CARTE BLANCHE
29.03.2019 LauwilVom Klimaschutzbatzen und Wohlstandsweggli
Thomas Mosimann, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Es herrscht Klimadiskussionshektik. Hintergrund ist die begründete Besorgnis darüber, was wir seit rund 150 Jahren am Weltklima anrichten. Aber ...
Vom Klimaschutzbatzen und Wohlstandsweggli
Thomas Mosimann, Gemeindepräsident Lauwil, parteilos
Es herrscht Klimadiskussionshektik. Hintergrund ist die begründete Besorgnis darüber, was wir seit rund 150 Jahren am Weltklima anrichten. Aber warum die Bewegung der Jugend und die dadurch befeuerte Debatte gerade jetzt? Es gibt keine neuen Fakten. Der Klimawandel ist längst wissenschaftlich erhärtet. Ein Grund für den Hype ist wohl die Eigendynamik solcher Prozesse. Ein weiterer das «Klima-Wahljahr», einige Parteien wittern Wählerstimmen. Der Hauptgrund liegt vermutlich tiefer. Die aufgeheizte Klimadebatte steht stellvertretend für ein latentes Unbehagen, dass sich in der Politik bei Zukunftsproblemen kaum etwas bewegt.
Wir waren bei der Begrenzung der Klimaerwärmung bisher nicht erfolgreich. Fortschritte (zum Beispiel bei der Gebäudetechnik) werden vom vielen Fliegen weggefressen. Es ist die typische «Batzen und Weggli»-Situation. Wir möchten im Prinzip etwas für den Klimaschutz tun, aber natürlich unseren Lebensstil nicht grundsätzlich ändern. Inkonsequenz, Widersprüche und gegenteiliges Verhalten reihum.
Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt beschliesst mit grosser Mehrheit den Bau des Ozeaniums und ruft ein paar Wochen später mit ebenso satter Mehrheit den «Klimanotstand» aus. Das Ozeanium ist aber das Gegenteil von Klimaschutz. Der CEO des Flughafens Zürich legt in seiner Präsentation das Bild von Greta Thunberg auf und äussert sich gleich anschliessend dezidiert gegen eine Flugverkehrsabgabe. Der Nationalrat bewilligt am Laufmeter neue Strassenbauprojekte. Ein Unternehmer karrt mit 18 Lastwagen für ein paar Tage einen ganzen Garten von Düsseldorf an eine Ausstellung in Zürich. Und so weiter.
Die Massnahmen zur Reduktion klimaschädlicher Gase sind im Wesentlichen bekannt. Ihre Umsetzung ist aber viel mühsamer und dauert viel länger, als die jeweiligen Protagonisten uns weismachen wollen. Global steigen die CO2-Emissionen weiter und werden noch lange nicht abnehmen, weil Milliarden von Menschen unser materielles Wohlstandsniveau ebenfalls erreichen möchten. Der Schaden ist also angerichtet und niemand kann genau sagen, wie weit sich die Erderwärmung in den nächsten 100 Jahren noch begrenzen lässt.
Eine raschere Reduktion der Treibhausgas-Emissionen bei uns ist nur mit Abstrichen beim Wohlstandsweggli zu machen (viel Geld investieren, Ressourcenverbrauch erheblich zurückfahren, weniger Fahren und Fliegen und so weiter). Massnahmen reichen leider nicht, das Verhalten müsste sich ändern. Das wird auf absehbare Zeit nicht passieren. Was tun? Ganz einfach wieder runterkühlen!
Akzeptieren, dass unser Einfluss aufs Weltklima so oder so minimal ist und wir uns deshalb auf die Folgen der Klimaerwärmung bei uns konzentrieren sollten. Trotzdem beim nächsten Entscheid den Klimaschutz nicht gleich wieder vergessen oder versuchen, die eigene Klientel von Massnahmen auszunehmen. Beharrlich an den kleinen Schritten zur Reduktion der Treibhausgase weiterarbeiten. Das macht Debatten-Ressourcen frei. Wir haben nämlich noch andere Umweltprobleme.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.