Geht es dem «Halbsächsilüte» an den Kragen?
12.03.2020 LauwilDorf stimmt an der Urne über traditionelles Morgengeläut ab
Einige Einwohner wollten lediglich, dass die Schulhausglocke für sie «erträglich» wird. Die Lauwiler Gemeindeversammlung beschloss hingegen Ende Jahr, das morgendliche Geläut gleich ganz ...
Dorf stimmt an der Urne über traditionelles Morgengeläut ab
Einige Einwohner wollten lediglich, dass die Schulhausglocke für sie «erträglich» wird. Die Lauwiler Gemeindeversammlung beschloss hingegen Ende Jahr, das morgendliche Geläut gleich ganz abzustellen. Gegen diesen Beschluss wurde das Referendum ergriffen.
Sebastian Schanzer
Die Schulhausglocke, die in Lauwil jeden Morgen pünktlich um 5.30 Uhr läutet, klingt nicht schön. Sie scheppert. Das gibt sogar Stefan Ziegler zu. Trotzdem setzt er sich dafür ein, dass dieses frühmorgendliche Geläut in Lauwil bestehen bleibt. Im November hatte nämlich eine Mehrheit der Gemeindeversammlung beschlossen, das «Halbsächsilüte» künftig abzustellen, und die Dauer des Läutens an den übrigen drei Tageszeiten von drei auf zwei Minuten zu verkürzen.
Innert vier Tagen hat Ziegler im Dezember als Präsident des Referendumskomitees 63 Unterschriften gegen diesen Beschluss gesammelt. Am 17. Mai wird an der Urne entschieden.
Morgenläuten erst unbestritten
Die Dauer des ersten Geläuts am Morgen wurde bereits vor Jahren von drei auf eine Minute verkürzt. Einigen Dorfbewohnern geht das Bimmeln – oder eben Scheppern – aber nach wie vor auf den Wecker. «Es ist ein unangenehmer, giftiger Ton. Als ob die Glocke einen Riss hätte», sagt eine Einwohnerin. Sie und vier weitere Personen hatten beim Gemeinderat den Antrag gestellt, eine Verbesserung des Glockenklangs zu prüfen. Dabei zielten die Antragsteller gar nicht auf ein Schweigen der Glocke am frühen Morgen ab – im Wissen, dass sie damit an geliebten Traditionen rütteln würden. «Unser Anliegen ist es, den Klang der Glocke erträglich zu machen.» Eine andere Einwohnerin fühlt sich von der Glocke in ihrer Nachtruhe gestört. Bei offenem Fenster würde sie alle 30 Minuten geweckt. Also bleibt das Fenster zu – auch in warmen Sommernächten. Eine Verbesserung könnte nach Meinung der Antragsteller mit Massnahmen an der Glocke oder dem Klöppel erzielt werden. «Man müsste mit dem Hersteller Kontakt aufnehmen. Vielleicht kann man ja auch eine Dämmung im Glockenturm installieren.»
Ganzes Dorf soll mitbestimmen
Dass es nun aber am 17. Mai zu einer Urnenabstimmung kommt, wohl begleitet von emotionalen Debatten in der Dorfbevölkerung, hat auch mit dem Verlauf der Gemeindeversammlung vom November zu tun: Der Gemeinderat sah bei Änderungen an der Glocke hohe Kosten auf sich zukommen und suchte mit einem Gegenantrag den Kompromiss, wie Gemeindepräsident Thomas Mosimann sagt. Die Exekutive schlug vor, das Läuten um 11 Uhr sowie am Nachmittag und am Abend zu verkürzen. Aus der Bevölkerung kamen weitere Vorschläge, bis am Ende drei Gegenanträge gegeneinander ausgemehrt wurden. Dabei einigten sich die Anwesenden an der Versammlung auf die eingangs erwähnte Variante: das «Halbsächsilüte» zu streichen und an den übrigen Zeiten die Glocke nur noch zwei statt drei Minuten scheppern zu lassen.
Das war zu viel für Stefan Ziegler und viele andere Dorfbewohner. «Das Morgengeläut markiert den Tagesbeginn. Viele Menschen orientieren sich daran – auch ich», sagt der Mann, der in Ziefen eine Schreinerei betreibt. Er habe beim Sammeln der Unterschriften viele positive Rückmeldungen erhalten und findet es deshalb wichtig, dass bei dieser Frage das ganze Dorf mitbestimmt – nicht nur jene, die an der Gemeindeversammlung im November teilgenommen haben. Beim Sammeln unterstützt hat ihn unter anderem Ulrich Bernhard. Der justiert jeden Sonntag, bevor er die Blumen giesst, seine über 250 Jahre alte Standuhr am Läuten der Schulhausglocke – ein Ritual. Auf das Läuten um 5.30 Uhr sei er deswegen zwar nicht angewiesen. «Aber an dieser absoluten Tradition darf nicht gerüttelt werden», sagt er.
Über den Ausgang der Abstimmung mag Gemeindepräsident Mosimann nicht spekulieren. Bemerkenswert sei aber, dass es sich in Lauwil nicht um einen Kampf zwischen Zuzügern und Alteingesessenen handle, wie es bei Streitereien um Kirchengeläut in anderen Dörfern oft der Fall sei. Beide Seiten seien in dieser Hinsicht bunt gemischt. Klar ist Mosimann aber eines: «Das Thema Glockengeläut ist in Lauwil auch nach einem erfolgreichen Referendum nicht vom Tisch.»