Klimadisput wie zu Luthers Zeiten
11.02.2020 Bezirk Waldenburg, WaldenburgTischrede befasst sich mit dem Klimawandel
Disputieren wie am Tisch von Martin Luther, so lautet die Idee der Tischreden. Und wie zur Reformationszeit vor rund 500 Jahren beschäftigt den Menschen auch heute ein Thema stark: das Klima.
Elmar Gächter
«Ich habe ...
Tischrede befasst sich mit dem Klimawandel
Disputieren wie am Tisch von Martin Luther, so lautet die Idee der Tischreden. Und wie zur Reformationszeit vor rund 500 Jahren beschäftigt den Menschen auch heute ein Thema stark: das Klima.
Elmar Gächter
«Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, Zweifler davon zu überzeugen, dass der Klimawandel tatsächlich stattfindet und er wahrscheinlich von den Menschen verursacht ist.» Mit diesen Worten stellte Radolf von Salis gleich zu Beginn seines Referats im «Leue»- Saal klar, was seine rund 60 Zuhörenden von ihm erwarten durften: Fakten und Grundkenntnisse zu einem Thema, das wie fast kein anderes in aller Leute Munde ist … und das bereits die Menschen in der Reformationszeit stark beschäftigt hat (siehe Kasten).
Der Physiker und pensionierte Gymnasiallehrer aus Hölstein weist auf Bohrungen in Grönland hin, bei denen Wissenschafter der Universität Bern festgestellt haben, dass sich die Eiszeiten alle 100 000 Jahre wiederholen. Laut diesen Erkenntnissen müssten wir heute in einer solchen stehen, mit sinkenden Temperaturen. So ist es aber nicht, im Gegenteil. Seit 1900 ist die Durchschnittstemperatur der Erde laufend gestiegen. Von Salis zeigt dies eindrücklich am Bild eines Eishockeystocks: Waren die Temperaturen lange Zeit mehr oder weniger konstant, stiegen sie in den vergangenen Jahrzehnten steil an wie die Schaufel des Stocks. Eines der untrüglichen Zeichen zeige sich am Nordpol, wo ein grosser Teil des Eises bereits verschwunden sei. «Das Tragische ist, dass ausgerechnet hier grosse Erdöl- und Gasvorkommen liegen und alle Anrainerstaaten diese abbauen wollen. Mit der Förderung und Verbrennung dieser fossilen Stoffe steigt der Kohlendioxidgehalt in der Luft noch mehr an und damit auch die Temperatur.»
Nur nicht den Schwarzen Peter zuschieben
36 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, hervorgerufen vor allem durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Erdöl und Gas, sammelten sich allein im Jahr 2016 in der Atmosphäre an. Die Treibhausgase, neben Kohlendioxid beispielsweise auch Methan, absorbieren die Wärmeabstrahlung der Erde und heizen die Atmosphäre auf. «Kohlendioxid ist einerseits wichtig für das Leben auf der Erde, aber sehr wahrscheinlich auch verantwortlich für den Klimawandel. Wenn wir etwas machen wollen für die Zukunft, müssen wir den Ausstoss von Kohlendioxid reduzieren», so das klare Verdikt von Radolf von Salis.
Zurück blieben bei den Besuchern nach dem Vortrag vor allem Fragen. Was ist, wenn die Weltbevölkerung noch weiter zunimmt und für sich den gleichen Wohlstand einfordert, wie wir ihn hier im Westen kennen? Wollen wir wirklich eine Deindustrialisierung, wie sie Hardcore-Klimaaktivisten im Auge haben, und uns damit ins Mittelalter zurückkatapultieren? Wie weit können wir den hypothetischen Klimamodellen mit ihrer hohen Ungenauigkeit Glauben schenken? Genügt es, weniger Fleisch zu essen, unsere Häuser besser zu isolieren oder auf Flugreisen zu verzichten?
«Das Schlimmste wäre, den Schwarzen Peter anderen zuzuschieben. Ich bin überzeugt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger seinen oder ihren Beitrag leisten muss», so die mahnenden Worte des Referenten. Aus seiner persönlichen Sicht ist klar: Wenn die 8 Milliarden Erdenbewohner so leben wie wir hier, dann kommt die Klimakatastrophe rasant. Wichtig sei es deshalb, dass die Menschen in jenen Ländern, denen es wie der Schweiz gut gehe, ihre Ansprüche zurückschrauben. «Und vielleicht», so Torsten Amling, Pfarrer in Langenbruck und Waldenburg, «braucht es bei der ganzen Debatte auch ein bisschen Gelassenheit. Ich glaube nicht, dass die Welt untergeht.»
Die Klimakatastrophe von 1540
emg. Mitten in der Reformationszeit erlebte Europa die grösste Dürre der vergangenen 700 Jahre. Bäche waren ausgetrocknet, Elbe, Donau oder Seine konnte man vielerorts trockenen Fusses durchqueren. Auch der Rhein in Basel hatte einen rekordverdächtigen Niedrigwasserstand. Vielerorts wurde das Trinkwasser knapp, Vieh verdurstete, die Ernte verdorrte, die Armen verhungerten. Die Menschen in ganz Europa hatten den Eindruck, von einer biblischen Plage heimgesucht zu werden. Die Dürre brachte Tod und Elend. Soziale Spannungen waren die Folge.