Wo wohnten Grendelis?
14.07.2020 RothenfluhEinem Dorfnamen auf der Spur
vs. In einer Bildlegende «pflanzte» die «Volksstimme»-Redaktion Paul Erny, der kürzlich 105 Jahre alt wurde, ins Grendel. Falsch, stellt Autor und Familienforscher Otto Graf klar:
Paul Erny-Gerber, oder ...
Einem Dorfnamen auf der Spur
vs. In einer Bildlegende «pflanzte» die «Volksstimme»-Redaktion Paul Erny, der kürzlich 105 Jahre alt wurde, ins Grendel. Falsch, stellt Autor und Familienforscher Otto Graf klar:
Paul Erny-Gerber, oder «Grendeli-Paul», ist zwar ein waschechter «Grendeli», wuchs aber nicht, wie im Beitrag der «Volksstimme» vom vergangenen Freitag vermerkt, im Grendel, sondern am Dorfplatz in Rothenfluh auf.
Wie alle Rothenflüher Ernys stammt er von Ulrich Erny-Guldenmann (1649–1695), Dorfname in Wenslingen «Hansuelis», 1681 in Rothenfluh eingebürgert, ab. Dessen Sohn Johann Jakob Erny-Bürgin (1682– 1744) erhielt den Dorfnamen «Seiler». Wiederum dessen Nachfahre Johannes Erny-Gass (1743–1813) war Leinenweber und wurde im Dorf «Seilerhannesli» genannt. In der nächsten Generation taucht mit Johannes Erny-Weitnauer (1785–1871), «Grendeli-Hans», erstmals der Dorfname «Grendelis» auf, der sich über vier weitere Generationen bis heute erhalten hat.
Der älteren Generation sind vor allem der Vater von Paul, Hans-Erny Meier (1884–1965), «Grendeli-Hans senior», «Staatswegmacher», Emil Erny Gerster (1886–1990), der «Grendeli-Miggel», der 104 Jahre alt wurde, sowie die drei Brüder von Paul, nämlich Hans Erny-Gass (1912–1980), «Grendeli-Hans junior», Willy Erny-Schuch (1916–2010), «Grendeli-Willy» und Karl Erny-Meier (1918–1997), «Grendeli-Karli», bekannt. Da von den männlichen Nachkommen der drei Letzgenannten nur noch Bruno Erny-Rodmann, der «Grendeli-Bruno», Präsident des Natur- und Vogelschutzvereins Rothenfluh-Anwil (Nuvra), im Dorf wohnt, dürfte der Dorfname «Grendelis» in absehbarer Zeit Geschichte sein.
Flurname wird zum Dorfnamen
Der Flurname Grendel hingegen ist in der Bevölkerung fest verankert und für viele Familien Teil ihrer Adresse. Denn der Grendel im nordwestlichen Teil des Dorfs ist ein Wohngebiet von Rothenfluh. Die Bezeichnung wird in den Flurnamenbüchern von Karin Goy und Markus Ramseier erstmals 1723 unter der Bezeichnung «beym Grendel» erwähnt. Die Autoren leiten den häugen Flurnamen Grendel oder Grindel aus dem Mittelhochdeutschen ab, was so viel wie «Riegel» oder «Balken» bedeutet.
Die Präposition «beim», lässt den Schluss zu, dass sich die Bezeichnung der Flur auf einen einstigen Schlagbaum bezieht. Dies belegen auch die Federzeichnungen von Georg Friedrich Meyer. Eine zweite Deutung, wonach es sich um einen natürlichen Talriegel handeln könnte, wie es andernorts der Fall ist, schliesst Goy aus. Dem pflichtet Ramseier bei und stellt fest, dass auf der Flur einst ein Schlagbaum oder Grenzzaun gestanden haben könnte, möglicherweise, um das Rebgebiet zu sichern.
Der erste «Grendeli» dürfte also im Grendel gewohnt haben. Wann dieser oder dessen Nachfahren hinunter an die nahe beieinanderliegenden Häuser an der Niederhofgasse, an den Dorfplatz und die Hirschengasse gewechselt haben, ist noch offen. Der Dorfname, ein eindeutiges Merkmal zum Unterscheiden von den anderen Familien namens Erny, hat sich dank der mündlichen Überlieferungen sowie der Vermerke in den Kirchenbüchern, eine wahre Fundgrube für die Ahnen- und Familienforschung, erhalten.
Otto Graf, ein «Grendeli» mütterlicherseits, Rothenfluh