Ein teurer WK und angenagelte Schuhe
25.06.2019 Anwil, Turnen, SportEin Tag am «Eidgenössischen»
Am Eidgenössischen Turnfest in Aarau überzeugen die Turnerinnen und Turner in erster Linie mit ihren sportlichen Leistungen. Spannend sind aber auch die Rahmengeschichten, wie das Beispiel der Oberbaselbieter Vereine aus Anwil und Bennwil ...
Ein Tag am «Eidgenössischen»
Am Eidgenössischen Turnfest in Aarau überzeugen die Turnerinnen und Turner in erster Linie mit ihren sportlichen Leistungen. Spannend sind aber auch die Rahmengeschichten, wie das Beispiel der Oberbaselbieter Vereine aus Anwil und Bennwil bestätigt.
Daniel Hofstetter
Acht Uhr morgens auf dem Aarauer Sportplatz Schachen. Noch ist es ruhig. Die Wettkämpfe an diesem Samstag haben für die ersten Vereine begonnen. Andere treffen gerade ein. Zu ihnen gehören die Oberbaselbieter Vertreter aus Anwil und Bennwil. Rund eine Stunde später startet der TSV Anwil mit dem Weitwurf. Die Disziplin nimmt 20 Minuten in Anspruch. Gian-Luca Kühni, der stellvertretende Oberturner, muss noch beim offiziellen Stand vorbei, ehe er sich mit denjenigen auf den Weg macht, die wie er am Fachtest Volleyball teilnehmen.
Für den Verein ist das eine Premiere. «Weil dieses Jahr das ETF stattfindet, wollen wir den Fachtest Volleyball ausprobieren», erklärt Kühni. Der Verein will prüfen, ob die Disziplin eine Option für die Zukunft ist. Allerdings stand die Teilnahme auf Messers Schneide.
Die Tücken des WK
Einer der Teilnehmer absolviert aktuell den WK. Das Urlaubsgesuch wurde abgelehnt. Weil er zu allem Übel für die Wochenendwache eingeteilt wurde, «hätten wir die Fachtestgruppe auflösen müssen, weil wir einer zu wenig gewesen wären». Schliesslich konnte der Turner teilnehmen, weil ein anderer Soldat für ihn übernahm. Allerdings machte es dieser nicht gratis. 300 Franken musste der Anwiler für den «Gefallen» berappen.
Fast 30 Minuten marschieren sie durch Aarau, bis sie den Austragungsort bei der Sportanlage Telli erreichen. Die Wege am ETF sind weit. Eine Offizielle geht derweil mit Formularen zum Jury-Zelt. Sie ist ein wenig skeptisch. Den Schiedsrichtern gibt sie jedenfalls einen Rat mit: «Anwil macht den Fachtest zum ersten Mal. Bei der Aufstellung haben sie etwas Mühe. Schaut genau hin.»
Doch die Gruppe um Kühni macht einen respektablen Job. «Sie haben uns gesagt, dass wir es für das erste Mal nicht schlecht gemacht haben. Es gibt sicher keine Top-Note, es war aber eine sehr gute Erfahrung.»
Solarstrom für Anwil
Wieder zurück auf dem Schachen, macht der einsetzende Nieselregen dem Bennwiler Verbund aus TV und DTV beim Schleuderball zu schaffen. «Ich denke, wir waren auf der Bahn wohl etwas unsicher», sagt TV-Oberturner Benjamin Thommen. Von einer Enttäuschung will er aber nicht sprechen. Denn «im Grossen und Ganzen und wenn ich die Resultate der anderen Vereine anschaue, sind wir schon zufrieden». Es entspricht auch der Philosophie, der sich Bennwil verpflichtet fühlt. «Wir haben uns selber keine grossen Ziele gesetzt. Jeder soll einfach sein Bestes geben. Dann schauen wir, was rauskommt. Es muss vor allem allen Spass machen. Ohne Spass geht es für uns nicht.»
Es ist mittlerweile halb eins. Das Bild auf dem Schachen ist nun ein ganz anderes. Zahlreiche Zuschauer haben den Weg auf das Gelände gefunden. Weiterhin sind Turnerinnen und Turner an der Vorbereitung oder bestreiten Wettkämpfe. Andere haben ihre Pflicht bereits erfüllt. Die Getränkewahl verschiebt sich entsprechend schon einmal vom Rivella zum Bier. Wieder andere gönnen sich ein Nickerchen oder ein Bad in der Aare.
Auch für den TSV Anwil neigt sich das Pflichtprogramm dem Ende entgegen. Um 13.30 Uhr wollte Kühni die Mitglieder um den Vereinswagen versammeln. Wenig überraschend ist er zur Besammlungszeit alleine. Viele wollten noch etwas essen, bevor sie sich auf den ebenfalls rund 20 Minuten beanspruchenden Rückweg zum Campingplatz machen. Doch mit der Zeit füllt sich der Wagen, der mit einer Neuerung aufwarten kann.
Generatoren sind dieses Jahr verboten. Damit die Anwiler trotzdem über Strom verfügen, «haben wir ein Solarpanel mit Akkus organisiert. Über diese beziehen wir unseren Strom», so Kühni. «Während wir am Turnen sind, lädt es. Am Abend, wenn wir anstossen wollen, haben wir Musik.» Sollte sich die Anlage bewähren, «würden wir es ab dem kommenden Jahr immer so machen». Das E-Mobilität-Experiment hat in Anwil offenbar seine Spuren hinterlassen.
Ende zweier Karrieren
Es ist 15 Uhr. Die Bennwiler Frauen und Männer haben wieder zusammengefunden. Thommen und Brigitte Brunner, die Oberturnerin des DTV, ziehen im Anschluss an den Fachtest Allround ein positives Zwischenfazit. «Wir können stolz darauf sein, was wir geleistet haben», unterstreicht Thommen. Noch können aber nicht alle abschalten. Nach 21 Uhr treten neun von ihnen bei der Gerätekombination an. «Wir gehen alle zum Nachtessen. Wir neun bestreiten den Wettkampf, die anderen kommen uns unterstützen», beschreibt Brunner den abschliessenden Programmteil.
Zu Ende gehen darüber hinaus zwei eindrückliche Karrieren. Über 30 Jahre ist Bettina Martino bereits Mitglied des DTV Bennwil. Aktuell ist sie dessen Präsidentin. Doch «jetzt, mit 45 Jahren, muss ich sagen, sollen die Jungen übernehmen», meint Martino. Ihr gleich tut es beim TV Bennwil der ein Jahr jüngere Heinz Thommen. Thommen wechselt zur Männerriege. Und um seiner Absicht noch mehr Ausdruckskraft zu verleihen, unterstreicht er sie mit einer deutlichen Geste: Den Hammer und die Nägel hatte er im Gepäck. Zwei Baumpfähle waren schnell gefunden. Die Nägel schlug er durch die Sohlen hindurch und hängte damit die Schuhe an den sprichwörtlichen Nagel. Ganz so rigoros verfuhr Martino nicht mit ihrem Laufwerk. Sie schlug zwar ebenfalls einen Nagel ein, band ihre Schuhe aber an den Schnürsenkeln dran. «Ich nehme sie nochmals mit, weil ich in einem anderen Verein Indiaca spiele.» Bei Thommen sieht die Sache anders aus. «Ich lasse sie sicher da», bestätigt er und lacht.