Das Dorf wird zum Trainingsgelände
12.05.2020 Rothenfluh, SportTrial Bike | Aaron Wyss hält Rothenfluh auf seinen Zweirädern auf Trab
Aaron Wyss hat vor zwei Jahren zum Trial-Bike-Sport gefunden. Durch Talent und viele Trainingsstunden gelang ihm vergangenes Jahr gar die Qualifikation für die Jugendweltspiele. Auch in Zeiten des ...
Trial Bike | Aaron Wyss hält Rothenfluh auf seinen Zweirädern auf Trab
Aaron Wyss hat vor zwei Jahren zum Trial-Bike-Sport gefunden. Durch Talent und viele Trainingsstunden gelang ihm vergangenes Jahr gar die Qualifikation für die Jugendweltspiele. Auch in Zeiten des Coronavirus fährt und springt er durch Rothenfluh.
Florin Messerli
Wer bei Familie Wyss in Rothenfluh vorbeifährt und neben dem Haus die Skate-Rampen erblickt, kann sich schon denken, dass hier jemand wohnen muss, der ein Faible für den Freestylesport hat. Beeindruckende Tricks mit dem BMX und Stunt-Scooter oder mit dem Mountainbike in ein paar Sprüngen den Hang hinunterdüsen – der 12-jährige Aaron fährt alles gerne, was zwei Räder hat. Na ja, fast alles. Denn das normale Strassenvelo scheint dann doch schon wieder etwas zu langweilig.
«Zum Sport habe ich einerseits durch meinen Vater, andererseits aber vor allem durch Youtube-Videos gefunden. Die Freestyler mit ihren Tricks auf dem Trial Bike und BMX haben mich so fasziniert, dass ich das auch lernen wollte.» Die Begeisterung für Fahrradsportarten kommt nicht von ungefähr. «Schon als ganz kleiner Junge war er auf seinem Laufrad unterwegs und sauste den Hang hinter unserem Haus hinunter. Er war kaum zu bremsen», erinnert sich Dominik Wyss, Aarons Vater.
Paletten, Traktorreifen, Holzrugel
Zunächst fuhr Aaron mit seinem Trial Bike aber nur ums Haus, bis er vor zwei Jahren den Schritt in ein professionelleres Trainingsumfeld wagte. Bald darauf wurde der Rothenflüher von Debi Studer, eine der weltweit Besten im Trial-Bike-Sport und seine heutige Trainerin, angefragt, ob er nicht auch an Wettkämpfen mitmachen wolle. Gesagt, getan. Und so fährt der talentierte Biker nun mit den Besten seiner Alterskategorie mit. So gut, dass er es sich vorstellen könnte, einen Jahrgang weiter oben mitzumischen.
Im September des vergangenen Jahres gelang Aaron mit dem dritten Platz im Swisscup die Qualifikation für die Jugendweltspiele, die dieses Jahr aufgrund des Coronavirus aber nicht stattfinden können.
Für den Rothenflüher kein Grund zur Trauer. Und so trainiert der ambitionierte Athlet weiter, auch wenn er dies zurzeit nicht in der Trainingshalle in Basel tun kann. Dafür hat er genügend Paletten,Traktorreifen oder Holzrugel neben dem Haus. Falls das einmal zu langweilig wird, gibt es noch verschiedene Hindernisse im Dorf – so springt er mal über den Bach oder übt seine Balance auf Mauern und Steinen.
Aaron ist im Moment noch in vorgegebenen Parcours auf dem Trial Bike unterwegs und nimmt aktiv an Wettbewerben teil (siehe Kasten). Später würde er aber das Erlernte gerne im Street-Trial-Sport anwenden. Dort fahren die Athleten durch Städte und suchen sich selber ihre Routen, statt einem vorgegebenen Weg zu folgen.
Wer weiss, vielleicht wird er der nächste Danny MacAskill? Der schottische Trial-Bike-Profi erreicht mit seinen Youtube-Videos Millionen von Klicks. Mal springt er mit seinem Rad im Fitnesscenter umher, mal im Kinderzimmer und mal in der Natur.
Unterstützung der Eltern
Dominik Wyss ist als Wettkampfrichter im Trial-Sport tätig. Er selbst fuhr auf dem Bike aus Freude zum Sport. «Vom Können her hat mich Aaron schon lange überholt», sagt er und lacht. Beide Eltern unterstützen ihren Sohn, wo es geht. Sei es bei den Wettkämpfen, beim Üben zu Hause oder mit dem Taxidienst für die wöchentlichen Trainings in Basel. «Solange Aaron am Sport Spass hat, helfen wir ihm und motivieren ihn sehr gerne», so der Vater.
Gleichzeitig machen sich Corinne und Dominik Wyss auch allgemein für den Trial-Bike-Sport in der Schweiz stark. Zusammen mit Debi Studer haben sie vor eineinhalb Jahren die «Trial Bike Academy Basel», Aarons heutigen Trainingsort, mitgegründet. Der Klub setzt sich aktiv dafür ein, die Sportart schweizweit bekannter zu machen. So waren die Trial-Biker vergangenes Jahr am Bikefestival in Basel und boten Interessierten die Möglichkeit, die Sportart selbst einmal auszuprobieren. Und die Massnahmen des Klubs scheinen zu wirken.
«Als Aaron mit den Trainings angefangen hat, waren es sieben Kinder. Mittlerweile sind es 40 Leute, die in der Akademie aktiv trainieren.» Neustes Projekt der «Trial Bike Academy» ist das Einrichten einer neuen Halle mit einem ganzen Parcours.
Mit Gleichgewichtssinn und Können über Steine, Baumstämme, Ölfässer und Paletten
mef. Im Trial-Bike-Sport müssen Hindernisse zonenweise und in einer vorgegebenen Zeit auf dem Fahrrad überwunden werden, ohne dass die Füsse den Boden beziehungsweise das Element berühren. Eine Zone, umgangssprachlich Sektion, kann aus verschiedenen Elementen wie Steinen, Baumstämmen, Pneus, Paletten, Ölfässern oder einem Steilhang bestehen. Die Route wird jeweils mit Pfeilen oder Törchen markiert.
Wenn der Athlet den Boden mit einem Fuss berührt, erhält er einen Strafpunkt, beim Abstehen mit beiden Füssen sind es gar 5 Strafpunkte. Bewertet werden die Piloten von einem Richter. Für ein zurückgelegtes Element werden maximal 10 Punkte vergeben. Ein Sektor besteht aus fünf oder sechs Hindernissen. Je nach Alterskategorie und Veranstalter müssen vier bis acht Sektionen durchfahren werden, und das in der Regel dreioder viermal.
Bei den Wettbewerben werden nationale (in der Schweiz der Swisscup) und internationale unterschieden. National geht es darum, sich mit einer möglichst hohen Gesamtpunktzahl fürs internationale Geschäft zu qualifizieren. Die Athleten werden im Sport in vielen Bereichen gefordert.
Um sich vor einem Hindernis auf den Sprung vorzubereiten oder anschliessend auf einem Element zu balancieren, benötigt es einen sehr guten Gleichgewichtssinn. Im Vergleich zum BMX springt der Fahrer viel weiter und höher. Der Trial-Bike-Sport erfordert viel Disziplin, gute Konzentration, körperliche Stärke und eine ausgeprägte Motorik.