Kommentar: Die Frauen und das Oberbaselbiet
22.10.2019 WahlenDavid Thommen
Viel passiert ist trotz des markanten Stimmenplus\' für die Grünen und Verlusten für die SVP bei den Wahlen im Baselbiet letztlich nicht. Alle sieben Nationalratssitze bleiben dort, wo sie zuvor schon waren. Die einzige Verschiebung wird es im Ständerat ...
David Thommen
Viel passiert ist trotz des markanten Stimmenplus\' für die Grünen und Verlusten für die SVP bei den Wahlen im Baselbiet letztlich nicht. Alle sieben Nationalratssitze bleiben dort, wo sie zuvor schon waren. Die einzige Verschiebung wird es im Ständerat geben. Fest steht, dass die SP ihren Sitz verliert. Das Amt einnehmen wird eine Frau aus dem Oberbaselbiet.
Womit zwei wesentliche Stichworte gefallen wären: Gewonnen haben bei dieser Wahl die Frauen. Von den acht zu vergebenden Baselbieter Sesseln in Bern werden künftig sechs von Politikerinnen besetzt sein. Und ebenfalls gleich sechs der acht Mandatsträger kommen aus dem bevölkerungsarmen Oberbaselbiet. Ganz erstaunlich: Einzig die am schwächsten gewählte CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP) stammt von unterhalb der Hülftenschanz, wo die überwiegende Mehrheit der Stimmberechtigten lebt. Die politische Musik spielt also offensichtlich im Oberbaselbiet. Und an allem wird sich auch nach dem zweiten Wahlgang für den Ständerat nichts ändern. Sowohl bei der FDP wie auch den Grünen sind die Erstnachrückenden Frauen – beide aus dem Oberbaselbiet.
Der Grünen Maya Graf kommt in der Stichwahl augenscheinlich die Favoritenrolle zu. Anzunehmen ist, dass die Stimmen, die für den knapp gescheiterten SP-Mann Eric Nussbaumer abgegeben worden sind, nun mehrheitlich der Sissacherin zufallen werden. Graf lag am Sonntag zwar mit einigem Rückstand auf Rang zwei, doch die freisinnige Daniela Schneeberger konnte im ersten Wahlgang kein so grosses Polster anlegen, wie man sich das im bürgerlichen Lager erhofft hatte. Schneeberger strebte einen Anteil von gegen 40 Prozent an, geworden sind es lediglich 34 Prozent. Auch wenn die Thürnerin nun in der Mitte nach Stimmen fischen wird, bleibt die Aufgabe schwierig. Die EVP empfiehlt ihren Wählerinnen und Wählern die grüne Kandidatin. Auch die Grünliberalen dürften mehrheitlich der Grünen näher stehen als der Liberalen. Und wie motiviert sich die Wirtschaftskammer nach der Niederlage ihres Direktors Christoph Buser noch für Schneeberger ins Zeug legen wird, muss sich zeigen. Einerseits hat das Buser-Lager im Nationalratswahlkampf schon viel Pulver verschossen, andererseits würde Buser bei einer Wahl Schneebergers nicht wie erhofft in den Nationalrat nachrücken. Hätte Buser Rang 2 geschafft, dann würde nun wohl ein grosses Werbefeuerwerk für die FDP-Frau abgebrannt. Aber so?
Verloren ist für Schneeberger indessen noch lange nichts. Entscheidend wird die Mobilisierung am 24. November sein. FDP und SVP machen einen motivierten Eindruck. Unterstützung soll sogar von der CVP kommen. Und wie verhalten sich die Wähler, die am Sonntag ihre Stimme für Nussbaumer abgegeben haben? Bleiben sie schmollend daheim? Oder fallen Schneeberger sogar viele Stimmen zu, die Nussbaumer am Sonntag gemacht hat? Es gibt Beobachter, die genau daran glauben: Viele bürgerliche Wähler hätten dem SP-Mann die Stimme gegeben, um Maya Graf den Einzug ins Finale zu verwehren. Denn Nussbaumer, so das Kalkül, wäre für Schneeberger dank Frauenbonus im zweiten Wahlgang einfacher zu schlagen gewesen als Graf.
Schneeberger gegen Graf: Natürlich handelt es sich am 24. November um eine Persönlichkeitswahl. Doch es ist auch eine Richtungswahl. Ist Baselland tatsächlich noch ein bürgerlicher Kanton? Oder hat er sich rot-grün gewandelt? Einen exakten Hinweis darauf liefert das Nationalratsresultat vom Sonntag nicht: Bürgerlich und Rot-grün sind ähnlich stark. Die entscheidende Rolle kommt der Mitte zu.