MEINE WELT
07.06.2019 GesellschaftDienstleistungsmentalität
Bei mir ist es ja so, dass ich in meiner spärlich bemessenen Freizeit neben dem Kolumnenschreiben kaum noch dazu komme, meine Bleibe einigermassen in Schuss zu halten. Deshalb habe ich seit längerer Zeit eine Putzfrau, die sich ...
Dienstleistungsmentalität
Bei mir ist es ja so, dass ich in meiner spärlich bemessenen Freizeit neben dem Kolumnenschreiben kaum noch dazu komme, meine Bleibe einigermassen in Schuss zu halten. Deshalb habe ich seit längerer Zeit eine Putzfrau, die sich zweiwöchentlich mit Schneeschippe und Hochdruckreiniger meiner Wohnung annimmt. Der Reinigungsrhythmus nimmt bei mir drei Phasen ein: a) Putzfrau hat gerade alles super à jour gebracht. Man versucht, den Standard einigermassen zu halten. Das reicht bis zu Phase b), Nachlassen. Die ganze Ordnung verludert so langsam. Dann kommt Phase c): So kann ich doch meiner Putzfrau meine Wohnung nicht zumuten! Und richtig: Am Tag vor dem Putzfrauenzugriff räume ich mindestens eine Stunde auf, wische mal alles gründlich durch und ordne die Badetüchlein am Halter nach Farbe oder Hersteller. Man will ja nicht als Chaot dastehen. Ich gehe also meiner Dienstleisterin etwas zur Hand.
So hab ich das schon bei vielen meiner Miteidgenossinnen und Miteidgenossen erlebt. Zum Beispiel im Restaurant. Kaum ist man mit dem Essen fertig, stellen einige Mitesser die Teller sauber auf einen Stapel in Richtung Servicepersonal, sortieren die Messer und Gabeln fein säuberlich und stellen die Gläser zusammen. Fehlt eigentlich nur noch, dass die ein Plastikbecken zum Vorspülen bestellen oder sich gleich selbst kurz im Anzug an die Abwaschmaschine in die Küche stellen. Die armen Wirtsleute haben ja immer viel Stress. Dafür geben wir am Schluss noch ordentlich Trinkgeld («Sie hat artig für das Ausschwenken der Biergläser auf dem WC gedankt!»). Nebenbei: Geben Sie die leeren Zuckerbriefli und Kaffeerahmdöschen nie in die Kaffeetasse. Sieht zwar ordentlich aus, aber das Abwaschpersonal hasst die Herausklauberei.
Im Hotel geht’s uns ähnlich: Als Schweizer macht man die Betten am Morgen, entsorgt den Kehricht im Papierkorb und legt selbstverständlich das Duschtuch nie auf den Boden (weils dann gewaschen würde). Man ist ja umweltfreundlich. Gut, nach drei Wochen dürfte man dieses Gesetz schon mal brechen, weil sonst das Tuch davonrobbt. Den Koffer schleppen wir selbst in die 5. Etage (der arme Gepäckträger müsste ja soo schwer lüpfen!) und das Einpacken der Einkäufe in Papiertüten lassen wir auch in den USA nie die entsprechenden Helfer erledigen. Trinkgeld kriegen sie trotzdem.
Diese Mentalität erlaubt es, dass wir immer mehr selbst machen: Geld nur noch vom Bankomaten, Self-Scanning-Kassen in Supermärkten, und im Schnellimbiss bestellen und bezahlen wir ebenfalls am Automaten unseren Dönerhotdog mit Vegispeck selbst.
Das mit dem Trinkgeld finde ich aber eine gute Sache. Gute Arbeit soll ein Extra kriegen. Wieso also nicht auch einmal dem Polizisten für den sauber ausgefüllten Parkbusschein oder der tüchtigen Steuerveranlagerin ein Extranötli in ein Kuvert mit Dankeskärtli legen?
Lars Mazzucchelli ist Betriebsökonom und Sissacher Gemeinderat.