Solidarität für alten Dorfbrunnen
26.05.2020 RothenfluhBevölkerung legt für den Erhalt des Ortsbilds zusammen
Ein neuer Dorfbrunnen sorgt in Rothenfluh für lange Gesichter: Er sei im Vergleich mit dem Original zu klein und passe nicht ins Ortsbild, lautet die Kritik. Mithilfe von Spenden soll der alte Brunnen saniert und wieder an seinen ...
Bevölkerung legt für den Erhalt des Ortsbilds zusammen
Ein neuer Dorfbrunnen sorgt in Rothenfluh für lange Gesichter: Er sei im Vergleich mit dem Original zu klein und passe nicht ins Ortsbild, lautet die Kritik. Mithilfe von Spenden soll der alte Brunnen saniert und wieder an seinen angestammten Platz gebracht werden.
Christian Horisberger
Am 5. September soll die Erneuerung der acht Rothenflüher Dorfbrunnen in der Hirschengasse mit dem «Brunnenfest» gefeiert werden. Sieben Brunnen hat die Gemeinde seit 2018 sanieren lassen. Einen nach dem anderen, sehr zum Gefallen der Bevölkerung. 70 000 Franken liess sich das Dorf seinen historischen Schmuck bislang kosten. Über den achten und letzten Brunnen stolperte der Gemeinderat: Anstatt auch den «Ruebgassbrunnen» einer Sanierung zu unterziehen, liess er ihn entfernen und vor rund einem Monat austauschen. Der Ersatz ist neuwertig und makellos, jedoch ohne den historischen Charme des weit mehr als 100-jährigen Originals. Und auch deutlich kleiner. Der alte Brunnentrog war rund 3,30 Meter lang und 1 Meter breit, der neue ist etwa halb so gross. Aus der Sicht mancher Rothenflüherinnen und Rothenflühern ein Fehlgriff.
«Der neue Brunnen passt im Vergleich zum alten, ehrenwerten Brunnen weder gestalterisch noch proportional ins Ortsbild», findet Kurt Schaub. Der einstige Gemeindepräsident macht aus seiner Enttäuschung über das «lieblose und nicht nachvollziehbare» Vorgehen des Gemeinderats keinen Hehl. Der Standort sei von drei Strassen (Ruebgasse, Dübachweg und Hirschengasse) aus einsehbar, damit sei es das exponierteste Exemplar. Ausgerechnet hier sei dem gesamten Ortsbild nicht angemessen Rechnung getragen worden. Nach sieben gelungenen Sanierungen sei ausgerechnet beim letzten Brunnen offensichtlich gespart und zudem die Bevölkerung nicht informiert, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
Mehr als 50 Personen im Boot
Schaub ist mit seiner Meinung nicht alleine. Viele Menschen in seinem Umfeld teilten sie, sagt er. Einer von ihnen ist Martin Erny, unmittelbarer «Nachbar» des Brunnens und wie Schaub ein früherer Gemeindepräsident. Die beiden hörten sich im Dorf um und sahen sich nicht nur von Anwohnern in ihrer Einschätzung bestätigt. Sie verfassten einen «Offenen Brief» zuhanden des Gemeinderats und der Dorf- und Kulturkommission. Das Schreiben wurde der «Volksstimme» von dritter Hand zugespielt. Dem alten Brunnen, einem Kulturgut, sei Sorge zu tragen, heisst es darin.
Sollten finanzielle Aspekte für das «Brünneli» und gegen den altehrwürdigen Brunnen gesprochen haben, könne die Mittelbeschaffung auch auf private oder institutionelle Kreise ausgeweitet werden, heisst es. Die konkrete Forderung: Der neue, unpassende Brunnen sei zu entfernen und der historische Brunnen wieder an seinem angestammten Ort zu platzieren. Gemäss Schaub haben sich mehr als 50 Personen bereit erklärt, den Brief zu unterzeichnen.
Ehe die Ex-Präsidenten das Schreiben veröffentlichten, hätten sie den Gemeinderat um ein Gespräch gebeten, um nicht unnötig Geschirr zu zerschlagen, sagt Schaub. Es kam zu einem Lokaltermin mit dem amtierenden Gemeindepräsidenten Paul Schaub und dem für die Brunnensanierungen zuständigen Gemeinderat Albert Bürgi.
Die Forderung wurde auf den Tisch gelegt und folgende Vereinbarung getroffen: Martin Erny und Kurt Schaub erklären sich bereit, 10 000 Franken Spenden zusammenzutragen, damit der alte Brunnen saniert wird und wieder an seinen angestammten Platz kommt. Der «Offene Brief» geht vorerst nicht an die Öffentlichkeit. Im Gegenzug stellt der Gemeinderat die noch anstehenden Arbeiten an der Ruebgasse ein und trifft Abklärungen über die Folgekosten für den Rücktausch und die Möglichkeit einer Sanierung des undichten alten Brunnentrogs.
Seither ruhen die ausstehenden Umgebungsarbeiten, das neue «Brünneli» plätschert nicht und ist stattdessen von Bauabschrankungen umgeben. Den alten Brunnentrog hat der Lieferant abtransportiert.
Geld in zwei Tagen beisammen
Die Ex-Präsidenten haben ihren Teil der Vereinbarung gehalten: «Wir haben uns ziemlich auf die Äste hinausgewagt», sagt Kurt Schaub, «aber innert zweier Tage haben wir Zusagen für Spenden in der Höhe von mehr als 10 000 Franken einholen können.» 20 Haushalte hätten zwei- bis vierstellige Beträge zugesichert. Anfang vergangener Woche informierte er den Gemeinderat, dass die Summe zur Verfügung steht.
Der Gemeinderat will sich gegenüber der «Volksstimme» vorderhand nicht öffentlich äussern. Er lässt von Verwalter Bruno Heinzelmann ausrichten, dass man mit den Verfassern des «Offenen Briefs» so verblieben sei, dass zunächst weitere Abklärungen getroffen würden: Kann der alte Brunnentrog repariert werden? Wie hoch wären die allfälligen Folgekosten? Sobald alle erforderlichen Informationen vorlägen, solle mit den beiden wieder ein Gespräch stattfinden. Dann werde der Gemeinderat über das weitere Vorgehen beschliessen. Dann erst werde auch der Zeitpunkt sein, die Bevölkerung umfassend zu informieren.
Offen lässt der Gemeinderat die Fragen über die Gründe für den Austausch des Brunnens anstelle einer Sanierung und zur Modellwahl. Wahrscheinlich ist, dass die Sanierung wegen des schlechten Zustand des Trogs teurer zu stehen gekommen wäre als die getätigte Neuanschaffung. Auf einer Notiz an der Bauabschrankung beim Brunnen heisst es nur: «Der Ruebgassbrunnen wird aufgrund der grossen Beschädigungen ersetzt.»
Kein Denkmalschutz
Keine Rolle spielt trotz des stolzen Alters des Dorfbrunnens der Denkmalschutz. Wie Abklärungen bei der Baselbieter Denkmalpflege ergaben, stehen die Rothenflüher Dorfbrunnen weder unter kantonalem noch unter kommunalem Schutz.
Kurt Schaub hofft, im Juni mehr zu erfahren und auf eine Lösung im Interesse des Dorfs, dessen Geschichte und Bevölkerung. Sollte sich keine einvernehmliche Regelung finden, hielte er es für sinnvoll, den Entscheid über alt oder neu «auf breiterer Ebene» zu diskutieren. Als früherer Finanzchef habe er auch aufs Geld geschaut, sagt Schaub. Doch wisse er: «Man kann immer über Ausgaben streiten, aber wenn das Portemonnaie immer übers Herz gestellt wird, ist das nicht mehr gut.»