Heute schon «gestupst» worden?
15.10.2020 RatgeberErnährung | «Nudges» für eine ausgewogene, nachhaltige Ernährung
Die duftenden Äpfel sind auf Augenhöhe platziert, die Wasserflaschen stehen gut sicht- und greifbar in der ersten Reihe des Getränkeregals. «Nudges» ...
Ernährung | «Nudges» für eine ausgewogene, nachhaltige Ernährung
Die duftenden Äpfel sind auf Augenhöhe platziert, die Wasserflaschen stehen gut sicht- und greifbar in der ersten Reihe des Getränkeregals. «Nudges» sollen die gesunde und nachhaltige Essensauswahl vereinfachen.
Barbara Suter
«Nudging» bedeutet so viel wie «anstupsen». Menschen werden mit verschiedenen Anreizen angestupst, ein gewünschtes Verhalten zu zeigen. Gezielte Platzierung, farbliches Hervorheben oder die spezielle Benennung eines Produkts sind Beispiele für «Nudges». Wir kennen das Konzept schon lange aus der Werbung oder aus Einkaufsläden: Waren mit hohen Margen werden auf Augenhöhe präsentiert, die Einkaufsgeschwindigkeit der Kundinnen und Kunden wird durch clever platzierte Aktionsregale verlangsamt und die verschiedenen Grundnahrungsmittel sind weit voneinander entfernt im Laden zu finden. Die Massnahmen sollen dazu animieren, bestimmte Nahrungsmittel eher zu kaufen als andere, länger im Laden zu verweilen und mehr einzukaufen als geplant.
Im Bereich der Ernährung findet «Nudging» in Gemeinschaftsgastronomien, beispielsweise in Spital- und Personalrestaurants oder Schulkantinen, immer häufiger Anwendung. An der Kasse finden sich zuvorderst frische Früchte, die «Schoggistängeli» sind weiter weg. Im Getränkesortiment wird vor allem Wasser angeboten, die Süssgetränke stehen weiter hinten. Am Ebenrain stehen Körbe mit Äpfeln aus dem Nachbardorf, gut sichtbar und zentral platziert, für Gäste und Mitarbeitende zur Verfügung. Rezepte aus der Ebenrainküche sind zum Mitnehmen im Eingangsbereich der Cafeteria auf Sichthöhe plaziert.
«Nudging» bedient sich psychologischer Erkenntnisse über die Mechanismen der menschlichen Entscheidungsfindung. Über wichtige Themen denken wir bewusst, eher lange und reflektiert nach, bevor wir eine Entscheidung fällen. Bei den mehr als 200 Entscheidungen, die wir täglich im Zusammenhang mit unserem Essen treffen, wären wir mit diesem Vorgehen heillos überfordert. Deshalb passieren diese meist schnell, automatisiert und unbewusst. «Nudging» nutzt dies aus und stupst die Menschen mit kleinen Interventionen zu besserer Lebensmittelauswahl.
Ein zentrales Merkmal von «Nudging» ist die Entscheidungsfreiheit. Man spricht deshalb von einem «Nudge», wenn Fruchtdesserts auf Augenhöhe und die Tortenstücke weiter unten platziert, aber nicht weggelassen werden. Die optimale Präsentation eines vegetarischen Gerichts auf dem Tresen ist ein «Nudge», das Anbieten von «Veggi-Days» jedoch nicht.
Was in der Gemeinschaftsgastronomie funktioniert, können Sie auch zu Hause anwenden. Stupsen Sie Ihre Liebsten in Richtung einer gesunden, nachhaltigen Ernährung. Die «Nudges» benötigen für die Umsetzung wenig Aufwand und ersparen Ihnen im besten Fall lange Diskussionen oder gar das Aussprechen von Verboten.
Barbara Suter ist Leiterin Ernährung, Hauswirtschaft und Gastronomie beim Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung, Sissach,
061 552 21 30, barbara.suter@bl.ch,
Rezepte zum «Anstupsen» unter ebenfein.bl.ch
«Nudging» zu Hause: Stupsen Sie Ihre Liebsten an
• Schneiden Sie saisonale Früchte in mundgerechte Stücke und ergänzen Sie damit die Mahlzeiten.
• Stellen Sie zentral und für alle zugänglich einen Früchtekorb mit saisonalem Obst auf.
• Servieren Sie beim nächsten Apéro neben Chips ungesalzene Hasel- oder Baumnüsse.
• Peppen Sie langweiliges Hahnenwasser mit Zitronenscheiben und mit frischer Pfefferminze auf.
• Bereiten Sie mit den Kindern zusammen fantasievoll belegte Brötli selber zu (siehe Bild).