Zu Berg auf dem Rücken des Mulis
25.06.2020 SchweizDas geduldige Lasttier war für den Tourismus von grosser Bedeutung
Alte Bücher und Zeitungen beschreiben schon im 19. Jahrhundert die gastlichen Alpengipfel Rigi, Faulhorn oder Gemmi als interessanteste Orte der Schweiz. «Die milchweisse Gletscherwelt» warb ...
Das geduldige Lasttier war für den Tourismus von grosser Bedeutung
Alte Bücher und Zeitungen beschreiben schon im 19. Jahrhundert die gastlichen Alpengipfel Rigi, Faulhorn oder Gemmi als interessanteste Orte der Schweiz. «Die milchweisse Gletscherwelt» warb für den Zutritt zu den Naturwundern und Fremdenorten in Europa. Molkekuren, Maultierritte und Eisgrottenbesuche – die Schwärmerei für die idyllisch-malerischen Seiten des Älplertums, von Chalets, Wasserfällen und Alpenmatten, wurden auch für die «Herrschaften mit Perücke und Reifrock» interessant.
Das Bezwingen eines Gipfels war hart damals, vor allen Dingen für die Damen. Während über 100 Jahren des Bergtourismus war das Maultier für viele Gäste die einzige Möglichkeit, auch höher gelegene Orte in den Bergen zu erreichen, wollte man nicht zu Fuss gehen. In dieser Zeit wurden auch viele Hotels an Ausflugszielen eröffnet. Zu den wichtigeren von ihnen, zum Beispiel auf die Rigi, das Jungfraujoch oder nach Zermatt wurden bereits sehr früh Eisenbahnen gebaut.
Auch zu den Hotels und Bergrestaurants in den Alpen, im Wallis, in der Westschweiz, im Berner Oberland, in der Innerschweiz, in Graubünden oder im Alpstein wurden die benötigten Waren mit Maultieren transportiert. Die Gäste wurden ebenfalls mit Maultieren bequem an ihr Ziel gebracht oder sie machten auf dem Rücken der willigen Tiere Ausflüge in der Umgebung ihres Feriendomizils.
Das Maultier ist sehr eng mit der Säumerei verbunden – das heisst mit dem Warentransport. Über die Alpen führten mehrere Routen, auf denen der Handel mit Gütern erfolgte. Als wichtigste Güter transportierte man Salz vom Norden nach Süden und Wein vom Süden nach Norden.
Das Maultier – nach dem lateinischen «mulus» auch «Muli» genannt – ist die Kreuzung einer Pferdestute und eines Eselhengstes. Die umgekehrte Kombination von Pferdehengst und Eselstute wird Maulesel genannt.
Als Hybride sind Maultiere untereinander nicht fortpflanzungsfähig.
Durch seine vielseitigen Einsatzmöglichkeiten als Trag-, Zug- und Reittier wurde und wird das Maultier auch im Tourismus eingesetzt. Und die Soldaten lobten: «Müli ist der beste Kamerad.» Bis 1949 erreichten Pakete und Postsäcke den hochgelegenen Walliser Kurort Saas Fee noch auf dem Rücken von Maultieren, begleitet von Postboten. Die Maultierpost im Saastal umfasste zeitweise bis zu 120 Tiere, was ihre grosse Bedeutung in der Zeit zeigt, bevor Strassen auch die entlegensten Siedlungen erschlossen.
Das Maultier – genügsam und ausdauernd – wurde im Tessin, in einzelnen Bündner Tälern, in der Zentralschweiz und vor allem im Wallis für den Post-Transport eingesetzt. Trotz der immer grösser werdenden Konkurrenz durch Seilbahnen und Helikopter konnte das Maultier seinen Platz im Tourismus behaupten. So wird es seit rund 40 Jahren im Trekking eingesetzt. Eugen Schwarz