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09.01.2020 RatgeberKünstliche Intelligenz in der Medizin
Zunehmend werden wir konfrontiert mit Analysen, Therapievorschlägen, Anwendungen, die sich auf die sogenannte künstliche Intelligenz berufen. Diese Erzeugnisse fussen auf einer enormen Menge von Daten und Erfahrungen, die ...
Künstliche Intelligenz in der Medizin
Zunehmend werden wir konfrontiert mit Analysen, Therapievorschlägen, Anwendungen, die sich auf die sogenannte künstliche Intelligenz berufen. Diese Erzeugnisse fussen auf einer enormen Menge von Daten und Erfahrungen, die uns helfen sollen, unsere Entscheidungen einfacher zu treffen. Es ist wirklich eindrücklich, wie Computer Daten sammeln, vergleichen und auswerten können. Sie sind in manchen Fällen zu tatsächlichen Helfern geworden.
Was mich bewegt, hier darüber zu schreiben, ist ein Ausdruck, der mir kürzlich begegnet ist: künstliche Dummheit. Wieso lässt mich dies als Arzt aufhorchen? Das Dilemma ist folgendes: Algorithmen sind digitale Ja-/Nein-Entscheide, die Biologie orientiert sich jedoch vergleichend nach Analogien (wie hat das schon einmal funktioniert?). Der Organismus hat primär die eingebaute Absicht, sich selbst zu erhalten. Er reguliert Mängel oder Überschüsse auf erstaunliche Weise selbst. Jede Heilung einer Störung ist der Beweis dafür. Ohne Unterstützung durch den Organismus wären etliche Therapien erfolglos.
Viele dieser Abläufe haben sich über Jahrmillionen eingespielt. Wir wissen von ihnen nur, dass sie selbstverständlich geschehen, aber nicht genau, wie und wieso. Die Wissenschaft ist erst seit einem äusserst kurzen Teil der Geschichte des Lebens auf der Erde mit dabei, auch ohne sie hat vieles schon funktioniert.
Wir können auch berechnen, wie viel ein Computer leisten müsste, um das menschliche Gehirn zu simulieren. Er bräuchte etwa die Energie von Atomkraftwerken, um alle Funktionen zu erfüllen. Es deckt sich mit meiner Erfahrung: Wer kann einen Computeralgorithmus so programmieren, dass er Fälle so löst, wie ich es nicht selten erlebt habe: Die Intuition hat mir die Lösung gebracht. Also etwas, das mit Wissen, Erfahrung und Emotion zusammenhängt und nicht bewusst reproduziert werden kann. Vielleicht hat eine veränderte Miene, ein anderer Geruch oder eine Verlangsamung im Verhalten mein Gehirn auf die Suche nach einer Erklärung geschickt. Kann man einen solchen Algorithmus mit scheinbaren Belanglosigkeiten füttern, der daraus etwas Sinnvolles macht?
Ist die Problemstellung einfach, so liefern Algorithmen ausgezeichnete und hilfreiche Resultate. So zum Beispiel bei der Analyse von bildgebenden Verfahren oder bei der Frage: Ist das veränderte Blutbild die Folge eines akuten Infekts oder der Beginn einer akuten Leukämie? Bei komplexen Fragestellungen wie bei medizinischen Diagnosen ist die Gefahr hingegen gross, dass intelligente Dummheiten herauskommen, denen wir glauben, weil sie neutral daherkommen. Computer akzeptieren «Fake News» problemlos, sie tolerieren auch intelligente Dummheiten. Wir müssen lernen, mit diesem neuen Instrument intelligent umzugehen.
Dr. Max Handschin, Hausarzt bis Ende 2018, zuerst Gelterkinden, später Zunzgen