Alles ein bisschen anders – auch der Apéro
18.06.2020 Arboldswil, Bezirk WaldenburgSeverin Furter
Das Vorhaben, die Arboldswiler Gemeindeversammlung auf dem Platz vor dem Gemeindehaus unter freiem Himmel durchzuführen, ist am Montagabend ins Wasser gefallen. Zwar hat es nicht geregnet, die unsichere Wetterprognose und die tiefen Temperaturen haben eine ...
Severin Furter
Das Vorhaben, die Arboldswiler Gemeindeversammlung auf dem Platz vor dem Gemeindehaus unter freiem Himmel durchzuführen, ist am Montagabend ins Wasser gefallen. Zwar hat es nicht geregnet, die unsichere Wetterprognose und die tiefen Temperaturen haben eine «Gmäini» nach dem Vorbild der Appenzeller Landsgemeinde jedoch verunmöglicht.
Die Versammlung musste dennoch – als eine der ersten im Baselbiet – unter Berücksichtigung entsprechender Corona-Schutzmassnahmen durchgeführt werden: Statt «open air» oder wie ansonsten üblich im Gemeindesaal, trafen sich die Stimmberechtigten in der Mehrzweckhalle. «Später können wir erzählen, dass wir früher einmal eine Gemeindeversammlung in einer vollen Halle erleben durften», sagte Gemeindepräsident Johannes Sutter bei der Begrüssung und sorgte damit für Lacher. Dies, weil seine Aussage nur bedingt der Realität entsprach: Die Stühle waren zwar wirklich gut besetzt, der Abstand zwischen den einzelnen Stühlen betrug aber jeweils 2 Meter. Dabei war es zusammengehörenden Besuchern – wie beispielsweise Ehepaaren – gestattet, ihre Stühle näher zueinander zu rücken.
Der unübliche Versammlungsort sorgte für diverse organisatorische Änderungen im Ablauf. Statt vor einer Leinwand mit den projizierten Informationen zu den Traktanden, sass der Gemeinderat vor dem dunkelblauen Samtvorhang der Theaterbühne: «Wir sind der Meinung, dass eine Gemeindeversammlung auch ohne Beamer funktionieren muss», so Sutter. Schliesslich habe es solche technischen Hilfsmittel vor 200 Jahren noch nicht gegeben, Gemeindeversammlungen aber schon. Auch auf die Hilfe eines Mikrofons wurde verzichtet, nachdem der Gemeindepräsident festgestellt hatte, dass seine Stimme kräftig genug ist, damit seine Erläuterungen auch in der hintersten Reihe verstanden wurden.
Selbst bei den Verabschiedungen von abtretenden Kommissionsmitgliedern und Gemeindeangestellten waren die Auswirkungen des Coronavirus spürbar: Zwar wurden wie üblich Blumen oder Wein übergeben, das Händeschütteln und die obligaten drei Küsschen fielen aber weg.
Abgepackter Kuchen statt Nüssli
Der Stimmung unter den Stimmberechtigten tat dies keinen Abbruch:
«Es ist so, wie es ist, wir können nichts ändern», sagte ein älterer Versammlungsteilnehmer, während ein anderer mit einem Schmunzeln ergänzte: «Immerhin dürfen wir nun wieder gemeinsam ein Bier trinken.»
Wer nun an einen angesprochenen Restaurantbesuch denkt, liegt falsch. Während andere Gemeinden explizit auf das gemütliche Beisammensein nach der Versammlung verzichten, offerierte der Arboldswiler Gemeinderat einen Apéro: «Selbstverständlich unter Corona-Bedingungen», so Gemeindepräsident Sutter. Statt Chips und Nüssli gab es in einzelne Tüten abgepackte Sandwiches und Kuchen, Getränke gab es nur aus der Flasche. Das Ganze war als Dank der Behörden für das gemeinsame Durchstehen der anspruchsvollen und für alle ungewöhnlichen Lockdown-Zeit gedacht.
Die «Gmäini» unter speziellen Bedingungen erwies sich für den Gemeinderat als gelungene Angelegenheit: Die Stimmung war gut, die traktandierten Geschäfte sind alle einstimmig gutgeheissen worden (siehe Kasten). Einen Wermutstropfen gab es für einzelne Exekutivmitglieder dennoch: «Ich hätte die Versammlung schon gerne unter freiem Himmel durchgeführt», so Gemeinderat Patrick Lutz, «das wäre noch einzigartiger gewesen.»
«Satter Gewinn»: Senkung des Steuersatzes?
sf. Die Traktanden der Arboldswiler Gemeindeversammlung haben bei den 53 Stimmberechtigten am Montagabend keine Diskussionen ausgelöst. Lediglich bei der Präsentation des Rechnungsabschlusses 2019 musste sich der Gemeinderat einer – jedoch unkritischen – Frage stellen. Vielleicht lag diese Tatsache daran, dass die Rechnung des vergangenen Jahres einen Ertragsüberschuss von beinahe 380 000 Franken vorweisen konnte und damit deutlich besser abschloss als im Budget vorgesehen. Gemeindepräsident Johannes Sutter sprach gar von einem «satten Gewinn».
Das gute Abschneiden der Rechnung ist ein Resultat mehrerer Faktoren: Einerseits gab es weniger Sozialhilfekosten zu verbuchen, andererseits mussten wegen gesetzlicher Bestimmungen grössere Beträge aus den Spezialfinanzierungen Wasser und Abwasser entnommen werden. Zudem lagen die Steuereinnahmen rund 74 000 Franken über dem Wert des Budgets und auch aus dem Finanzausgleich gab es für die Gemeindekasse rund 110 000 Franken mehr als erwartet. «Die Finanzlage unserer Gemeinde ist ausgezeichnet», sagte Sutter und lobte zugleich die Arbeit seiner Exekutive: «Der Gemeinderat tätigt die Ausgaben mit Bedacht.»
Sutter griff in seinen Erklärungen zudem ein Thema auf, das «ansonsten von den Stimmbürgern automatisch auf den Tisch kommen werde»: eine Senkung des Steuersatzes. Dazu werde man sich im Hinblick auf die Budget-«Gmäini» von Ende Jahr ausführlich Gedanken machen. Sutter relativierte dabei aber, dass diese Diskussion immer unter Berücksichtigung von künftigen Investitionen, der Standortattraktivität und nicht zuletzt auch der Folgen des Coronavirus geführt werden müsse.
Neben der Rechnung wurden die weiteren Geschäfte diskussionslos oder gar ohne Wortmeldung erledigt: So wurden einige inhaltliche Präzisierungen und Anpassungen im Vertrag der Kreisschule Arboldswil/Titterten und des gemeinsamen Kreisschulrats bestätigt. Und die zu wählenden Kommissionen Wahlbüro, Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission und Sozialhilfebehörde konnten vollständig besetzt werden.