Badespass mit Piranhas im Amazonas
04.02.2020 LauwilRamona Knaus hat als Austauschschülerin ein Jahr in Kolumbien verbracht
Kolumbien gilt aufgrund politischer Unruhen und seiner Rolle im internationalen Drogenhandel als gefährlich. Die Lauwilerin Ramona Knaus hat das südamerikanische Land von einer ganz anderen Seite ...
Ramona Knaus hat als Austauschschülerin ein Jahr in Kolumbien verbracht
Kolumbien gilt aufgrund politischer Unruhen und seiner Rolle im internationalen Drogenhandel als gefährlich. Die Lauwilerin Ramona Knaus hat das südamerikanische Land von einer ganz anderen Seite kennengelernt.
Ramona Knaus
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit vor ungefähr anderthalb Jahren, als ich begann, die Tage zu zählen, bis endlich mein grösstes Abenteuer starten sollte. Es war mein Traum, in den Süden zu gehen, eine neue Sprache zu lernen und in eine komplett andere Kultur einzutauchen. In den Süden ging es dann auch, am Ende anders als erwartet, doch schlussendlich bin ich am Äquator, in Kolumbien, gelandet.
Aus meinem Freundeskreis und von meinen Verwandten bekam ich besorgte und schockierte Blicke zu sehen, als ich sie informierte, dass ich nach Kolumbien gehen würde. Kolumbien sei ein gefährliches und armes Land, hiess es. Ob ich mir sicher sei und ob meine Eltern ihre jüngste Tochter wirklich in ein solches Land gehen lassen möchten, fragten sie. Die Vorurteile stimmen nur zum Teil. Im Verlauf meines Jahres habe ich Kolumbien von einer anderen Seite kennengelernt, einer Seite ohne Gewalt und Drogen.
Im August 2018 begann das Abenteuer.Trotz meiner unglaublichen Vorfreude fühlte es sich nie wirklich realistisch an, dass ich für ein Jahr fort gehen würde. Zwei Tage vor dem Abflug erhielt ich mein Visum, ein Glück! Mit vollgepackten Koffern ging es an den Flughafen, um für eine ziemlich lange Zeit Abschied zu nehmen.
Nach einem etwas turbulenten Flug landete ich in Cali, der Salsa-Stadt Kolumbiens und meinem neuen Zuhause.Von dem 360 Einwohner zählenden Dorf Lauwil zog ich in die 2-Millionen-Metropole. Mit offenen Armen und grossen, farbigen Plakaten empfingen mich liebevoll und nett aussehende Menschen, meine neue Familie. Trotz der späten Abendstunde ging das Leben auf den Strassen erst los. Kaum angekommen, fuhren wir weiter in ein Restaurant. Mein erster südamerikanischer Drink war Jugo de Lulo, meine erste exotische Frucht verarbeitet in einem Saft. Super lecker, kann ich nur sagen.
In Uniform zur Schule
Die Zeit vor dem Schulanfang wurde intensiv genutzt. Mit meiner Familie unternahm ich eine Stadtführung und im Introcamp lernte ich die anderen Austauschschüler von Rotary kennen. Ich war überwältigt von den vielen Eindrücken und vor allem von der neuen Vegetation und Kultur. 30 Grad Celsius jeden Tag, Sonne von morgens bis abends, die Menschen voller Lebensfreude und die Strassen gefüllt mit impulsiver Musik und Bewegungen, die ich nie zuvor erlebt hatte. Ein unglaublich tolles Gefühl, nun ein Teil davon zu sein.
Meine erste Gastfamilie wohnte sehr nahe an meiner neuen Schule, Liceo Benalcazar. Früh am Morgen, um 6 Uhr, wurde ich vom Schulbus des Liceos abgeholt und am Nachmittag wieder zurückgebracht. Die Schulstunden empfand ich als sehr langweilig. Es war neu, eine Schuluniform zu tragen und nur mit Mädchen zusammen zu sein, da es eine Mädchenschule war. Leider konnte ich vom Schulstoff nicht viel Neues lernen. Schön waren die Schulanlässe wie «Frauentag», «Sporttag» oder «der Tag der Liebe». Ich nutzte die Zeit, um neue Freundschaften zu schliessen.
Bei der Organisation Rotary ist es üblich, dass man während des Austauschjahres seine Gastfamilie wechselt. So erhielt ich einen Einblick in drei verschiedene Familien. Das Verhältnis zwischen den Gastfamilien und mir war immer sehr gut. Ich wurde stets herzlich in die Familien aufgenommen.
Die Kommunikation war immer ehrlich, authentisch und offen. Die Familien haben mich in das kolumbianische Leben eingeführt und mich wie ihre eigene Tochter behandelt. Mit einer meiner Gastmütter ging ich regelmässig in einen Tanzkurs, in dem ich Salsa, Bachata oder Merengue lernte. In meiner Freizeit ging ich oft im Pool der Wohnanlage schwimmen sowie in den Fitnessraum.
Im Dezember leuchtet Cali in allen bunten Farben. Überall wurden grosse Lichterketten und Figuren montiert. Weihnachten und Neujahr wurde jeweils mit Tanzen durchgefeiert. Heimweh war für mich ein Fremdwort.
Besuch bei den Wayuu
Die Osterferien verbrachte ich in der kleinen Stadt Popayan, südlich von Cali, mit meiner dritten Gastfamilie. Zum ersten Mal erlebte ich eine katholische Osterprozession. Der Zusammenhalt der Glaubensgemeinschaft imponierte mir sehr.
Ich habe viele tolle Ausflüge unternommen, die meisten mit Rotary. Auf der Insel San Andres in der Karibik nahm ich am nationalen Rotarytreffen teil, an welchem ich dem internationalen Rotary-Präsidenten Barry Rassin die Hand schütteln durfte. Den schönsten Sternenhimmel bewunderte ich in der Guajira, dem nördlichsten Abschnitt Kolumbiens. Die «Wayuu», die indigene Bevölkerung dieser sehr trockenen Gegend, führten uns in ihre Kultur ein. Sie erzählten uns von ihrer Lebensweise und lehrten uns einen Tanz. Im Tayrona Nationalpark an der Karibikküste fühlte ich mich wie auf einer Pirateninsel. Leider besuchten uns auf dem Weg nach Cartagena unangenehme Darmviren. Cartagena ist ein bekanntes touristisches Ziel. Die Stadt hat viele bunte und historische Gebäude.
In den Anden besichtigte ich Dörfer, die auf rund 2000 Metern über Meer liegen. Da benötigte ich schon ab und zu einen wärmeren Pullover. Im Amazonas erkundete ich den Regenwald, meistens zu Fuss, auf kleinen Wanderungen. Auf einer Bootsreise sah ich rosarote Amazonasdelfine aus dem Wasser herausspringen. Zudem entdeckte ich ein Faultier, das in den Bäumen hing. Einen Abend verbrachten wir an einem Lagerfeuer mit Ureinwohnern des Amazonas. Das Highlight war allerdings der Badespass im Amazonas mit den Piranhas zusammen.
Von Hilfsbereitschaft beeindruckt
Der Abschied von meinen Familien, meinen Freunden und Kolumbien fiel mir sehr schwer. Ich bin reicher geworden; reich an Eindrücken, Lebensweisheiten, kultureller Diversität, Freundschaften, Selbstsicherheit, Liebe und Tanzstilen. Es ist mir bewusst geworden, dass ich wertschätzen muss, was ich habe. Auf meiner Reise sah und erlebte ich so viel Armut, dass ich realisierte, wie gut wir es hier in der Schweiz haben. Von Kolumbien mitgenommen habe ich vor allem den herzlichen und hilfsbereiten Umgang, den die Leute untereinander pflegen.
Ich bin seit einem halben Jahr wieder zurück in der Schweiz. Anfangs empfand ich den zwischenmenschlichen Umgang der Schweizer als zurückhaltend und kühl. Ich musste wieder Verpflichtungen übernehmen und den Leistungsanforderungen der Schule gerecht werden. Obwohl mein Herz weiterhin für Südamerika schlägt, fühle ich mich wieder wohl in meiner Schweiz.
Ich bin unendlich dankbar für dieses Austauschjahr und kann das Abenteuer jedem weiterempfehlen.
Ramona Knaus ist 18 Jahre alt, sie wohnt in Lauwil und besucht in Liestal das Gymnasium mit Schwerpunkt Spanisch und Französisch. In ihrer Freizeit erteilt sie Flüchtlingen Deutschunterricht.
Bezahlen, betreuen und planen
jg. Die Rotary-Vereine der ganzen Welt unterhalten ein internationales Jugendaustausch-Programm, mit dem sie zur Völkerverständigung beitragen wollen und das auch Jugendlichen ohne Verbindung zu Rotary offensteht.
Der lokale Verein ist bei einem ausländischen Schüler, der ins Baselbiet kommt, zuständig für die Integration in Gastfamilien, Schulen und in den Rotary Club, für Sprachkurse und weitere Unkosten. Der Gastschüler, der bei Gastfamilien wohnt, erhält jeden Monat ein Taschengeld von 150 Franken und hat einen «Götti» zur Seite. www.rotaryswissyep.ch