Das Ziel des Start-ups «Parashift» ist klar: Menschen sollen im Berufsalltag weniger mühsame Arbeiten verrichten müssen.
Dazu wurde eine Künstliche Intelligenz erschaffen.
Remo Schraner
Direkt an der Sissacher Hauptstrasse befinden sich ...
Das Ziel des Start-ups «Parashift» ist klar: Menschen sollen im Berufsalltag weniger mühsame Arbeiten verrichten müssen.
Dazu wurde eine Künstliche Intelligenz erschaffen.
Remo Schraner
Direkt an der Sissacher Hauptstrasse befinden sich die Räumlichkeiten, von wo aus eine Künstliche Intelligenz (KI) die Welt erobern soll. Es geht um die Extraktion von Dokumenten. Also darum, dass Firmen ihren Postverkehr von Beginn an automatisieren können. Die physischen Dokumente werden fotografiert, damit die KI alle relevanten Daten erkennt und diese dann gleich am richtigen Ort abspeichert. Unter anderem könne so die Buchhaltung automatisch nachgeführt werden. Das Abtippen von Zahlen und anderen Informationen ist nicht mehr nötig.
Dies seien sowieso «stupide» Arbeiten, sagt Alain Veuve. Er ist der Gründer dieses Sissacher Start-ups Parashift, das die KI entwickelt. «Wenn neue Technologien auf den Markt kommen, haben die Leute Angst, dass Arbeitsplätze wegfallen. Tatsächlich fallen diese Arbeiten weg. Aber wer ist schon böse, wenn man ihm solche Tipparbeiten wegnimmt?» Veuve pflegt eine direkte Sprache und vertritt seine Meinung klar. Parashift habe das Potenzial, eine globale Marke zu werden. «Natürlich ist die Chance klein, aber immer noch gross genug, um es zu versuchen.» Auf dem Weg dorthin will Veuve seinen Prinzipien treu bleiben. So wird ein Unternehmen, das mit Waffen oder Schadstoffen wirtschaftet, nie ein Kunde von Parashift werden. «Selbst wenn die Ruag anklopfen würde – ich würde ihr sagen, dass ich es daneben finde, was sie macht.» Eine weitere Regel von Alain Veuve: «Ich arbeite nicht mit Idioten – ich habe keine Lust, mich mit Menschen rumzuschlagen, die langsam oder sonst irgendwie mühsam sind.» Seine Strategie scheint aufzugehen. Seit knapp acht Monaten ist das Start-up kommerziell unterwegs und erreichte einen Umsatz von 790 000 Franken, ohne in Werbung zu investieren.
Künstliche Intelligenz aus Sissach
Parashift arbeitet mit einer KI, die sich ihr Wissen durch maschinelles Lernen – im Fachjargon wird das «Machine Learning» – genannt, aneignet. Sogenannte «Machine Learning»-Ingenieure sagen der KI Schritt für Schritt, was sie tun muss, indem sie deren Ergebnisse korrigieren. So wird die KI mit jedem Dokument, das sie verarbeitet, schlauer, macht weniger Fehler und der Mensch muss weniger eingreifen. Das wird wiederholt, bis alles vollautomatisiert funktioniert. Dies bedeutet wiederum, dass der Service von Parashift umso günstiger wird, je schlauer die KI ist, da sie weniger Kontrollschranken benötigt.
Damit die KI schnell dazulernt, werden alle Daten in einer Cloud, also einem Speicherplatz im Internet, verarbeitet. So kann die KI Dinge, die sie bei der Dokumenten-Extraktion bei der Firma X lernt, sofort auch bei der Firma Y anwenden. Laut Veuve liege hier auch gleich der Vorteil gegenüber der Konkurrenz: Parashift soll künftig mehr Leistung zu tieferen Tarifen anbieten können. Doch die Firma steht noch ganz am Anfang. Von den geplanten hundert Dokumententypen kann die KI erst einen erfassen: Rechnungen. Die Erkennung von Briefen oder Verträgen sollte folgen.
Ein Start-up aus einem Start-up
Dass es Parashift heute gibt, war nicht geplant. Ein anderes Start-up von Veuve, ein digitales Treuhand-Unternehmen, sollte 2017 eine verbesserte Software erhalten. Veuve und sein Team vertieften sich immer mehr in das Thema «Machine Learning», bis sie sich dazu entschieden, sich von der Mutterfirma zu lösen. So entstand 2018 Parashift. Der Firmenname ist die Kurzform für den englischen Begriff für Paradigmenwechsel. Denn genau das strebt Alain Veuve im Bereich der Dokumentenverarbeitung an. «Wir wollen eine Standardverarbeitung schaffen, die branchenübergreifend für alle Unternehmen funktioniert», sagt er. Für die Firma arbeiten insgesamt 25 Leute, zwei davon arbeiten von Deutschland, sieben von Polen aus.
Zur Person
rs. Alain Veuve ist 43 Jahre alt und in Gelterkinden aufgewachsen. Nach der Handelsmittelschule machte er sich mit 20 Jahren mit einem Computergeschäft in Sissach selbstständig. Sechs Jahre später wechselte er in den Softwarebereich und studierte nebenbei Wirtschaft. Bis heute ist Veuve an insgesamt 15 Software-Firmen massgeblich beteiligt, sechs davon gründete er selbst. Seine Stärke sieht er im Gründen von Firmen und Entwickeln von Strategien, aber er sei ein schlechter Manager, sagt er. Darum werde er sich bei Parashift bald aus dem operativen Alltag zurückziehen – wie bei seinen anderen Firmen auch. So bliebe ihm mehr Zeit, um neue Projekte anzureissen.