Die Nieuport 23C-1 hebt bald ab
21.02.2019 LangenbruckOskar Biders Lieblingsflugzeug vor dem letzten Schliff
Seit rund 20 Jahren bauen Kuno Schaub und Isidor von Arx an ihren originalgetreuen Jagdflugzeugen aus dem ersten Weltkrieg. Am 7. Juli, dem Todestag von Oskar Bider, wird das erste fertige Exemplar der Öffentlichkeit ...
Oskar Biders Lieblingsflugzeug vor dem letzten Schliff
Seit rund 20 Jahren bauen Kuno Schaub und Isidor von Arx an ihren originalgetreuen Jagdflugzeugen aus dem ersten Weltkrieg. Am 7. Juli, dem Todestag von Oskar Bider, wird das erste fertige Exemplar der Öffentlichkeit präsentiert.
Elmar Gächter
Am 7. Juli wird den Flugplatz Dübendorf ein Hauch Schweizer Fliegereigeschichte umwehen. Hundert Jahre wird es dann her sein, dass Langenbrucks grosser Sohn Oskar Bider hier zu seinem letzten Flug gestartet ist. Bis heute ist ungeklärt, was zu seinem tödlichen Absturz geführt hat. Legende ist er längst, und eines sicher: Er würde sich grenzenlos freuen, an diesem Event mit dabei zu sein. Zum Gedenken an den Flugpionier wird ein Nachbau von Biders Liblingsmaschine, eine Nieuport 23C-1, ihren Jungfernflug absolvieren.
Die stolze Maschine mit einer Spannweite von rund 8 Metern und einem 1200 PS starken Umlaufmotor war das erste Jagdflugzeug der Schweizer Armee. 20 Jahre lang haben Aviatik-Begeisterte ihre Freizeit eingesetzt, um das Flugzeug bis in die kleinsten Details originalgetreu nachzubauen.
Kuno Schaub, Geigenbauer aus Neuendorf mit Wurzeln im Oberbaselbiet, und sein Kompagnon Isidor von Arx, IT-Fachmann aus Egerkingen, sind seit ihrer Jugend vom Fliegervirus infiziert. Während Schaub das Kunstfliegen schon vor längerer Zeit aufgegeben hat, ist von Arx nach wie vor einer der besten Kunstflugpiloten unseres Landes, gekrönt mit mehreren nationalen Titeln in der Königsklasse.
Kompetenzzentrum
Zusammen mit dem vor sieben Jahren verstorbenen Geri Mäder haben sich Schaub und von Arx vor bald 20 Jahren mit dem Anspruch aufgemacht, einer der schönsten, elegantesten und stärksten Flugmaschinen aus der Pionierzeit von A bis Z in weitgehender Eigenarbeit zu einem Revival zu verhelfen.
Die Originalpläne der Nieuport liessen sich im Deutschen Technischen Museum in München finden. Gepaart mit dem eigenen Knowhow ging es an das ambitiöse Werk. «Eine der grössten Herausforderungen war es, Handwerker zu finden, die in das alte Zeitbild passten. Es waren ja damals die gleichen Leute, die auch die ersten Holzkarosserien für Autos gebaut haben», erklärt Kuno Schaub. Gefragt waren Schmiede, Schlosser und vor allem Wagner.
Als nicht weniger schwierig erwiesen sich die Materialdeklarierungen, deren Normen seit 1917 mehrfach änderten. So habe man über die ETH Zürich und ältere Ingenieure Übersetzungen der alten Bezeichnungen ausfindig machen müssen. Dies habe anfangs sehr viel Zeit gekostet und sei in diesem Umfang nicht erwartet worden. «In der Zwischenzeit sind wir jedoch zu einem eigentlichen Nieuport-Wissenszentrum geworden; sogar Leute aus dem Bundesamt für Zivilluftfahrt holen sich bei uns das Wissen für andere Projekte», sagt Schaub nicht ohne Stolz.
Für beide Pioniere war von Anfang an klar, dass ihr Nachbau bis ins kleinste Detail dem Original entsprechen muss. «Da machen wir keine Kompromisse oder höchstens, um eine höhere Qualität zu erzielen», meint Schaub. So hätten sie sich entschieden, anstelle von normalem Eisen oder Stahl mit Chrom-Molybdän-Stahl zu arbeiten, weil es von der Festigkeit her das bessere Material sei. Es erstaunt auch nicht, dass sich die beiden selbst bei den Schrauben keine Abweichung zugestehen. Ein Dilemma, denn die benötigten alten Schlitzschrauben werden schon längst nicht mehr hergestellt. «Wir halten einfach unsere Augen offen, wenn Schreiner ihre Lager ausmisten. Wir könnten diese Teile auch nachmachen lassen, aber dies käme teuer zu stehen», so Schaub.
Motor aus Velodepot in Rom
Etwas weniger Mühe bereiteten ihnen die Motoren. Mehr oder weniger alle Flugzeuge, die im ersten Weltkrieg im Einsatz standen, flogen mit dem Triebwerk der französischen Firma Le Rhône oder Kopien davon. Und tatsächlich wurden die Enthusiasten an verschiedenen Orten fündig. Gleich vier Exemplare standen schliesslich in ihrer Werkstatt, wovon eines in einem Velodepot in Rom erspäht wurde und ein anderes im Umtausch gegen einen Kriegsbomber-Motor aus dem Zweiten Weltkrieg erstanden werden konnte.
Drei Nieuports lassen Schaub und von Arx auferstehen. Für jeden Erbauer ein Stück, eines davon zu Ehren ihres verstorbenen Kollegen Geri Mäder. Rund 3000 Stunden pro Flugzeug investieren die beiden Enthusiasten in ihr einmaliges Projekt. Nieuport Nummer 1 ist in der Endmontage, die Nummern 2 und 3 sind zu 70 Prozent erstellt. «Da wir beide voll berufstätig sind, brauchen wir relativ viel Zeit bis zu unserem Ziel. Aber wir probieren, einerseits fleissig zu sein, andererseits die Präzision zu halten, die wir uns vorgenommen haben», hält Schaub fest.
Glücksgefühle in der Werkstatt
Beide sind nach wie vor begeistert von ihrem Hobby und lassen sich vor allem von den Zwischenzielen motivieren. «Würden wir jeden Tag an das Endprodukt denken, wäre dies total falsch», meint Schaub. Er deutet auf einen Berg von Kleinteilen, die auf das Umformen, Schweissen und Bohren warten. «Wenn diese dann zu Einzelstücken zusammengebaut sind und an den Flieger montiert werden können, löst dies richtige Glücksgefühle aus.» Er räumt auch mit der irrigen Meinung auf, das Hobby verschlinge Unsummen. Rechne man das Material ohne Motor, so koste es jährlich nicht mehr als rund 1200 Franken.
Droht Kuno Schaub nach Abschluss des langjährigen Projekts nicht in ein Loch zu fallen? «Die Leere kommt erst, wenn ich gestorben bin», scherzt er. «Um all die Sachen zu realisieren, die mir vorschweben, müsste ich 300-jährig werden.» Bereits schwärmt er vom Nachbau des ersten Segelfliegers, den es in der Schweiz gegeben hat. Aber fliegen, nein fliegen will er nicht mehr. Dies überlässt er seinem Partner Isidor von Arx.
Vorerst gilt es für die beiden, sich auf den 7. Juli dieses Jahres zu fokussieren, wenn das erste Exemplar der nachgebauten Nieuport 23C-1 in Dübendorf vorgestellt und getauft wird. Verraten will Schaub den Namen noch nicht, lässt aber immerhin durchblicken, dass «Langenbruck» durchaus eine Option sein könnte. Auch bleibt offen, ob die Maschine am hundertsten Todestag Oskar Biders abheben wird. Für die beiden Bidermänner, wie sie die «Schweizer Illustrierte» unlängst bezeichnete, ist dies auch nicht entscheidend. Viel wichtiger ist ihnen, mit ihrem Lebenswerk eine Hommage an Oskar Bider geschaffen zu haben.
Am Samstag, 6. Juli 2019, findet ab 10 Uhr in Langenbruck eine Gedenkfeier zum 100. Todestag von Oskar Bider und seiner Schwester Leny statt. Am 7. Juli wird auf dem Militärflugplatz Dübendorf ebenfalls der Geschwister gedacht. Gleichzeitig wird der Nieuport-Nachbau präsentiert. www.nieuport.ch