Eine Familie, reich an Burgen und Rittern
09.08.2019 EptingenSerie Baselland – Burgenland, Teil 5 | Über Aufstieg und Fall der Herren von Eptingen
Kaum ein Adelsgeschlecht in der Region blieb so lange bestehen wie die Herren von Eptingen. Die Zweige der Familie reichten vom heutigen Baselbiet bis ins Elsass und ...
Serie Baselland – Burgenland, Teil 5 | Über Aufstieg und Fall der Herren von Eptingen
Kaum ein Adelsgeschlecht in der Region blieb so lange bestehen wie die Herren von Eptingen. Die Zweige der Familie reichten vom heutigen Baselbiet bis ins Elsass und Südbadische. Augenfällig sind die vielen Burgen und Schlösser, die den Eptingern zugeschrieben werden. Darunter auch eine Höhlenburg.
Sebastian Schanzer
Die Kantonsarchäologen nennen es verdichtetes Bauen im Mittelalter: Nicht weniger als fünf Burgen befinden sich im Umkreis von etwas mehr als einem Kilometer rund um den Eptinger Talkessel. Die «Witwald», die «Ältere Wild-Eptingen», die Grottenburg «Riedfluh» und die «Ruch-Eptingen», die aus zwei Anlagen bestand. Warum wurden diese Burgen auf so engem Raum gebaut? Stammen sie von Bauherren desselben Adelsgeschlechts oder haben sich möglicherweise verschiedene Parteien die Herrschaft im Gebiet streitig gemacht?
Die Ruinen um Eptingen werfen Fragen auf, die von der Archäologie bis heute nicht restlos geklärt werden konnten. Sicher ist: Ab dem frühen 13. Jahrhundert zeugen Urkunden von der Existenz einer Adelsfamilie, die offensichtlich ein starkes Bedürfnis nach Bautätigkeit verspürte: die Herren von Eptingen. Insgesamt erbauten oder besassen sie 13 Burgen, 8 davon im Einzugsgebiet der «Volksstimme» werden dieser Familie zugeschrieben. Von den fünf Burgen um Eptingen ist ihnen allerdings nur ihr jüngster Sitz, die Witwald, schriftlich verbürgt. Zu den Besitzverhältnissen bei den anderen Burgen gibt es keine Quellen. Erstmals erwähnt wird die Familie 1213 in der Person eines Gottfried von Eptingen. Die Forschung nimmt aber an, dass die Eptinger bereits im 11. Jahrhundert über eine eigene Grundherrschaft im Diegtertal verfügten.
Weit verzweigt
Ob es sich bei den Eptingern um die frühmittelalterliche Oberschicht aus dem gleichnamigen Dorf handelt oder ob zugezogene Adelige den Namen übernommen haben, ist ungewiss. «Für das 11. und 12. Jahrhundert werden in der Region auch noch Vertreter der Schicht der sogenannten Edelfreien vermutet», sagt der stellvertretende Kantonsarchäologe Christoph Reding. Sie waren dem Hochadel, etwa einem Grafen, unterstellt, verfügten aber über eigenes Grundeigentum. Möglich, dass die Eptinger in ihren Anfängen dieser Schicht angehörten.
Wahrscheinlicher ist aber eine andere Herkunft. Die Archäologen gehen heute davon aus, dass das Geschlecht auf Gefolgsleute der Grafen von Rheinfelden zurückgeht. Nach dem Tod des deutschen Königs Rudolf von Rheinfelden 1080 im Zusammenhang mit dem Investiturstreit könnten den späteren Eptingern bedeutende Erblehen zugefallen sein. In der Folge zogen sie nach Eptingen. Sie pflegten enge Beziehungen zum Bischof von Basel, tauchen in Dokumenten, aber auch als Lehensnehmer der Grafen von Pfirt und der Habsburger auf.
Im 12. und 13. Jahrhundert erfolgt die territoriale Ausdehnung der Herrschaft der Eptinger, die sich – wie damals üblich – auch mit dem Bau von Burgen manifestiert. Bereits in der zweiten überlieferten Generation spaltet sich das Adelsgeschlecht in die beiden Hauptstämme der Eptinger von Pratteln und der Eptinger von Blochmont im Elsass. Die neuen Stammhalter bauten sich neue Familiensitze. Weitere Verzweigungen in zahlreiche weitere Nebenlinien folgen. Neben den Eptinger Burgen – die bis auf die Witwald wohl alle bereits im 13. Jahrhundert wieder aufgegeben wurden – werden der Familie auch Wehranlagen in Pratteln, Sissach, Bubendorf und im Sundgau, sowie altes Familiengut im Raum Giebenach, Olsberg und Maisprach sowie im breisgauischen Minseln und Lörrach zugeschrieben.
«Die vielen Zweige der Familie und der dadurch stark diversifizierte Besitz sind bei den Eptingern augenfällig», sagt der Archäologe Reding. So konnte das Geschlecht beispielsweise den Verlust von mindestens vier Führungsfiguren bei der Schlacht bei Sempach 1386 verkraften – «eigentlich ein enormer Aderlass», so Reding. Aber die Eptinger nahmen den Kriegsdienst für ihre Lehensherren – eine zentrale Aufgabe des Ritterstands – sehr ernst. In ihrer Dissertation zum «Familienbuch der Herren von Eptingen» weist Dorothea Christ allerdings darauf hin, dass sich die Adelsfamilie im 15. Jahrhundert zunehmend Sorgen um den schrumpfenden Besitz machte. In den Krieg zu ziehen, war sehr teuer. Mit der Zeit konnte man sich das nicht mehr leisten.
Misstrauen der Städter
In ihrer Arbeit über das Familienbuch der Eptinger wirft Christ das Licht auf eine Zeit, in der sich viele Adelsfamilien vom Leben auf der Burg verabschiedeten – so auch die Eptinger. Im 15. und 16. Jahrhundert näherten sich die Landadligen immer mehr der Stadt, wohnten auch dort und nutzten die Burgen nur noch als Landsitze. In der Stadt übernahmen die Eptinger Ämter im Grossen Rat und stellten gar einen Bürgermeister. Die Basler Bürgerschaft blieb diesen Adligen gegenüber aber misstrauisch. Diese hatten zwar Häuser und zahlten Steuern in der Stadt, übten aber ihr Bürgerrecht nicht aus, schreibt Christ.
Gleichzeitig hielten sie gern an alten ritterlichen Traditionen fest, um sich von den Städtern abzugrenzen und ihren Adelsstolz zu pflegen. Sie nahmen an kostspieligen Turnieren teil, obwohl sie es sich – mittlerweile verschuldet – eigentlich nicht mehr leisten konnten. Denn: An Gütern waren die Eptinger reich, aber sie konnten ihren Besitz wegen komplizierter Erbverbindungen oft nicht frei veräussern.Gerade das Standesbewusstsein aber hinderte die Eptinger daran, einen Ausweg aus ihrer Zwangslage zu finden, schreibt Christ. Der Adel verpflichtete so sehr, dass er zulasten der ökonomischen Grundlagen der Familie ging und zu deren Verarmung führte.
Letzte Vertreterin stirbt 1854
Auch die erwähnte Familienchronik ist Zeugnis des Versuchs, sich den Adelsstolz zu bewahren. Dort wird beispielsweise der Ursprung der Familie bei den Römern verortet. Die Söhne des in der sogenannten Catinlinischen Verschwörung umgekommenen Lucius Sergius Catilina sollen die Begründer der Dynastie der Eptinger sein. «Solch eine Herleitung ist natürlich Quatsch, war zu jener Zeit aber üblich bei bedeutenden Adelsfamilien», sagt Reding. Gerade das Standesbewusstsein aber hinderte die Eptinger daran, einen Ausweg aus ihrer Zwangslage zu finden.
Der Niedergang der Eptinger ist freilich ein Schicksal, das auch andere Adelsfamilien ereilt hat. Die Eptinger konnten sich aber weit länger halten als andere Adlige. Viele Adelsgeschlechter fanden bereits im 14. Jahrhundert ihr Ende. Der Prattler Stamm der Eptinger erlosch in der Mitte des 16. Jahrhunderts, die letzte Vertreterin des Blochmont-Stamms im Elsass, eine gewisse Josefa Karolina von Eptingen starb erst 1854. «Es gibt kaum eine andere Adelsfamilie in der Region, die so lange bestanden hat», sagt Reding.
Wahre Schätze – durch Zufall entdeckt
Die Grottenburg Riedfluh ist für die Region einzigartig
ssc. Zwei Umstände machen die Burgruine Riedfluh im Hang des Ränggenbergs bei Eptingen zu einer aussergewöhnlichen Anlage: Sie ist die einzige Grottenburg im Baselbiet und weil solche im Fels eingebauten Burgen trockener sind als andere, blieben die Hinterlassenschaften ihrer einstigen Bewohner besser erhalten. Ein weiterer Glücksfall für die Archäologen war die Tatsache, dass die Burg um 1200 abbrannte. Materialien wie Töpfe und Werkzeug, aber auch Organisches wie Samen und Körner oder Tierknochenabfälle wurden durch das Feuer konserviert, was den Forschern Rückschlüsse auf das alltägliche Leben auf der Burg ermöglichte.
Die Riedfluh gilt als ein sehr früher Bau. Aufgrund der Keramik, die dort gefunden wurde, lässt sich die Burg bis auf 50 Jahre genau datieren. Man geht davon aus, dass sie in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstanden ist, die meisten mittelalterlichen Burgen wurden erst im 12. und 13. Jahrhundert gebaut. Einmalig sei auch die qualitätsvolle architektonische Ausstattung mit kapitellgeschmücktem Gliederpfeiler, Gewölbesteinen und reliefverzierten Quadern aus Buntsandstein, schreibt die Kantonsarchäologie auf ihrer Website.
Die Anlage, wie sie heute sichtbar ist, entstand allerdings nicht in einem Zug. Zunächst wurde lediglich die Felshöhlung zugemauert und mit einem Hocheingang erschlossen. Erst später wurde auch der Hangbereich überbaut und mit einem bequemeren Zugang versehen. Die Höhle wurde in verschiedene Räume mit Verbindungstüren eingeteilt. Der Innenausbau dürfte aus Holz gewesen sein. In einer letzten Phase wurde die Hangstufe vor der Burg erweitert sowie ein Hochsitz mit Blick in den Faltenjura in den Fels eingehauen.
Gefunden wurde die Grottenburg durch Zufall. Ein Hobbyarchäologe stiess 1968 auf Keramikscherben, die an die Oberfläche kamen, als Kinder ihren verstorbenen Kater begruben. In den 1980er-Jahren erfolgte die vollständige Freilegung und Konservierung der Anlage, die beim verheerenden Brand durch herabgestürztes Gestein zugedeckt wurde. Der heutige Kantonsarchäologe Reto Marti hatte sich an dieser Burg die Sporen abverdient.
Üppiger Speiseplan
Die Funde in der Ruine lieferten wertvolle Erkenntnisse über deren ehemalige Bewohner – man geht von Mitgliedern der Eptinger-Familie aus. Das Leben auf der Burg muss ein für damalige Verhältnisse illustres gewesen sein. Fleisch, Getreide, Nüsse und Früchte standen auf dem Speisezettel, der von Wohlstand zeugt. Die Bewohner gingen zur Jagd, oder vergnügten sich mit Gesellschaftsspielen und die Frauen verrichteten Textilarbeiten.
Nach dem grossen Brand um 1200 wurde die Anlage aufgegeben. Die Wohnlage in der Felswand mit dem prächtigen Ausblick ins Belchenmassiv war einzigartig, aber zu guter Letzt waren die Ausbaumöglichkeiten in der räumlich begrenzten Felshöhlung erschöpft. Vielleicht suchte man deshalb einen Bauplatz, der bessere Entwicklungsmöglichkeiten bot, mutmasst der Baselbieter Kantonsarchäologe Reto Marti. Möglichkeiten dazu gab es rund um Eptingen genug.
Die Burgruine Riedfluh wurde 2011 neu erschlossen, weil viele Besucher sie vergeblich gesucht hatten. Ab Eptingen Dorf ist ein Fussweg von rund 20 Minuten Länge ausgeschildert. Bei der Burg steht eine Informationstafel. Ein Picknickplatz mit Grillstelle bei der Ruine bietet den Besuchern Gelegenheit zum Verweilen. Eptingen ist mit der Buslinie 107 ab Sissach zu erreichen.