svr. Wenn in der zur Wettkampfarena umgewandelten Begegnungszone zwei Mannschaften ohne Nahkampf, dafür mit einem grossen Anspruch an spielerischer Wurf- und Sprintqualität vor grossem Publikum mit Eiern um die Wette rennen, dann ist Eierleset. Offenbar ein sportlicher Genuss, ...
svr. Wenn in der zur Wettkampfarena umgewandelten Begegnungszone zwei Mannschaften ohne Nahkampf, dafür mit einem grossen Anspruch an spielerischer Wurf- und Sprintqualität vor grossem Publikum mit Eiern um die Wette rennen, dann ist Eierleset. Offenbar ein sportlicher Genuss, sich auf dem anspruchsvollen Parcours mit einem weissen oder farbigen Ei in der Hand von einer anfeuernden Menschenmenge tragen zu lassen. Mit dem einzigen Ziel vor Augen, am Ende des konditionellen Kraftakts das ovale Lebensmittel mit Wurfpräzision und ruhiger Hand unfallfrei in die Spreuwanne zu befördern.
Die Turnvereine aus Sissach und Gelterkinden, die langjährigen Rivalen, zelebrierten den Brauch wie jedes Jahr am Sonntag mit sportlicher Inbrunst. Eine Tradition als Wettkampf mit einem Spagat zwischen aufwühlender Dynamik in den Laufwegen und gekonnter Kreativität in der Wurftechnik, die immer wieder die Massen jeglichen Alters anzieht – und dies bei jeder Witterung. In bunte Wettkampfkleider gehüllt zischten die Wettkämpfer an den Zuschauenden vorbei, um mit Geschick das Ei in Richtung Spreu fliegen zu lassen. Passierte ein Missgeschick und wurde das mitgeführte Ei fallen gelassen oder das Ziel verpasst, wurde man gegebenenfalls mit der verbalen Höflichkeit «Na, das war auch nicht das Gelbe vom Ei» überrascht. Spielarten wie «Blinde Kuh» oder das Schieben einer Karette mit menschlichem Inhalt führt beim Publikum immer wieder zu spontanen Lachsalven.
Kein glückliches Ende nimmt das kulturelle Happening einzig für den wichtigsten Teilnehmer des Wettkampfs, für das Ei. Manch ein Läufer geht etwas gar sorglos mit dem zerbrechlichen Gut um. Was wäre wohl, wenn die Rollen einmal vertauscht würden …? Das Ei muss sich nämlich in einer ihm feindlich gesinnten Umgebung völlig entblösst und hilflos der bitteren Realität stellen. Dabei scheint vergessen zu gehen, dass dieses Ei doch immerhin das Symbol der Fruchtbarkeit darstellt. Aber wer denkt in der Hektik des Duells noch daran?
Und jenen Eiern, die den Wettstreit heil überstehen, blüht mit grösster Wahrscheinlichkeit der Eiertätsch. Das Eierlesen vergibt nun mal keine Trostpreise und das Ei geht auch dieses Mal als Verlierer vom Platz …