Im Bauch des Mottos – auf ein Bier im «Stöpli»
03.03.2020 FasnachtSo spielt das Leben: An der Fasnacht vor einem Jahr staubten ein paar böse Nachtbuben das Gartenmobiliar vor dem Restaurant Schwyzerhüsli, vulgo «Stöpli», in der Sissecher Begegnungszone ab, worauf die «Volksstimme» ihren Fresspapst und Gastroexperten entsandte, damit dieser den Schaden ...
So spielt das Leben: An der Fasnacht vor einem Jahr staubten ein paar böse Nachtbuben das Gartenmobiliar vor dem Restaurant Schwyzerhüsli, vulgo «Stöpli», in der Sissecher Begegnungszone ab, worauf die «Volksstimme» ihren Fresspapst und Gastroexperten entsandte, damit dieser den Schaden bei einem Zweierli Veltliner begutachten konnte. Bei der investigativen Recherche kam heraus, dass das «Stöpli» mit seinen 30 Plätzen sensationelle 99 Jahre alt ist. Was für ein journalistischer Glückstreffer!
Der Weg auf die Sissecher Fasnachtsplakette ein Jahr darauf war dann nicht mehr weit. Das Motto der nun fast verhinderten lokalen Fasnacht mit dem heuer 100-jährigen «Stöpli» heisst «Beständigkeit». Was für eine grosse Ehre für ein kleines Restaurant, in dem die Zeit stillzustehen scheint! Wofür ein paar gestohlene Stühle doch nicht alles gut sein können …
Wir haben unseren Fotografen am Sonntagabend ins «Stöpli» geschickt, um festzuhalten, wie sehr es im Bauch des Sujets, im prächtig-fasnächtlich dekorierten Epizentrum, rumort und brummt. Die Stimmung war stark gehoben, das Gedränge immens – glücklich, wer einen Stuhl ergattern konnte. Fasnacht, als ob nichts passiert wäre.
Die Mehlsuppe ging temporär aus, das Bier, das Händedesinfektionsmittel und Hochprozentiges aus der grossen Spritze, das übermütige Fasnächtler sehr grosszügig verteilten, hingegen nicht. Drinnen und draussen fühlte es sich an, als gäbe es keinen Bundesrat, keinen Regierungsrat, keinen Krisenstab und kein Corona-, sondern nur das reine Fasnachtsvirus.
Es war so laut, dass man erwarten musste, dass Gesundheitsminister Berset gleich persönlich erscheint und seine neuerdings für die Fasnacht verordneten Ohrstöpsel verteilt. Und vor der Toilette sammelte sich stets eine grosse Menschenmenge. Sissach hatte kurzerhand darauf verzichtet, Toi-Tois aufzustellen. Das «Stöpli» leistete damit seinen Beitrag gegen die Wildpinklerei, die am Sonntag dennoch gross in Mode war. Zum Glück hat es dann geregnet …
Mit der verhinderten Fasnacht dürfte es dort im «Stöpli» nun wieder etwas ruhiger werden. Ein Besuch in der legendären Sissecher Beiz von Wirt Horst Reuter und Suppenkönigin Nives Vedenik bleibt dennoch zu empfehlen. Einen Platz dürfte man fast immer finden. Denn obwohl zumindest in Sissech weltberühmt, sind die grossen Touristenströme trotz bester Werbung durch die Fasnacht auch weiterhin nicht zu erwarten.
Auf der weltweit grössten Reiseplattform «Tripadvisor» ist die legendäre Beiz gar nicht erst verzeichnet. Fündig hingegen wird man auf der englischsprachigen Seite von wikitravel.org. Übersetzt heisst es dort:
«Schwyzerhüsli: Wenn Sie die lokale Bevölkerung der Generation 55+ kennenlernen möchten, sind Sie im Schwyzerhüsli oder ‹Stöpli›, wie es von den Einheimischen genannt wird, am richtigen Ort. Diese Bar kann sich auf treue Gäste verlassen, die sogar dorthin gehen, um Weihnachten zu feiern. Sie können drei Nächte hintereinander dorthin gehen und werden wahrscheinlich jede Nacht die gleichen Leute treffen. Erwarten Sie nicht, dort englischsprachige Kellner anzutreffen.»
Treffender hätte das selbst unser Fresspapst und Gastroexperte auch nach dem dritten Zweierli Veltliner nicht formulieren können. Lang lebe das «Stöpli»! Und mögen ihm die Präsenz auf «Tripadvisor» und sonstige global grassierende Phänomene noch lange Zeit erspart bleiben. Ohrstöpsel natürlich auch.
Landvogt