Wenn die innere Uhr immer leiser tickt
12.06.2019 OrmalingenDer «Ergolztalk» widmete sich dem Thema Schlaf
Ungefähr die Hälfte der Menschen über 65 Jahre leidet unter Schlafstörungen. Oftmals ist zu viel «Grübeln» schuld am schlechten Schlaf. Ein Vortrag mit anschliessender Diskussion im Zentrum Ergolz ...
Der «Ergolztalk» widmete sich dem Thema Schlaf
Ungefähr die Hälfte der Menschen über 65 Jahre leidet unter Schlafstörungen. Oftmals ist zu viel «Grübeln» schuld am schlechten Schlaf. Ein Vortrag mit anschliessender Diskussion im Zentrum Ergolz thematisierte die Schlafstörungen im Alter.
Rahel Fischer
Das Thema Schlaf bewegt viele Bewohner des Alters- und Pflegeheims Zentrum Ergolz in Ormalingen. Das verdeutlichte der randvolle Saal beim «Ergolztalk» vom Donnerstag. Einleitend gab es ein mit Humor gespicktes Referat von Christian Cajochen, Leiter des Zentrums für Chronologie an der Universität in Basel.
Der Bündner Referent, der den Schlaf-Wach-Rhythmus und den Einfluss des Lichts auf das menschliche Denken erforscht, erklärte den Zuhörenden, dass sich durch das steigende Alter auch der Schlaftyp verändere: «Je älter wir werden, desto früher gehen wir ins Bett.»
Die innere Uhr, die durch die Forschung nachgewiesen wurde und sich offenbar «wie ein kleines Reiskorn» im Gehirn befindet, beginne im Alter leiser zu ticken. Es werde somit zunehmend schwieriger, den richtigen Rhythmus zu finden. Hinzu komme, dass die Menge an Melatonin, ein Hormon im Körper, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert, mit dem Alter laufend zurückgehe. Ein oberflächlicher und unregelmässiger Schlaf ist demnach die Folge.
Rezept für gesunden Schlaf
Allein diese Tatsache zu kennen und zu akzeptieren, dass dies völlig normal sei, könne helfen, mit der Situation gelassener umzugehen, sagte Cajochen. Kleinere Schlafunregelmässigkeiten müssten nicht gleich zu einer chronischen Schlafstörung führen. Wie damit umgegangen werde, sei aber individuell – wie auch die innere Uhr bei jeder Person wieder anders ticke und es verschiedene Schlaftypen gebe.
Nach diesem Vortrag wurde auf dem Podium mit dem Gelterkinder Hausarzt Dr. Claudio Schmutz und der Leiterin des Nacht-Teams des Zentrums Ergolz, Chirin Hildebrandt, fleissig weiterdiskutiert. Alle Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass Schlafmittel nur für kurzfristige Therapien eingesetzt werden sollten, langfristig könnten sie Schlafprobleme gar noch vergrössern. Heute werde vor allem mit Lichttherapie gearbeitet, viel Tageslicht und ein regelmässiger Schlafrhythmus sei das Rezept für einen gesunden Schlaf. Bewegung an der frischen Luft und ein sorgenfreier Kopf würden mehr helfen, als ein zu langes Mittagsschläfchen, wodurch der Schlafdruck auf die Nacht hin verringert werde.
«Mit schönen Gedanken ins Bett»
Die zunehmende Licht-Verschmutzung, eine grosse Arbeitsbelastung, psychischer Stress und somit das Grübeln im Bett seien die grössten Schlafräuber. Lärmursachen seien weniger das Problem, meinte Chirin Hildebrandt. An einen durchfahrenden Zug würden sich die Bewohner mit der Zeit gewöhnen, aber wenn etwas passiert sei, das sie beschäftigt, dann würden sie eindeutig weniger gut schlafen.
Ein älterer Heimbewohner, der sich anhand eines Buches mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, meldete sich in der regen Diskussion zu Wort und berichtete von seinen Mitbewohnerinnen, die ihm am Morgen jeweils von den abendlichen Fernsehsendungen berichteten.
«Da könnte ich auch nicht schlafen, wenn ich das anschauen würde», schüttelte er den Kopf. Er gehe mit schönen Gedanken ins Bett, so erwache er auch am Morgen mit schönen Gedanken. Er erntete für seine Aussage grossen Applaus und Zustimmung. Eine weitere Bewohnerin meldete sich am Schluss der Diskussion noch zu Wort, dass sie von der Pflegerin ein «Schnäpsli» erhalte, wenn sie nicht schlafen könne. Sie erntete viel Gelächter.
Die Stimmung war trotz des ernsten Themas heiter. Offenbar kann eine Prise Humor helfen, die Stimmen im Kopf zu vertreiben – um die leiser werdende innere Uhr noch zu hören. Zum Abschied wünschte man sich von allen Seiten eine gute Nachtruhe. Der anschliessende Apéro hat ja vielleicht auch noch einigen zu einem guten Schlaf verhelfen können.