CARTE BLANCHE
10.01.2020 PolitikZwischen den Jahren, zwischen den Wahlen
Matthias Huber, Gemeindepräsident Rickenbach, parteilos
Silvesterspaziergang am Staufen. Ohne Schnee. Der Reif und die kalten Temperaturen verzaubern die ganze Landschaft dennoch winterlich. Hinter uns ...
Zwischen den Jahren, zwischen den Wahlen
Matthias Huber, Gemeindepräsident Rickenbach, parteilos
Silvesterspaziergang am Staufen. Ohne Schnee. Der Reif und die kalten Temperaturen verzaubern die ganze Landschaft dennoch winterlich. Hinter uns ein ganzes Jahr, mit Wahlen, Politik, Klimajugend und Ewiggestrigen.
Jedes Jahr, pünktlich am letzten Tag, kreuzt Mathilde meine Gedanken. Sie war meine Ururgrossmutter und lebte im Kanton Aargau. 1851 kam sie zur Welt und begann 1880 ihr «Sylvesterbuch». Zu jedem Jahreswechsel setzte sie sich zwischen Nachtessen, Rosenkranzbeten und Neujahrsgeläut an den Schreibtisch und schaute auf ihr Jahr zurück. Sie schrieb freimütig direkt und unverschnörkelt. Manchmal nur einen kurzen Abschnitt, manchmal ausführlicher – vor allem familiäre Ereignisse. Silvester 1891 schrieb sie: «Jedem auf des Lebens Pfad einen Freund zur Seite, ein zufriedenes Gemüthe und zu stiller Herzensgüte Hoffnung ins Geleite.» Für unsere Zeit eine sehr antiquierte Ausdrucksweise, inhaltlich gefällts mir. Sie beschrieb geschäftliche Sorgen und Erfolge, teilweise kommentierte sie die grosse Politik.
So gingen die Jahre der Mathilde und ihrer Familie ins Land. Der Hotelbetrieb, den sie in Baden führten, florierte. Bis 1914. Sie beschreibt an diesem Silvester den Mord Ende Juni 1914 am österreichi schen Thronfolger und was daraufhin in und mit Europa geschah. «Es ist kaum zu schildern, wie das gewohnte Leben durch diese Vorgänge auf den Kopf gestellt wurde. [...] Grauenhafte Tragödie.» Das Hotel leerte sich. Sie mussten geraume Zeit schliessen. Lebensmittel und Geld wurden knapp. Panikkäufe leerten die Läden.
Mit Schweizer Badegästen und mit finanzieller Hilfe eines Verwandten konnten sie sich während der Kriegsjahre über Wasser halten. Mathilde schrieb 1919 zum letzten Mal in ihr Buch.
Und was hat das mit heute zu tun? Nichts mehr. Vielleicht. Es zeigt nur, wie schnell eine Wende passiert. Eigenartige Machthaber, hüben wie drüben. Die Natur. Wirtschaftliche Ereignisse. Die Kriege sind heute weiter weg als damals. Vielleicht.
An diesem Silvester sind wir zwischen den Jahren auch «zwischen den Wahlen». Die eidgenössischen und kantonalen Parlamente und Regierungen sind komplett. Nun folgen die kommunalen Wahlen im 2020. Gemeinderäte, Sozialhilfebehörden, Schulräte, Kommissionen. In kleinen Dörfern ein Kraftakt, alle Ämter zu besetzen. Ich hoffe, das gelingt bei uns wieder so, wie in den letzten Jahren. Parteipolitik spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Das politische Geschäft auf dieser Stufe orientiert sich nicht an Ideologien, gefragt sind gangbare, mehrheitsfähige, alltagstaugliche Lösungen. Leute, die am wenigsten «keine Zeit haben», sind gesucht.
Der Abstieg ins Dorf ist wieder ein Eintauchen in die grüne Landschaft. Ich wünsche mir, dass der Schnee doch noch kommt, die Natur unter der weissen Decke zur Ruhe kommt und sich auf den neuen Frühling vorbereiten kann.
Ihnen wünsche ich ein spannendes, frohes neues Jahr.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.