Nagahama | Martin Baader hat als Austauschschüler ein Jahr in Japan verbracht

Was isst man während eines Aufenthalts in Japan? Richtig, viel Reis und Fisch. Dass das fernöstliche Land aber noch unzählige andere kulinarische Genüsse zu bieten hat, konnte Martin Baader in seinem Austauschjahr erfahren.

Martin Baader

«Weit weg, am besten in den Fernen Osten.» Das war meine Antwort auf die Frage, wo ich denn meinen Kulturaustausch machen wolle. Ich realisierte vermutlich erst, als ich mich im Flugzeug nach Japan befand, was Kulturaustausch wirklich bedeutet beziehungsweise worauf ich mich eingelassen habe. Meine Entscheidung ermöglichte mir, in eine komplett neue Kultur einzutauchen.

In Nagahama in der Nähe von Kyoto, der alten Kaiserstadt, verbrachte ich meinen Kulturaustausch. Nagahama ist eine für japanische Verhältnisse kleine ländliche Stadt mit einer geschichtsträchtigen Vergangenheit. Die Stadt ist umgeben von einem See, einem grossen Berg und vielen Reisfeldern. Dies ist vor allem im Sommer, wenn der Reis wächst und alles grünt, ein wahrer Traum.

Das «Matsuri» in Nagahama
Jeden Frühling gibt es in Nagahama ein besonderes Festival, das Nagahama «Matsuri». Dieses hat Wurzeln, die 400 Jahre zurückgehen. Es entstand, um die Geburt des neugeborenen Fürstensohns zu feiern. Heute dient es dazu, Dankbarkeit auszudrücken. Tagsüber ist das Kinder-«Kabuki» die Hauptattraktion. Dabei verkleiden sich kleine Jungs und spielen auf einem Umzugswagen ein traditionelles Volkstheater. In der Nacht jedoch findet das «Hadakamairi» statt. Männer jeden Alters müssen in weissen Schürzen durch die ganze Stadt rennen und in einem kalten Brunnen ein Bad nehmen. Dabei rufen sie das Wort «Yoisa».

Mein Austausch in Japan wurde durch Rotary unterstützt und geplant. Rotary ist ein weltweites Netzwerk von Klubs, die unter anderem für wohltätige Zwecke Arbeit leisten und den Austausch zwischen Jugendlichen auf der ganzen Welt ermöglichen (siehe Kasten). So kam es, dass in meiner Umgebung in Japan noch neun weitere Austauschschülerinnen und -schüler aus aller Welt lebten. Daraus entwickelte sich die inoffizielle Regel, uns in der Landessprache zu unterhalten. Durch die von Rotary organisierten gemeinsamen Reisen, die uns beispielsweise in die Hauptstadt Tokyo – wir konnten also die Megametropole hautnah erleben – oder in die Berge führten, lernten wir uns besser kennen und es entstanden Freundschaften.

Besonders lustig war das Ski-Weekend, da die Hälfte von uns bis dahin noch nie Schnee gesehen hatte. Es war für diese mehr ein «Skifallen» als ein Skifahren. Unabhängig von Rotary trafen wir uns auch privat immer wieder, zum Beispiel in Kyoto. Eine meiner schönsten Erinnerung an Kyoto entstand während des «Hanami». Ich traf mich mit den anderen Austauschschülern in der alten Shopping-Region «Ginza». Wir setzten uns ans Ufer eines Flusses, assen «Kakigori» und «Dango» und liessen die wunderbare Stimmung auf uns wirken.

Wir genossen das «Hanami», was etwa mit «Blüten schauen» übersetzt werden könnte. Während dieser Zeit sind die Strassen und Parks voller als sonst. Familien und Freunde treffen sich unter den Alleen aus Kirschbäumen, die mit ihren pinken oder weissen Blüten die Stadt beinahe wie eine Märchenwelt erscheinen lassen. Die Einwohner setzen sich in den Parks unter die Bäume mit Taschen voller Essen.

Essen ist ein gutes Stichwort. Wenn ich über Japan schreibe, geht das nicht, ohne ans Essen zu denken. Es gibt unzählig viele verschiedene Gerichte. Das Klischee von Fisch und Reis trifft denn auch zu: Fisch isst man wirklich sehr gerne in Japan und man kennt dafür mehr Zubereitungsarten, als es Namen für Pasta gibt.

Fisch und Fleisch, aber nicht nur
Auch Reis steht auf dem Speiseplan. Er ist die meistgegessene Beilage. Die Japaner mögen aber auch sehr gerne Rind- und Schweinefleisch, oft geschnitten in hauchdünne Tranchen. Alle Speisen werden auch mit Gemüse serviert, denn davon essen sie wirklich nicht wenig. Nach der ersten Portion «Tempura» (frittiertes Gemüse) verstand ich auch, wieso. Wenn Sie irgendwann einmal nach Japan reisen, dann sollten Sie auch «Shabu Shabu» essen.

Sehr bald nach meiner Ankunft in Japan fing auch schon mein erster Schultag an. Es war Hochsommer, fast 40 Grad heiss, und es herrschte eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit. Ich sollte mich am ersten Schultag vor allen Schülern auf Japanisch vorstellen. Abgesehen davon, dass es sowieso schon brütend heiss und schwül war, führte diese Herausforderung dazu, dass mir der Schweiss wie ein Bach über die Stirn lief. Dennoch funktionierte alles sehr gut, und mein erster Tag war ein voller Erfolg. Japan kennt den Frontalunterricht: Die Lehrperson erklärt etwas, und die Schüler schreiben es auf, zumindest die eine Hälfte, denn die andere schläft. An meiner Schule gab es keine Mensa. Deshalb mussten alle ein «Bento», eine Art Lunchbox, von zu Hause mitnehmen, da man in der Pause das Schulgelände nicht verlassen darf.

Plötzlich fliessen die Sätze
Nach dem Unterricht putzen die Schüler die Toilette und das Klassenzimmer und werden dann entlassen. Aber es ist noch zu früh, um nach Hause zu gehen. Die meisten Schulen haben Schulklubs, denen die Schüler beitreten können. Das Angebot reicht von Schach über Teezeremonie oder Kalligrafie bis hin zum Sportklub, in welchem zum Beispiel Schwimmen, Bogenschiessen oder Tennis betrieben werden kann. Die verschiedenen Schulen treten gegeneinander an und es gibt immer wieder Wettkämpfe. Ich ging zum Zeitungsklub, wobei dieser Begriff nicht wirklich zutreffend ist. Wir waren nicht der seriöseste Klub, vergnügten uns oftmals mit Spielen oder assen «Senbei», die unsere Lehrerin kaufte. Wir besuchten allerlei kulturelle Anlässe, um neues Material für die Zeitung zu beschaffen.

Keine meiner Gastfamilien beherrschte Englisch. Ich habe mich deshalb sehr bemüht, möglichst schnell Japanisch zu lernen, um an den Konversationen teilhaben zu können. In der ersten Hälfte meines Aufenthalts war ich damit beschäftigt, das Gehörte zu entziffern und zu verstehen. Anfänglich kamen mir die Wörter nur harzig über die Lippen. Nach einem halben Jahr wurde Japanisch aber zur Normalität. Die Sätze flossen ohne grosses Nachdenken aus dem Mund und ich fing an, wirklich gerne und viel zu sprechen.

Während eines Austauschs wechselt man mehrmals die Gastfamilie, um möglichst viele verschiedene Einblicke zu erhalten. Die erste Familie erklärte mir mit einfachen Worten die Kultur und den Alltag. Ich begann Fuss zu fassen. Jede weitere Familie wurde immer mehr zu einem Zuhause für mich. Ich hatte fünf super Familien, die mich alle integriert haben und bei Fragen für mich da waren. Durch die starke Rollenverteilung in der traditionellen Familie, in welcher die Mutter für den Haushalt verantwortlich ist, habe ich besonders zu den Gastmüttern eine gute Beziehung aufgebaut, die bis heute anhält. Ich wollte kochen lernen und half daher viel in der Küche. Das gab Gelegenheit für Gespräche. Ich freue mich bereits jetzt auf mein nächstes Nagahama «Matsuri».

Martin Baader ist 19 Jahre alt, wohnt in Gelterkinden und besucht das Gymnasium in Liestal.

Bezahlen, betreuen und planen

jg. Die Rotary-Vereine der ganzen Welt unterhalten ein internationales Jugendaustausch-Programm, mit dem sie zur Völkerverständigung beitragen wollen und das auch Jugendlichen ohne Verbindung zu Rotary offensteht. Der lokale Verein ist bei einem ausländischen Schüler, der ins Baselbiet kommt, zuständig für die Integration in Gastfamilien, Schulen und in den Rotary Club, für Sprachkurse und weitere Unkosten. Der Gastschüler, der bei Gastfamilien wohnt, erhält jeden Monat ein Taschengeld von 150 Franken und hat einen «Götti» zur Seite. Mehr unter www.rotaryswissyep.ch

Unzählige Eindrücke und Gerichte

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