Der Mondbauer
06.08.2019 Wittinsburg50 Jahre Mondlandung | 4. Teil: Familie Miesch bewirtschaftet ihren Demeterhof nach dem Mond – mit Erfolg
Der Mond ist nicht nur Erdtrabant und Gezeitenmacher, sondern auch Leitfaden für feinfühlige Landwirte. Einer von ihnen ist Demeter-Bauer Andreas Miesch. Aussaat, ...
50 Jahre Mondlandung | 4. Teil: Familie Miesch bewirtschaftet ihren Demeterhof nach dem Mond – mit Erfolg
Der Mond ist nicht nur Erdtrabant und Gezeitenmacher, sondern auch Leitfaden für feinfühlige Landwirte. Einer von ihnen ist Demeter-Bauer Andreas Miesch. Aussaat, Düngung und Ernte richtet er nach dem Mond – und fährt gut damit.
Lucas Huber
Bevor der Kunstdünger die Landwirtschaft für immer veränderte, war es gang und gäbe, dass die Bauern ihre Arbeit nach dem Mond ausrichteten. Der das sagt, ist Andreas Miesch, Demeter-Bauer in Wittinsburg. Mit Frau Sandra und den beiden Kindern betreibt er Acker-, Obst- und Gemüsebau, daneben hält die Familie eine Herde Kühe, deren Milch sie melken. Die Tiere, das ist Demeter-Vorschrift, tragen Hörner – ausnahmslos. Es gibt noch viele andere Richtlinien in der Welt von Demeter. Schlachttransportwege und Lebensmittelzusatzstoffe etwa sind streng begrenzt, die Tierhaltung für einen natürlichen Kreislauf mit Mist zur Düngung verpflichtend, das Tierfutter hat klaren Vorgaben zu entsprechen, und ab 2020 sind Plastikverpackungen für Obst untersagt.
Demeter, wenn man so will, ist die ökologischste aller Anbaumethoden – und das älteste Ökolabel, das es schon gab, als «Bio» noch allein das griechische Wort für «Leben» war. Doch Demeter, benannt nach der gleichnamigen griechischen Mutterund Fruchtbarkeitsgöttin, geht noch weiter. Hier kommt die Anthroposophie ins Spiel, mit der Demeter eng verflochten ist, ja, aus der heraus die Bewegung erst entstand. Andreas Miesch, das vorweg, ist kein Anthroposoph: «Ich wirtschafte lediglich so», betont er. Wenn der Schweizer Dachverband mit Sitz in Liestal einen Wortgewandten aus ihren Reihen braucht, schickt sie ihn vor.
Arbeiten mit dem Mondkalender
Damit nun zum Mond. Spricht Miesch über ihn, spricht er erst einmal von den grossen Namen der Szene, von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie; von Maria Thun, der Grande Dame des Mondkalenders, nach dem Landwirte wie Miesch ihre Arbeit ausrichten; und von Peter Berg, dem Demeter-Urgestein im grenznahen Binzen, mit dem die Wittinsburger eng zusammenarbeiten. Peter Berg ist der Autor jenes Buches, das Andreas Miesch als eine Art Wegweiser nutzt: «Der Mondgärtner». Er selbst kennt nämlich längst nicht alles Lunare auswendig. Selbst wenn sein Vater, einer der ersten Demeter-Bauern der Schweiz, den Betrieb bereits 1969 umstellte. Damals wurde die Familie bisweilen belächelt; man traute den Mieschs keine ordentlichen Erträge zu mit ihren neuartigen Anbaumethoden. Doch wie eingangs gesagt: So neu ist das gar nicht mit dem Mond in der Landwirtschaft.
Und das erklärt Andreas Miesch so: Der Mond hat Kräfte, die sich auf Mensch, Tier und Pflanzenwuchs auswirken. Er ist quasi ein Zeiger, etwa für den günstigsten Zeitpunkt zur Aussaat, zur Ernte, zum Holzschlag oder zur Deckung einer Milchkuh. Man spricht von Wurzel-, Blatt- oder etwa Blütentagen, entsprechend werden die Kulturen in Wurzelgemüse (etwa Karotten), Fruchtgemüse (Gurken), Blattgemüse (Kohl) und Blüten (Brokkoli) eingeteilt. Eine an einem Wurzeltag geerntete Rande etwa – ein Wurzelgemüse – lässt sich länger lagern. Wurde sie an einem Wurzeltag gepflanzt, bildet sie eine grössere Knolle. Darüber, sagt Andreas Miesch, brauche man nicht zu spekulieren: «Das ist einfach so.» Wie es schliesslich auch so sei, dass der Mond die Gezeiten bestimme und Einfluss auf das Fahrverhalten auf den Strassen habe, Stichwort Vollmond. «Wenn man sich etwas damit befasst, ist es eigentlich logisch», ergänzt Miesch.
In der Anthroposophie wird der Mondlauf in obsigend, also steigend, und nidsigend, also sinkend, unterschieden – nicht zu verwechseln mit zunehmendem respektive abnehmendem Mond. Hier geht es nicht um das Bild des Mondes am Nachthimmel, sondern um seinen 27-tägigen Lauf um die Erde.
Bei steigendem Mond steigen auch die Pflanzensäfte, das oberirdische Wachstum verstärkt sich. «Die Erde», schreibt Peter Berg, «atmet aus.» Steigt der Mond hingegen ab, wirken die Kräfte in den Wurzeln – es ist Pflanzzeit. Auch manch ein Bauer, der nichts mit Demeter am Hut hat, ist überzeugt: Wer dann richtig pflanzt, erntet ausgiebigere Erträge. Soweit es geht, halten sich die Mieschs an den Mondkalender der Maria Thun. Das komplexe Büchlein ist nicht zu vergleichen mit gemeinen Mondkalendern und weicht auch vom Mondkalender ab, der bisweilen in der konventionellen Landwirtschaft Anwendung findet.
Seit 25 Jahren am Wochenmarkt
Trotz aller Überzeugung und dem Bemühen, sich vom Mond als Fixstern leiten zu lassen: Wenn die Kartoffeln in die Erde müssen, weil übermorgen keine Zeit ist, oder die Bohnen in den Erntekorb, weil sie sonst zu gross würden, dann ist das halt so. Doch den Unterschied, sagen sie, spüre man. Nicht nur in der Grösse einer Rande. Die Lebensmittel seien gehaltvoller, Miesch spricht gar vom doppelten Nährwert gegenüber konventionellen Produkten. Zu kaufen gibt es die Randen, Bohnen, die Rohmilch, ihre beliebten Brühwürste und all die anderen Produkte am Wochenmarkt in Arlesheim, der Hochburg der Anthroposophie in der Schweiz. Seit 25 Jahren haben sie hier ihren Stand. Früher belieferten sie auch die anthroposophischen Kliniken mit Lebensmitteln und mit tierischen Nebenprodukten auch das anthroposophische Kosmetikunternehmen Weleda.
Andreas Miesch ist Demeter-Bauer durch und durch. Er bezeichnet sich selbst als feinfühlig, der Einfluss des Mondes ist für ihn keine Frage des Glaubens, sondern eine unumstössliche Tatsache. Dennoch ist er überzeugt, dass auch die konventionelle Landwirtschaft ihre Berechtigung hat. Vielleicht täte ihr etwas mehr Mond allerdings durchaus gut.
Bereits erschienen: «Zwei Männer im Mond» (11. Juli); «Auf dem Mond riecht es nach Schiesspulver» (19. Juli). «Wenn der Mond die Axt führt» (23. Juli). Wird in loser Folge fortgesetzt.