«Bei Gold mache ich weiter»
13.02.2020 SportMorgen beginnen im russischen Krasnojarsk die Juniorenweltmeisterschaften im Curling. Mit dabei ist mit Yves Stocker – ein Oberbaselbieter, der seine Zukunft auch vom WM-Resultat abhängig macht.
Sebastian Wirz
Um seinen Hals hängt bereits eine ...
Morgen beginnen im russischen Krasnojarsk die Juniorenweltmeisterschaften im Curling. Mit dabei ist mit Yves Stocker – ein Oberbaselbieter, der seine Zukunft auch vom WM-Resultat abhängig macht.
Sebastian Wirz
Um seinen Hals hängt bereits eine WM-Silbermedaille.Yves Stocker hat aber an einer Curling-Weltmeisterschaft erst ein Spiel absolviert. Der Sissacher war vor einem Jahr als Ersatz im Team von Skip Marco Hösli mit dabei, als die Glarner nach dem Gewinn der Junioren-Schweizermeisterschaft an der WM in Kanada Zweite wurden. Dieses Jahr sind die Rollen vertauscht: Stockers «Team Wagenseil» vom Curlingclub Bern hat den Meistertitel errungen und steigt morgen im russischen Krasnojarsk ins Weltmeisterschaftsturnier der Junioren ein. Als Ersatzmann dabei: Silbermedaillen-Skip Marco Hösli.
«Wir haben auf die Goldmedaille hingearbeitet», sagt Stocker, «und wollen nichts anderes.» Doch die Vorbereitung gestaltete sich schwierig: Es mangelte dem Team an wettkämpfmässigen Tests. Die Schweizer Meister können altersbedingt nicht mehr bei den Junioren antreten, an der aktuell laufenden Schweizermeisterschaft der Elite spielen sie aber ebenfalls nicht, da sie bereits nach Russland gereist sind.
Zwischen Junioren und Elite
«Wir haben in der Schweiz drei Turniere gegen internationale Elite-Teams gespielt – da haben wir noch keine Chance», sagt Stocker. Es bleiben lehrreiche Lektionen und eindrückliche Erlebnisse gegen Spieler, die der Baselbieter Sportförderpreisträger davor nur aus dem Fernsehen kannte. Sportlicher Erfolg war bei der Elite nicht zu haben. Stocker und seine Kollegen Marcel Gertsch, Felix Eberhard und Namensgeber Yves Wagenseil gingen stattdessen All-in und reisten für die WM-Vorbereitung ausser Landes: Mit den Flügen, Hotelübernachtungen, Turniergebühren und weiteren Ausgaben beträgt das Budget rund 40 000 Franken für die Saison. Im Herbst spielten sie Juniorenturniere in Kanada. In Ontario setzte es vier Niederlagen ab, in Ottawa holten sich Stocker und Co. ungeschlagen mit sieben Siegen den Turniersieg. Trotz der eindeutigen Ergebnisse liessen sich aus den Auftritten bessere Schlüsse für die weitere Vorbereitung ziehen als aus den Duellen gegen Elite-Teams.
Zurück in der Schweiz setzte sich für Stocker der Alltag fort: Zwei Wochentrainings als Team, drei Einzeleinheiten, die er in Bern absolviert. «Oft trainiere ich über Mittag alleine. Ich versuche beispielsweise 64-mal denselben Stein zu spielen», sagt der 20-Jährige. Langweilig werde ihm dabei nicht: «Ich bin ein Einzelkind. Vielleicht kann ich auch deshalb gut alleine trainieren und mich fordern.»
Auch die Besten sind Halbprofis
Seit Jahren ist Curling der wichtigste Lebensinhalt von Stocker. Vor dem neunten Schuljahr wechselte er von Sissach in eine Sportklasse nach Bern, um optimal trainieren zu können. Danach schloss er in der Hauptstadt eine Sportlerlehre ab. Er arbeitete heute noch bei seinem Lehrlingsbetrieb, den SBB.
Ob der Sport im Zentrum bleibt, hängt auch von den Resultaten der kommenden Woche ab: «Wenn wir Gold holen, mache ich weiter, bei einer Medaille schauen wir weiter, ansonsten werde ich das Ganze überdenken.» Komme kein Angebot eines ambitionierten Teams, könnte Stocker seine Leistungssportkarriere beenden. Der Grund ist einfach: «Gegen das drittbeste Team der Schweiz können wir mithalten, aber die beiden besten sind unerreichbar. Solange die spielen, sind die WM-Tickets bei der Elite auf Jahre hinaus besetzt.»
Und ohne WM lohne sich der Aufwand nicht. Auch mit WM-Medaillen, Sponsoren und Unterstützung durch den Verband blieben Spitzencurler Halbprofis und arbeiteten rund 60 Prozent. «Wenn ich nicht zu den Allerbesten gehöre, werde ich das nicht auf mich nehmen.» Dem Curling würde Stocker dann fern der Arenen erhalten bleiben. «Ich spiele gerne auf offenen Eisbahnen, mit allen Einflüssen von Wind und Wetter. Das ist noch richtiges Curling.»