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  04.10.2019 Sport

Professionelles Computerspielen, also E-Sport, ist weltweit auf dem Vormarsch. Dabei ist die neue Sportart bereits bis ins Oberbaselbiet vorgestossen. Trotzdem kämpft E-Sport noch um seine Berechtigung.

Lucas Werder

Die 49 000 Zuschauer im Stadion hält es kaum mehr auf ihren Sitzen. Zu Hause fiebern rund 200 Millionen Menschen vor ihren Bildschirmen mit. Sie verfolgen aber nicht etwa ein Fussballspiel, sondern den Final der Weltmeisterschaft in «League of Legends», einem Computerspiel!

Ein etwas übergewichtiger Junge mit Brille, der bei heruntergelassenen Rollläden in seinem Zimmer hockt und stundenlang ohne Pause auf seinen Computerbildschirm starrt. So in etwa stellen sich viele den typischen Computerspieler, oder eben Gamer, vor. Dass dieses Bild nicht mehr ganz zeitgemäss ist, zeigt die erwähnte Weltmeisterschaft Ende des vergangenen Jahres. Im südkoreanischen Incheon werden die Spieler von den Fans wie Popstars gefeiert – und spielen dabei um ein nicht unerhebliches Preisgeld. Knapp 8 Millionen Franken schüttet Organisator und Spielentwickler «Riot» unter den teilnehmenden Teams aus.

300 Bewegungen pro Minute
«E-Sport», also elektronischer Sport, nennt sich das Ganze und bezeichnet den sportlichen Wettkampf zwischen Menschen mithilfe von Computerspielen. Doch wie viel hat das Drücken von Knöpfen und Tasten mit Controller, Maus und Tastatur mit «richtigem» Sport zu tun? Bewegen muss man sich vor dem Computer ja nicht. Und das ist es nun mal, was Sport ausmacht, oder?

Auch die professionellen Computerspieler, sogenannte E-Sportler, führen Bewegungen aus, zwar kleine, dafür überraschend viele. 200 bis 300 Bewegungen mit der Computermaus sind es beispielsweise bei den Spielern an der «League of Legend»-Weltmeisterschaft – pro Minute. Dabei können sie eine Herzschlagfrequenz von 180 erreichen, was sogar leicht über der eines Profi-Fussballers im Spiel liegt.

So darf zumindest hinterfragt werden, inwiefern sich E-Sport im Bereich der körperlichen Bewegungen wirklich von Schach oder Sportschiessen unterscheidet, die in der Schweiz als Sportart anerkannt sind. Das Bundesamt für Sport (Baspo) hat dagegen eine klare Meinung: Anfang Jahr teilte das Amt mit, dass E-Sport nicht mit einer herkömmlichen Sportart vergleichbar sei.

So sei «keine Primärerfahrung in direktem Kontakt mit Mitmenschen und der Umwelt möglich», heisst es in der Mitteilung. Zudem trage diese Spielkultur kaum zur Sport- und Bewegungsaktivität der Menschen bei. Dieser Beschluss hat zur Folge, dass der «Schweizerische Esports Verband» gemäss geltender gesetzlicher Bestimmungen der Sportförderung nicht subventionsberechtigt bleibt.

Ist Gamen bald olympisch?
Unbestritten ist E-Sport im asiatischen Raum. Bei den Asienspielen 2022 werden erstmals offiziell Medaillen in dieser Disziplin verteilt werden. Auch für die Olympischen Spiele 2024 in Paris stand bis vor Kurzem noch eine Aufnahme von E-Sport ins olympische Wettkampfprogramm zur Debatte.

Wenig verwunderlich sind es auch Spieler aus dem asiatischen Raum, die in vielen Spieletiteln die Weltspitze für sich beanspruchen. So ist es eine kleine Sensation, als sich im vergangenen Jahr an den «League of Legends»-Weltmeisterschaften, dem wohl beliebtesten E-Sport-Spiel, das mit fünf Europäern besetzte Team Fnatic bis in den Final vorkämpft. Dort behält aber das chinesische Team «Invictus Gaming» die Oberhand. Trotzdem zeigt das: E-Sports erfreut sich längst nicht nur in Asien grosser Beliebtheit. Auch in Europa und der Schweiz wachsen Akzeptanz und Interesse. In einer heuer durchgeführten Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gaben 27,6 Prozent aller Befragten an, kompetitives Computerspielen als eine neue Sportart anzusehen.

Das Spielen auf Computer, Spielkonsole oder dem Handy gehört längst zum Alltag von Herrn und Frau Schweizer. Etwa ein Drittel der Bevölkerung bezeichnet sich selbst als «Gamer». Professionell, also als E-Sportler, wird das Ganze aber nur von einem Bruchteil betrieben.

Einer davon ist der Zürcher Luca Boller, der beim Fussballklub FC Basel angestellt ist. Er ist der einzige Schweizer Profi im Fussballspiel «Fifa» und verdient damit seinen Lebensunterhalt. Dass neben Boller in diesem Jahr mit dem Argentinier Nicolas Villalba auch einer der besten Spieler der ganzen Welt beim FCB unter Vertrag steht, zeigt, welchen Stellenwert der Fussballklub dem virtuellen Fussball zumisst.

Interesse nimmt auch im Oberbaselbiet zu
Wie für «normale» Profi-Sportler sind auch für E-Sportler professionelle Rahmenbedingungen unabdingbar, will man es bis an die Spitze schaffen. Genügend Schlaf und Erholung, «richtiger» Sport sowie eine ausgewogene Ernährung fördern Konzentrationsfähigkeit und Wohlbefinden. E-Sport-Organisationen schreiben dies ihren Athleten daher teilweise sogar vor.

Auch ins Oberbaselbiet ist der E-Sport bereits vorgestossen. Heute pilgern die Computerspiel-Fans nach Zeglingen. An der «Lan2k19» werden in der Mehrzweckhalle am Wochenende während dreier Tage in mehreren Spieletiteln, unter anderem «League of Legends», Turniere durchgeführt. Seit über zehn Jahren führt der Verein «Lanport» solche Veranstaltungen durch, seit drei Jahren gastiert man in Zeglingen. In diesem Jahr erwarten die Veranstalter 100 Gamer, womit der Event ausgebucht ist.

Dabei handelt es sich um einen kleinen Rahmen für einen solchen Anlass. «In der Schweiz gibt es LAN-Partys mit bis zu 1000 Besuchern», sagt Organisator Remo Steiner. Bei ihrer Veranstaltung stünde der Spass und das Beisammensein im Vordergrund. «Wir merken, dass das Interesse und die Akzeptanz des E-Sports zunimmt», sagt er. Es werde nicht mehr einfach über Begriffe wie «Killerspiele» debattiert, ohne dass man sich davon ein Bild gemacht habe.

Die wachsende Akzeptanz von E-Sport zeigt sich auch am Beispiel des Fussballklubs Boca Bretzwil. Der 4.-Liga-Verein führt seit einiger Zeit eine E-Sport-Abteilung in «Fifa». Allzu ernst meinen es die Bretzwiler damit aber wohl nicht. Zumindest ist das Zuschauerinteresse an den Boca-Partien auf dem virtuellen Grün nicht ganz so hoch, wie es im November an den Weltmeisterschaften in «League of Legends» wieder sein wird. Dieses Mal trifft sich die Weltelite in Europa. Der Final in Paris dürfte den letztjährigen Rekord von 200 Millionen Zuschauern in der Spitze nochmals toppen.


«League of Legends»

law. Während sich viele unter der Fussballsimulation «Fifa» noch etwas vorstellen können, fehlt den Laien diese Vorstellung bei «League of Legends». Dabei handelt es sich um ein «Multiplayer Online Battle Arena»-Spiel. Es treten jeweils zwei Teams von je fünf Spielern gegeneinander an. Jeder Spieler steuert eine Art Monster-Spielfigur, die über bestimmte Stärken und Fähigkeiten verfügt. Ziel des Spiels ist es, die gegnerische Basis zu zerstören. Optisch kommt «League of Legends» in einer Comic-Grafik daher. Rund 100 Millionen Menschen weltweit spielen das Spiel regelmässig. Nach «League of Legends» gehören das sehr ähnliche «Dota 2» und die Schiessspiele «Counter Strike» sowie «Fortnite» zu den beliebtesten E-Sport-Titeln, was sowohl Spieler als auch Zuschauer betrifft.


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