CARTE BLANCHE
25.08.2020 PolitikKlasse statt Masse
Peter Riebli, Landrat, Fraktionspräsident SVP, Buckten
Nein, die Grenze soll nicht geschlossen werden. Und ja, wir brauchen ausländische Fachkräfte. Doch wer behauptet, dank der Personenfreizügigkeit ...
Klasse statt Masse
Peter Riebli, Landrat, Fraktionspräsident SVP, Buckten
Nein, die Grenze soll nicht geschlossen werden. Und ja, wir brauchen ausländische Fachkräfte. Doch wer behauptet, dank der Personenfreizügigkeit kämen vor allem hoch qualifizierte Fachkräfte, verkennt die Realität. Eine Studie des Amts für Wirtschaft und Arbeit zeigt, dass von den in die Schweiz zugewanderten Arbeitskräften nicht mal jeder Fünfte in einem Beruf arbeitet, bei dem ein Fachkräftemangel herrscht. Und dank der Statistik des Bundes weiss man, dass in den vergangenen 13 Jahren netto eine Million Ausländer in die Schweiz eingewandert sind, davon aber nicht einmal die Hälfte arbeitet. Das heisst: nur jeder zehnte Zuwanderer ist eine qualifizierte Fachkraft.
Statt zu Fachkräften und einer Zunahme des Wohlstands hat die Personenfreizügigkeit zu Gedränge in den Zügen, Staus auf den Strassen, Lohndruck, steigende Mieten, explodierende Sozialhilfekosten, überbeanspruchte Schulen und mehr Kriminalität geführt.
Die Schweiz muss wieder eigenständig entscheiden können, wie viele und welche Arbeitskräfte sie aufnimmt. Die Möglich keit, ausländische Fachkräfte zu rekrutieren, hängt nicht vom Personenfreizügigkeitsabkommen ab, sondern einzig von der schweizerischen Gesetzgebung. Die Initiative beauftragt den Bundesrat, das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU neu zu verhandeln und, falls dies nicht gelingt, dieses ausser Kraft zu setzen.
Der Bundesrat warnt eindringlich, eine Kündigung der Personenfreizügigkeit setze den bilateralen Weg als Ganzes aufs Spiel. Die Schweiz hat mit der EU je nach Zählweise gegen 200 bilaterale Verträge abgeschlossen. Die Bilateralen I, die allenfalls wegfallen könnten, sind ein kleiner Teil davon. Wer die betroffenen sechs Abkommen durchliest, stellt rasch fest, dass diese von geringem Gewicht und vorwiegend im Interesse der EU sind.
Den Zugang zum EU-Markt regelt und sichert seit 1972 das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Weit über 90 Prozent des schweizerischen Exportvolumens in die EU werden durch dieses Freihandelsabkommen und die Regeln der WTO garantiert. Eine Annahme der Begrenzungsinitiative hat auf diesen Vertrag null Einfluss.
Aufgrund der eindeutig negativen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf Arbeitsmarkt, Sozialwerke, Infrastruktur, Umwelt und Identität ist es folgerichtig, dass die Schweiz, im Falle einer Verweigerungshaltung der EU, den Wegfall der restlichen sechs Verträge der Bilateralen I in Kauf nimmt.
Das Bestreben, die Zuwanderung zu kontrollieren, hat nichts mit Xenophobie oder Rassismus zu tun. Fremde Einflüsse haben uns seit jeher bereichert, aber sie sollten nicht überhandnehmen und unsere Eigenheiten verdrängen, mit denen wir bisher gut gefahren sind. Sonst bekommt der Soziologe Jey Aratnam von der Universität Basel recht, der unlängst für uns Schweizer Integrationskurse forderte, da wir in unserem eigenen Land langsam zu einer Minderheit würden. Und wörtlich: «Wenn sich die Einheimischen nicht anpassen, werden sie zu Verlierern im eigenen Land.»
Es soll dann niemand sagen: «Wenn ich das gewusst hätte!»
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.