Ein Auge für jeden Gast
22.11.2019 BuusHugo und Vreni Thommen verlassen den «Stab» nach 43 Jahren
Mehr als vier Jahrzehnte lang haben Vreni und Hugo Thommen im Restaurant Stab gewirtet. Nun gehen sie in den Ruhestand. «Wir freuen uns auf die Zeit, die vor uns liegt», sagt Vreni Thommen. Für den Buusner ...
Hugo und Vreni Thommen verlassen den «Stab» nach 43 Jahren
Mehr als vier Jahrzehnte lang haben Vreni und Hugo Thommen im Restaurant Stab gewirtet. Nun gehen sie in den Ruhestand. «Wir freuen uns auf die Zeit, die vor uns liegt», sagt Vreni Thommen. Für den Buusner «Stab» soll das jedoch noch lange nicht das Ende sein.
Michèle Degen
Verena Thommen sitzt an einem Tisch im Erdgeschoss des grossen Hauses an der Hemmikerstrasse 4 in Buus. Schon bald wird an ihrer Stelle ein Gast sitzen und sein Mittagessen von ihr entgegennehmen. Noch ist es aber ruhig im Gasthaus zum Stab. Die meisten «Znünigäste» sind wieder auf die Arbeit. Nur einige wenige sitzen noch am Tisch vor der grossen, grün gekachelten «Chouscht» und trinken einen Kaffee.
«Ja, ich freue mich auf die Zeit, die vor uns liegt», sagt sie und lächelt. Im kommenden Jahr werden Verena – Vreni, wie sie genannt wird – und ihr Mann Hugo das Restaurant in neue Hände geben. 43 Jahre lang haben die quirlige Frau mit den kurzen grauen Haaren und der zurückhaltende Mann mit dem scheuen Lächeln im «Stab» gewirtet. Diesen Herbst haben sie die Parzelle, auf der das Restaurant steht, verkauft, um sich in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden.
1976 hat das Ehepaar das Gasthaus gekauft. Davor hatte es den Geschwistern Jakob und Elsy Kaufmann gehört. Vreni Thommen hatte damals schon sechs Jahre im «Stab» gearbeitet. Als die Besitzergeschwister sie fragten, ob sie das Restaurant nicht übernehmen wolle, hätten sie und ihr Mann Hugo, der aus einer Wirtefamilie in Maisprach stammt, zugesagt. Am Restaurant habe sich nicht viel verändert. Sie hätten den Betrieb wie zuvor weitergeführt und auch die Einrichtung sei noch dieselbe. Eine Besonderheit: Hugo Thommen kocht grösstenteils noch immer auf einem alten Tiba-Herd. Jeden Tag heisst es also für ihn zuerst: Feuer machen. Erst dann kann er für seine Gäste kochen.
Beliebte Metzgete
Seither steckt das Paar all seine Zeit und Energie ins Restaurant. 15-Stunden-Tage waren die Normalität und an den Tagen, an denen das Restaurant geschlossen ist, backt Vreni Thommen Kuchen oder Brot für die Gäste. Ganz nebenbei führt sie noch den Haushalt. Für viel mehr habe die Zeit nicht mehr gereicht, sagt sie und ihr Blick wandert kurz zum Fenster hinaus. «Hugo, machst du schon mal einen Kaffe für Willi? Er kommt gerade», ruft sie dann ihrem Mann zu, bevor sie am selben Ort wieder ansetzt, an dem sie das Gespräch unterbrochen hat. Der Kaffee steht schon fast auf dem Tisch, als Willi sich zu den anderen Gästen setzt.
«Wir haben uns immer wieder etwas gegönnt», sagt Vreni Thommen. «Nichts Grosses, aber wir waren immer zufrieden.» Ein Gast will bezahlen. Sie steht auf, holt das Portemonnaie, steuert einen oder zwei Sätze zum Gespräch der Gäste bei, kassiert, verabschiedet den Gast und setzt sich zurück auf ihren Stuhl. Es habe keinen Moment in den vergangenen vier Jahrzehnten gegeben, in dem sie genug vom Wirtedasein gehabt habe. Und das glaubt man ihr, sieht man sie durch ihre Gaststube gehen, ein Auge auf jeden Gast und ein Ohr für jedes Gespräch.
Gar ein bisschen Berühmtheit erlangten die beiden mit ihrer alljährlichen Metzgete, bei der in sieben Gängen jedes Stück der Schlachtplatte seinen eigenen Auftritt hat. So kommt zum Beispiel seit 1982 der in Chur lebende Journalist und Autor Jost auf der Maur jedes Jahr mit einer Gruppe von 13 Personen aus der ganzen Schweiz und sogar dem Ausland extra wegen der Metzgete ins beschauliche Rebdorf. Spricht er von Blutwürsten, «Chessifleisch» und Lederäpfeln, gerät er ins Schwärmen. Auch Vreni Thommen haben die Metzgeten gefallen. «Die Gäste haben so viel gegessen und man konnte ihnen ansehen, wie ihnen immer wohler wurde», sagt sie und lacht. Das Telefon klingelt. Vreni Thommen steht auf, nimmt den Hörer ab. «Hallo Peter. Kommst du zum Mittagessen? Es gibt Piccata. Ja, ist gut. Bis dann.»
Vorfreude auf mehr Zeit
Das Haus, in dem der «Stab» untergebracht ist, wurde gemäss der Inschrift in der Fassade im Jahr 1809 gebaut. Lange Zeit war das Restaurant die einzige Gastwirtschaft im Dorf, bevor 1863 ein zweites Restaurant eröffnete.
Bis Heiligabend führen die Thommens den Betrieb regulär weiter. Danach öffnen sie das Restaurant noch Montag und Dienstag sowie für angemeldete Gruppen. Im Mai beziehen sie dann mit ihrem Hund ihre neue Wohnung im Dorf. «Wir freuen uns darauf, Dinge zu machen, für die wir bisher keine Zeit hatten», sagt Verena Thommen.
Und der «Stab»? Er gehört nun mitsamt dem ganzen Wohnhaus, den Nebengebäuden und dem Grundstück, auf dem er steht, der Gemeinde. Im Juni hatte die Gemeindeversammlung beschlossen, das Gebäude zu kaufen, um den «Stab» am Leben zu erhalten (die «Volksstimme» berichtete). Bevor jedoch ein neuer Pächter einzieht, wird voraussichtlich noch einiges umgebaut.