
Möge dieser Auftritt zu anderen Zeiten gebührend nachgeholt werden können.