Im Liebesrausch verirrte Nachtwächter
Zum «Carte blanche»-Beitrag «Sie haben die Wahl» in der «Volksstimme» vom 5. September, Seite 2
Wenn Markus Meier Ovid zitiert (alte Dichter: immer gut, zeigt Bildung!), muss man sich in ...
Im Liebesrausch verirrte Nachtwächter
Zum «Carte blanche»-Beitrag «Sie haben die Wahl» in der «Volksstimme» vom 5. September, Seite 2
Wenn Markus Meier Ovid zitiert (alte Dichter: immer gut, zeigt Bildung!), muss man sich in Erinnerung rufen, dass dieser mit «Amores» wunderbare Liebesgedichte schrieb, was meines Erachtens nicht so recht zur SVP passen will. Dann schon eher seine «Metamorphosen», wo er, wie die SVPler, gerne alte Sagen erzählt, oder dann natürlich «Tristia», die Klagelieder, wie sie ja auch Herr Meier, ebenfalls typisch SVP, meisterlich anstimmt. Meier wäre dann also, gesamthaft gesehen, kann man sagen, eher für das «Wer hat, dem wird gegeben» (Matthäus 25,29). Wobei dieses Bibelwort ja wohl religiös gemeint ist und also vor allem die Gläubigen betrifft – aber, ob jemand an Christus oder an Christoph glaubt, macht da ja eigentlich keinen grossen Unterschied.
Und dann wäre, leicht besserwisserisch, doch noch dies zu sagen: Wenn Meier den «Vollkasko- und Nachtwächterstaat» heftig ablehnt, verwechselt er wohl etwas. Der «Nachtwächterstaat» meint ja gerade das, was er befürwortet, nämlich einen Staat, der «höheren Einkommen und Kapitalinvestitionen» völlig freie Bahn lässt, im Glauben, eine Art natürlicher Ordnung werde dieses Vorgehen zu einem bestmöglichen Ergebnis führen – natürlich nur für jene, die keine sozialschmarotzerisch am Apfel nagenden «Würmli» sind! Also: Ja, gehen Sie wählen, und zwar so, dass Sie Herrn Meier helfen, den «Nachtwächterstaat» zu verhindern.
Paul Schwald, Köniz