«Döner und Pizza passen nicht zu diesem Haus»
27.08.2020 WaldenburgDer Gasthof Schlüssel wird im September wiedereröffnet Nach nahezu zweijährigem Unterbruch kehrt in den Waldenburger Gasthof Schlüssel im September wieder Leben ein. Der italienische Wirt und Küchenchef will seine Gäste im optisch aufgefrischten Lokal mit seiner raffinierten mediterranen ...
Der Gasthof Schlüssel wird im September wiedereröffnet Nach nahezu zweijährigem Unterbruch kehrt in den Waldenburger Gasthof Schlüssel im September wieder Leben ein. Der italienische Wirt und Küchenchef will seine Gäste im optisch aufgefrischten Lokal mit seiner raffinierten mediterranen Küche überraschen.
Christian Horisberger
Dieser Mann ginge als Rockstar durch: gross gewachsen, kräftige Statur, Glatze und Vollbart, die Arme mit Tattoos übersät. Daniele Verardi rockt den Herd. Er wird neuer Küchenchef und Wirt des ältesten Gasthauses des Kantons, des 1436 erbauten Gasthofs zum Schlüssel in Waldenburg. Der Italiener tritt damit die Nachfolge von Adrian Jaton an, der das Restaurant Ende 2018 aufgegeben hatte. Seither sind die Stühle auf den Tischen geblieben.
Noch ist die schwere Eichentür zum «Schlüssel» verschlossen. Doch ist in die Gaststube, den Keller, die Säle und die Küche bereits vor vier Monaten wieder Leben eingekehrt. Es wird gerissen und gestrichen, gezimmert und geputzt. Handwerker und die Crew des künftigen Gastgebers frischen das Restaurant im mächtigen Haus mitten im «Stedtli» auf und versehen es da und dort mit einer frischen Note.
So liess der Wirt die hölzerne Wandverkleidung in der Gaststube weiss streichen, um mehr Licht in den Raum zu bekommen. Der einmalige, bunte Plättliboden blieb unangetastet. Aus dem «Stübli» mit seinen jahrhundertealten, handbearbeiteten Sichtbalken hat Verardi die historischen, höhenverstellbare Pendellampen verbannt. Sie hingen im niedrigen Raum viel zu tief. Jetzt setzen indirekt leuchtende LED-Bänder das Gebälk dezent in Szene. Ein Hauch Moderne zwischen jahrhundertealten Mauern und Balken. Noch vor den Lampen sei der Teppich fällig gewesen, sagt Verardi mit starkem italienischen Akzent kopfschüttelnd. Auch in den herausgeputzten Gewölbekeller, wo man sich zwischen den Weinregalen bei einem Apéro aufs Dinieren einstimmen kann, bringt eine moderne Beleuchtung etwas Pep. Das Haus gefalle ihm sehr, sagt Verardi, «aber auch eine alte Dame möchte hin und wieder ihr Make-up auffrischen».
Verliebt in alte Häuser
Die Bausubstanz und der Charakter des altehrwürdigen «Schlüssel» blieben beim Facelifting unangetastet. Derlei Eingriffe hätte der Hauseigentümer auch nicht zugelassen. Der Liestaler Anwalt Thomas Christen hatte das Gebäude vor gut 30 Jahren gekauft und umfassend sanieren lassen: Damals habe er unter anderem Böden, Wände und Fenster in ihren Originalzustand zurückversetzen lassen, erzählt der Hausherr während einer Führung durch den Gasthof, in dem 1797 Napoleon Bonaparte eingekehrt war. Nach jenem fürs Baselbiet historischen Ereignis sind die beiden Suiten im zweiten Stock benannt: «Napoleon» und «Josephine».
«Als ich das Haus damals sanieren liess, dachten die Leute im Ort, ich müsse den Verstand verloren haben», erzählt Christen lächelnd, «aber ich hatte mich in den ‹Schlüssel› verliebt». Hilfe holte er sich damals beim Architekten Frank Hablützel, der mit dem Basler Café Des Arts eine Bar-Ikone geschaffen hatte. Die Art-déco-Buffets, in der Gaststube und dem kleinen Säli im ersten Stock, habe Hablützel in Lyon, der einstigen Hauptstadt des Art déco, beschafft, sagt Christen schwärmerisch.
Historische Häuser sind die Leidenschaft Christens, der in der Lausner Papiermühle aufwuchs. Bietet sich die Gelegenheit, eine Perle wie jene mitten im Waldenburger «Stedtli» zu erwerben, greift er zu. Die Häuser lässt er sanft renovieren, damit möglichst viel originale Bausubstanz erhalten und bestenfalls zu Tage gefördert wird. Die «neuen» alten Häuser vermietet er. Einen seiner Schätze weiterzuverkaufen, kommt für Christen nicht infrage. Dafür steckt er zu viel Herzblut hinein. Weitere bekanntere Gebäude in seinem Besitz sind das «Schiff» in Wallbach, das Liestaler Hofgut Gräuberen sowie der «Thurgauerhof» in Liestal, in dem sich Christens Advokatur und Notariat «Zum Thurgauerhof» befindet.
Paris, New York, Waldenburg
Weit mehr als ein Jahr hatte der Eigentümer des Gasthofs nach einem neuen Pächter Ausschau gehalten. Es dauert eben eine Weile, wenn man wie er den Anspruch hat, dass in den eigenen vier Wänden nicht noch eine Pizzeria oder Dönerbude betrieben wird. «Die würden nicht zu diesem Haus passen», sagt Christen. Mit Daniele Verardi als Pächter braucht er sich deswegen keine Sorgen zu machen. Der Italiener hat sich seine Sporen in der gehobenen Gastronomie auf Sardinien, in Paris, Dubai, New York und Mailand abverdient – mehrfach unter Sterneköchen. Seine bisherigen Stationen in der Schweiz waren der «Rhypark» und das Restaurant Fiorentina in Basel.
In Waldenburg wolle er nun erstmals etwas Eigenes aufziehen: mittleres Segment, nicht abgehoben, italienisch-mediterran – Fisch, Fleisch, Pasta –, abwechslungsreich. «Ich möchte nicht die Menüs bieten, die man überall bekommen kann, sondern meine Gäste etwas erleben lassen», beschreibt der 32-jährige Koch seine Philosophie. Er werde mit Produkten aus der Region arbeiten, von der Milch vom Bauern, die er selber verkäsen will, bis hin zu essbaren Blumen, die er eigenhändig in der Umgebung pflücken gehen werde.
Pizza werde es im «Schlüssel» nicht geben, versichert der Koch. Aber Pinsa. Das ist deren edle Schwester aus sehr lange gereiftem Sauerteig, die erst nach dem Backen belegt wird – beispielsweise mit Trüffeln, Lachs, Safran oder Zucchini-Perlen. Die gesamte Speisekarte befindet sich noch im Kopf des Küchenchefs. Er wolle sie klein halten und öfter austauschen, sagt er. Im Moment hat noch die Renovierung Vorrang, überdies ist das Herzstück des Restaurants, die neue Küche, noch gar nicht geliefert. Deshalb könne er auch noch nicht genau sagen, ab wann genau sein Lokal jeweils mittags und abends Gäste bewirten wird. Der Start sei Mitte September vorgesehen.
Vor der offiziellen Eröffnung wird die neue Crew – zwei Personen in der Küche und zwei im Service – die Bevölkerung zu einem Willkommensund Kennenlern-Apéro einladen und den «neuen» alten «Schlüssel» präsentieren. Bei dieser Gelegenheit will der Wirt das definitive Eröffnungsdatum bekannt geben.
Hartes Pflaster
«Was verspricht sich ein Gastro-Profi, der in Manhatten und im Herzen von Mailand kochte, von Waldenburg?», fragen wir ihn. Wer soll bei ihm einkehren? «Alle», sagt er. Menschen aus dem Dorf und der Umgebung, sowie jene, die ihn und seine Arbeit in der Küche bereits in Basel kennen und schätzen gelernt hätten. Es sei ein grosser Schritt von New York nach Basel gewesen und ein noch grösserer von Basel nach Waldenburg, so Verardi. Er habe grossen Respekt vor der Herausforderung, sagt er. Aber anstatt sich gross den Kopf darüber zu zerbrechen, packt er einfach an, diskutiert mit Handwerkern über Glas oder Holz und überlegt sich, was für Bäume er in die grossen Kisten neben der Eingangstür pflanzen soll.
Christen ist im Bild über den wirtschaftlichen Aderlass, den Waldenburg in den vergangenen Jahren erlitten hat. Umso mehr freut er sich, dass er mit Verardi einen Mann gefunden hat, der den Mut aufbringt, wieder Leben in den «Schlüssel» zu bringen. «Ich hoffe, er packt es.»
Und falls er auch längerfristig keinen Pächter gefunden hätte, wie hätte er darauf reagiert?, fragen wir den Hausbesitzer. «Aus wirtschaftlicher Sicht wäre es bestimmt sicherer, aus den Räumen des Restaurants Wohnungen zu machen», antwortet Christen. Das würde er dem «Schlüssel» aber niemals antun. «Ich will, dass alles am Haus bleibt, wie es ist.»