Sie stahlen am hellichten Tag
16.08.2019 WisenIm Juli und August suchten Diebe das Selbstbedienungs-Hoflädeli des Wisen-Hofs dreimal heim. Sie bedienten sich tagsüber, zweimal war das Bauernpaar zu Hause. Beim dritten Diebstahl fotografierten die Opfer das Auto der Täter.
Christian Horisberger
«Ich fasse es ...
Im Juli und August suchten Diebe das Selbstbedienungs-Hoflädeli des Wisen-Hofs dreimal heim. Sie bedienten sich tagsüber, zweimal war das Bauernpaar zu Hause. Beim dritten Diebstahl fotografierten die Opfer das Auto der Täter.
Christian Horisberger
«Ich fasse es nicht, dass man so dreist sein kann.» Margrit Gysin versteht die Welt nicht mehr. Seit fünf Jahren bieten die Bäuerin und ihr Lebenspartner Aldo Bieri in ihrem Hoflädeli alles, was der Wisen-Hof hergibt: Trockenfleisch, Wurstwaren, Eier, Honig, Konfitüre und mehr. Wie bei Hofläden üblich, heisst die Währung, in der bezahlt wird, Vertrauen. Der Laden ist unbedient, wer etwas aus dem Sortiment mitnimmt, steckt den abgezählten Geldbetrag ins verschlossene Kässeli, das an der Innenwand der kleinen Holzhütte befestigt ist. Das gleiche Prinzip gilt für das Hofbeizli, wo Wanderer ihren Durst stillen können.
Fünf Jahre ging das gut. Bis zum 5. Juli: Am helllichten Tag, das Bauernpaar war auf dem Feld, um das Emd einzubringen, wurde das Selbstbedienungslädeli auf dem Hof von Unbekannten leer geräumt – Kasse inklusive. Nur die Eier hätten die Diebe zurückgelassen, berichtet Gysin gegenüber der «Volksstimme». Sie erstattete bei der Polizei Anzeige – und füllte die Regale des Lädelis wieder auf. Einen Monat später, am 7. August, der nächste Diebstahl: wieder tagsüber. Dieses Mal befand sich das Paar im Wohnhaus, vom ungebetenen Besuch bekamen die beiden aber nichts mit.
Keine Kraft mehr
An jenem Tag war Gysin nahe daran, das Handtuch zu werfen. «Wir sind zutiefst enttäuscht und sauer», postete sie auf «Facebook» (www.facebook. com/gysinhof). «Es raubt uns ein wenig die Kraft, um weiterzumachen. Bei einem dritten Mal werden wir das Hof-Lädeli und Beizli für die Selbstbedienung schliessen», kündigte sie an. Und es kam zu einem dritten Mal: Nur drei Tage später, am vergangenen Samstag, schlugen die Diebe wieder zu. Und sie gingen noch dreister vor als zuvor, erneut tagsüber. Bieri war im Kuhstall, als er bemerkte, dass sich draussen eine Frau mit einem Rucksack aufhielt. Er verständigte mit dem Mobiltelefon seine Partnerin, die sich im Haus aufhielt. Als die Bäuerin aus dem Haus stürzte, sah sie nur noch ein Auto davonfahren. Einen dunklen VW Sharan.
Erneut wandte sich Gysin an die Polizei und erstattete Anzeige. Dieses Mal lieferte sie ein Foto mit, das sie mit dem Handy vom wegfahrenden Auto gemacht hatte. Das Nummernschild ist darauf deutlich zu erkennen.
Die Solothurner Kantonspolizei bestätigt den Eingang der drei Anzeigen vom Wisen-Hof und eine Schadensumme von jeweils 200 bis 300 Franken. Ebenso den Hinweis auf das Fahrzeug. Man habe die Ermittlung aufgenommen, sagt Polizeisprecherin Thalia Mosimann, Anhaltungen oder Einvernahmen habe es aber noch keine gegeben.
Hinweise darauf, dass der Hofladenklau im Solothurnischen ein grösseres Problem ist, gibt es nicht. Gemäss Mosimann wurden in den vergangenen Jahren im Durchschnitt lediglich zwei bis drei Fälle zur Anzeige gebracht. Die Situation im Baselbiet ist vergleichbar. Laut Polizeisprecher Adrian Gaugler wurden seit 2014 insgesamt zehn Einbrüche oder Diebstähle aus verschiedenen Hofläden im ganzen Baselbiet gemeldet. Das Deliktgut habe mehrheitlich aus Lebensmitteln und der Hofladenkasse – oft kleine Beträge – bestanden. Nach Auskunft des Schweizer Bauernverbands seien Hofladendiebstähle «häufig, aber in unterschiedlichem Ausmass».
Ware muss frei zugänglich sein
Obwohl es zum dritten Diebstahl gekommen ist, werden die Bauern ihre Ankündigung nicht in die Tat umsetzen. Der Laden steuere mit einem Monatsumsatz von 500 bis 900 Franken einen Teil zum Hofeinkommen bei, sagt Gysin. «Wäre das Häuschen verschlossen und die Kunden müssten zuerst klingeln, um etwas kaufen zu können, würde es nicht mehr funktionieren», ist sie überzeugt.
Einen Automaten für die Hofprodukte anschaffen möchte Gysin aus Kostengründen nicht. Deshalb hält sie sich an die Empfehlung des Bauernverbands: «Kamera installieren». Nun weisen Aufkleber im Lädeli und im Beizli auf eine Videoüberwachung hin.