AUS DEM KARTENSCHATZKÄSTLI
17.03.2020 Basel«Der tollkühnste Draufgänger beim Fliegen …»
Theodor Borrers dramatischer Absturz
«Blutjung stürzte der mutige Flieger in seinem Flugapparat vom Himmel», steht es auf einer Karte geschrieben. Verschickt wurde diese am 22. ...
«Der tollkühnste Draufgänger beim Fliegen …»
Theodor Borrers dramatischer Absturz
«Blutjung stürzte der mutige Flieger in seinem Flugapparat vom Himmel», steht es auf einer Karte geschrieben. Verschickt wurde diese am 22. März 1914 von einem Besucher des «grossen Flugtages beider Basel auf der St.-Jakobs-Wiese». Weiter: «Er hatte keine Chance. Jetzt ist Theodor Borrer in den Fliegerhimmel eingekehrt, unter Hinterlassung von grossem Schmerz bei seiner Familie und anderen Flugpionieren, die nichtsdestotrotz weiter ihre Kreise am blauen Himmel ziehen werden.»
Der Aviatiker Theodor Borrer besuchte eine Flugschule bei Reims (Frankreich) und erhielt am 30. Juni 1913 als 39. Schweizer und erster Solothurner das internationale Flugbrevet. Im gleichen Jahr flog er zusammen mit seinem Fluglehrer Edmond Labarre in seinem «Hanriot-Ponnier»- Eindecker 600 Kilometer von Reims über Belfort, Pruntrut, St. Ursanne und Delémont nach Solothurn, die ersten 350 Kilometer am Stück und bei schlechtem Wetter. Als er am 13. August desselben Jahres mit einem Passagier von Solothurn nach Bern flog, lockte dies am Zielort sechstausend Zuschauer an; vierhundert Füsiliere waren mit der Aufgabe betraut, den Landeplatz von den zahlreichen Schaulustigen frei zu halten. Borrer wurde von den Bundesräten Ludwig Forrer und Arthur Hoffmann im Bundeshaus beglückwünscht.
1914, am 22. März, nahm Borrer nach über 300 erfolgreichen Flügen an einem internationalen Flugmeeting in Basel teil. An diesem Anlass trat auch der Franzose Jean Montmain (1888–1915) auf, dessen wagemutige Sturzflüge die Aufmerksamkeit des Publikums stärker zu fesseln vermochten als Borrers Passagierund Einzelflüge. Borrers schwerere Maschine war für Flugakrobatik nicht geeignet. Durch die mangelnde Beachtung des Publikums fühlte er sich aber angestachelt, es Montmain gleichzutun, und begann trotz Warnungen Montmains ebenfalls mit Sturzflügen. Beim zweiten Sturzflug Borrers setzte der Motor aus, die Flügel knickten zusammen und die Maschine stürzte aus 300 Metern Höhe ab. Borrer war sofort tot.
Die «Solothurner Zeitung»: «Plötzlich standen die Flügel des Apparates fast senkrecht in die Höhe und Mann und Maschine stürzten in die Tiefe. Der alte Vater Borrer fiel bei diesem entsetzlichen Anblick in eine Ohnmacht. Auch ein Bruder und eine Schwester Borrers waren Augenzeugen des Unglücks. Die Zuschauermenge war aufs Tiefste erschüttert. Ein älterer Mann erlitt einen Herzschlag und wurde tot vom Platze getragen.»
In der «Schweizer Luftfahrt» (1941/ 42) heisst es von Borrer: «Der junge Flieger, eine der grössten Hoffnungen des Landes, fiel als das erste Opfer der Sensationsgierigkeit der Massen.» Ein 1968 errichtetes Fliegerdenkmal in Solothurn erinnert an Borrer und weitere solothurnische Flugpioniere.
Eugen Schwarz, Oberdorf