«Puppentheater» an Schweizermeisterschaften
14.11.2019 Sport, Turnen, ThürnenGymnastik | Simon Hasler ist mit Plaudern und Schalk erfolgreich
Der dreifache Schweizer Meister in der Gymnastik zu zweit verdankt seinen Erfolg kreativen Ideen und viel Witz statt verbissener Trainings und akrobatischer Einlagen. Als Exot in seiner Disziplin turnt sich ...
Gymnastik | Simon Hasler ist mit Plaudern und Schalk erfolgreich
Der dreifache Schweizer Meister in der Gymnastik zu zweit verdankt seinen Erfolg kreativen Ideen und viel Witz statt verbissener Trainings und akrobatischer Einlagen. Als Exot in seiner Disziplin turnt sich der 24-jährige Simon Hasler von Titel zu Titel – und hat noch lange nicht genug.
Darryl Ackermann
«Manchmal besteht 80 Prozent unserer Trainingszeit aus Plaudern», antwortet Simon Hasler auf die Frage, was denn das Geheimrezept für seinen Erfolg bei der Gymnastik zu zweit sei. Eine unkonventionelle Trainingsmethode, die allerdings zu funktionieren scheint. Die Schweizer-Meister-Titel 2017 und 2018 in der Kategorie Ü35 sowie dieses Jahr in der Kategorie Ü30 gingen alle auf das Konto des Thürners und seiner Turnpartnerin Sandra Hochstrasser. Dabei stammt Hasler ursprünglich eher aus einer Leichtathletik- als einer Gymnastikfamilie.
Der Vater, ehemaliger Bezirksturnverbandspräsident und einstiger Präsident des TV Thürnen, die Mutter ehemalige Leiterin des Frauenturnvereins – Hasler besuchte mit elf Jahren zum ersten Mal ein Gymnastiktraining. Zusammen an einem Programm zu feilen und dieses zu perfektionieren gefiel ihm besser als die auf Einzelleistung ausgerichtete Leichtathletik. Beim Turnverein Gelterkinden konnte er seine Faszination ausleben und hatte Erfolg. 2014 wurde Hasler mit seinem Team Schweizer Meister. Es ist eine der prägendsten Erinnerungen des 24-Jährigen. «Eigentlich war es nur Jux, als ich Sandra anbot, als Partner einzuspringen, wenn sie mich mal brauchte», erinnert sich Simon Hasler an sein Angebot 2016. Zwei Wochen später klingelte bereits das Telefon. Hochstrassers Partnerin war schwanger, ein Ersatz musste her – und Hasler stand zu seinem Wort.
Exot in der Gymnastik
Dabei liess er sich nicht davon abhalten, dass er in der Gymnastik zu zweit gleich in mehrfacher Hinsicht ein Exot ist: Als Mann stellt er eine Minderheit in den praktisch ausschliesslich weiblich zusammengesetzten Gymnastikpaaren dar. Auch sind Deutschschweizer in der Disziplin nur spärlich vertreten, Tessiner und Westschweizer Teams sind die Regel. Schliesslich war er mit 21 Jahren ein Jungspund in der Kategorie Ü35 und durfte nur teilnehmen, weil Hochstrasser 43 Jahre zählte.
Nichtsdestotrotz erarbeiteten die beiden ein neues Programm und hatten gleich in ihrem ersten Jahr Erfolg damit. «Der erste Titel an den Schweizermeisterschaften kam sehr überraschend. Insbesondere weil wir das Gefühl hatten, kaum so hart trainiert zu haben wie die anderen Paare», erzählt Hasler. Ihre Trainings seien manchmal nämlich alles andere als diszipliniert. Doch das viele Herumalbern führe meistens zu den besten Ideen für neue Elemente.
So bastelten sich Hochstrasser und Hasler beispielsweise zwei Puppen, als sie erfuhren, dass an den Schweizermeisterschaften 2018 die Kategorie Gymnastik mit Handgerät wegen zu wenig Teilnehmern nicht zustande zu kommen drohte. «Die Wertungsrichter wussten gar nicht, wie sie uns bewerten sollten, als wir uns die Puppen in hohem Bogen zuwarfen», erinnert sich Hasler und schmunzelt. Doch ihre unkonventionelle Idee fand Anklang und die beiden holten sich – neben dem Titel in ihrer Paradedisziplin ohne Handgerät – die Bronzemedaille.
Ein Gläschen auf den Erfolg
Ungeachtet allen Witzes und Schalks – regelmässige Trainings sind für solche Erfolge unentbehrlich. Während der Wettkampfzeit trainieren die beiden zwei bis drei Mal in der Woche, meist in Hochstrassers Heimat Roggwil, manchmal auch in Gelterkinden. Hasler scheint aber trotz der langen Wege noch genug Zeit für sein Studium in Geschichte und Deutsch in Basel zu haben. Zudem unterrichtet er an der Sekundarschule Arlesheim, leitet die Jugendgymnastik des TV Gelterkinden und engagiert sich beim Bezirksturnverband Sissach, beim Baselbieter Turnverband und beim Schweizerischen Turnverband. «Manchmal ist meine Agenda schon ziemlich gefüllt. Dann geniesse ich es umso mehr, wenn ich nach Hause kommen kann und nichts tun muss», gesteht der Thürner.
Sich aber bei der Gymnastik zur Ruhe zu setzen, daran denkt Hasler in keinem Augenblick. Auf kommende Saison hin will er beim TV Roggwil ein neues Programm mit einer neuen Gruppe einstudieren und auch mit Hochstrasser will er eine neue Choreografie auf die Beine stellen. «Nach drei Jahren wird es langsam Zeit, wieder einmal bei null zu beginnen», findet Hasler.
Ursprünglich wollten die beiden bis zum Eidgenössischen Turnfest vergangenen Sommer zusammen turnen. Doch für beide sei stillschweigend klar gewesen: Im Moment passt alles zu gut, als dass man einfach aufhören könne. So seien auch die Getränkevorlieben praktisch der einzige Punkt, in dem sich Hasler von seiner Gymnastikpartnerin unterscheidet. «Beim obligaten Gläschen Appenzeller nach einem erfolgreichen Wettkampf heisst es für mich immer ‹Augen zu und durch›», sagt er.
Dass Hasler die Augen noch ein paar Mal zusammenkneifen muss, ist gut möglich. Das Ziel des Gymnastik-Paars sei nämlich, mit dem neuen Programm den Titel an den Schweizermeisterschaften zu verteidigen. Dabei wollen die beiden ihr Erfolgsrezept beibehalten und den Spass an der Gymnastik nach wie vor als erste Priorität ansehen. Auch deswegen kommt es für Hasler nicht infrage, in der Einzelkategorie an Wettkämpfen teilzunehmen. «Einzel? Nein, auf keinen Fall, da kann man beim Training in der Halle ja mit gar niemandem plaudern.»