Erst einmal ein Platz in den Top 500
16.07.2019 Sissach, SportTennis | Joanne Züger verpasst für den Sport jeden zweiten Schultag
Die Zeit als Juniorin ist vorbei. Tennis-Sportklässlerin Joanne Züger muss sich seit diesem Jahr bei den Erwachsenen behaupten. Mit zwei zweiten Plätzen im Einzel und einem Turniersieg im Doppel ist ...
Tennis | Joanne Züger verpasst für den Sport jeden zweiten Schultag
Die Zeit als Juniorin ist vorbei. Tennis-Sportklässlerin Joanne Züger muss sich seit diesem Jahr bei den Erwachsenen behaupten. Mit zwei zweiten Plätzen im Einzel und einem Turniersieg im Doppel ist dies der 18-Jährigen bisher gut gelungen.
Sebastian Wirz
Am 1. Januar war es für Joanne Züger Zeit für den Sprung ins grosse Haifischbecken. Die Zeit als Juniorin war vorbei, nun musste die Tennisspielerin gegen die internationale Konkurrenz aller Altersklassen antreten. Doch was sich der Betrachter als schwierigen und beängstigenden Schritt vorstellt, war für die 18-Jährige eher eine Erleichterung. «Plötzlich hatte ich Zeit. Und keinen Druck», sagt die Sissacherin. 2018 war von Januar bis Dezember das Jahr der letzten Chancen. Zum letzten Mal Junioren-Grand-Slams, zum letzten Mal Schweizermeisterschaft, zum letzten Mal U18-Europameisterschaft. Da musste sie überall dabei sein. Und gute Resultate erzielen.
Im neuen Jahr konnte sie nun locker aufspielen. «Vielleicht war ich gerade deshalb so gut», sagt Züger zum Frühjahr, in dem sie in Kairo im Doppel ihren ersten Titel gefeiert hat und in Antalya im Einzel zweimal den 2. Rang erreicht hat. Alle diese Turniere gehören der tiefsten internationalen Kategorie an. Entsprechend dem addierten Preisgeld aller Teilnehmer heissen sie 15 000er.
Es ist nicht so, dass sich die Oberbaselbieterin nun zurücklehnen würde. Sie trainiert fleissig und jettet in Europa sowie etwas darüber hinaus von Turnier zu Turnier. Aber sie fühlt sich nicht mehr unter Zeitdruck. Die klaren Ziele bleiben, diese sind jedoch nicht mehr so stark an Fristen gebunden; so schnell wird Züger schliesslich nicht zu alt für den Erwachsenenzirkus.
Qualifikationen und Wild Cards
Ihre Stärke, die kräftigen Schläge, hat sich Züger auch mit 18 Jahren bewahrt. Wie bei den Juniorinnen ist es weiterhin sie, die ihre Gegnerin mit schnellem Spiel von der Grundlinie unter Druck setzen kann. «Ich mag es, meine Kontrahentin hin und her zu jagen.» Im Vergleich zum Juniorinnentennis müsse sie sich aber vermehrt an unterschiedliche Spielstile anpassen, sagt Züger. Denn: «Bei den Juniorinnen spielen alle gleich, alle wollen schnell spielen. Nun muss ich auch gegen ältere Spielerinnen Lösungen finden, die beispielsweise einhändig Rückhand spielen oder das Tempo nicht hochzuhalten versuchen.»
Mittelfristig, also bis Ende Jahr, will Züger im Frauentennis Fuss fassen. Das Hauptfeld an 25 000er-Turnieren, an denen es WTA-Punkte zu gewinnen gibt, soll zur Normalität werden. Bisher muss sie sich dort aufgrund ihres Rankings durch die Qualifikation spielen, ausser sie erhält eine Wild Card. Dies ist in der Schweiz oft der Fall, wie in Klosters, wo sie Ende Juni den Viertelfinal erreicht und damit WTA-Punkte gesammelt hat. «Ich werde wohl nicht mehr allzu viele 15 000er spielen, weil es sich punktemässig gar nicht lohnt», sagt Züger. Ein Viertelfinal bei der höheren Klasse ergibt gleich viele ITF-Punkte wie der Sieg in der untersten Kategorie.
Aufgrund einer Änderung der Regeln zählen die ITF-Punkte aktuell nicht für die WTA-Rangliste der Profis, wie dies zuvor der Fall war. Im August wird diese Entwicklung jedoch rückgängig gemacht. Das Ranking wird sich dann auf den Plätzen ab etwa 500 auf einen Schlag stark verändern, weil die ITF-Punkte eingerechnet werden. Unabhängig davon, wo Züger nach der Implementierung landet, ist es ihr Ziel, sich um Rang 500 im WTA-Ranking festzusetzen. Bei 25 000er-Turnieren stünde sie so im Hauptfeld, für 60 000er, bei denen zum ersten Mal Linienrichter zum Einsatz kommen und das Umfeld der Turniere wächst, könnte sie dann die Qualifikation spielen.
Jeden zweiten Schultag besucht
Der Zeitaufwand für die Sportklässlerin wird damit nicht geringer. «Ohne die Leistungsförderung durch das Sportamt Baselland ginge es nicht. Ich reize die Grenzen des Angebots aus», sagt sie selber. Nach eigener Rechnung hat sie im vergangenen Schuljahr 54 Prozent der Schulzeit verpasst – und dies ausschliesslich wegen des Tennis. Ein geregelter Schulalltag ist das nicht. «Ich schaffe es nicht mehr, alles nachzuholen und lerne deshalb einfach für die Prüfungen.»
Zugute kommt Züger dabei, dass Schwester Sina dieselbe Klasse besucht. Die ältere Tochter von Mutter und Trainerin Nicole Züger muss Training und Wettkämpfe aufgrund einer Schulteroperation seit Längerem aussetzen. Kommt Joanne von einem Turnier im Ausland zurück, ist der Schulstoff zu Hause sicher schon mal greifbar. Zuerst haben Zügers aber Sommerferien – oder einfach Tennis-Alltag ohne die sporadischen Schultage dazwischen. Joanne Züger freut sich vor allem auf den Interclub, den sie in der Nationalliga A für Chiasso bestreitet. Danach geht es auf internationaler Ebene weiter. Mit klaren Zielen, aber ohne Zeitdruck.