Gemeinderat gewinnt Duell
13.12.2018 TittertenChristian Horisberger
«War das gelebte, direkte Demokratie oder nicht?», sagte ein Besucher nach einem dreieinhalbstündigen Versammlungsmarathon im proppenvollen Titterter Gemeindesaal voller Stolz. Und ob sie das war. Und darüber hinaus ein Drama mit einem packenden ...
Christian Horisberger
«War das gelebte, direkte Demokratie oder nicht?», sagte ein Besucher nach einem dreieinhalbstündigen Versammlungsmarathon im proppenvollen Titterter Gemeindesaal voller Stolz. Und ob sie das war. Und darüber hinaus ein Drama mit einem packenden Showdown.
In der Gemeindeversammlung vom Dienstagabend zeigte sich, wer in einer echten Demokratie das Sagen hat. Das Volk. Der Gemeinderat konnte ein Geschäft noch so sorgfältig ausgearbeitet haben, einen Kredit noch so klar begründen – es fand sich immer jemand, der entweder eine bessere Idee zu haben glaubte, oder dem das Projekt einfach zu teuer oder nicht geheuer war. «Im Zweifel Rückweisungsantrag» – so schien die Lösung zu lauten.
Das ging so weit, dass im Hauptgeschäft, einem Leitungsbau zur Sicherung der Titterter Trinkwasserversorgung, der Rückweisungsantrag gestellt wurde, ehe der Gemeinderat sein Geschäft überhaupt vorstellen konnte. In dem Fall verlangte Beat Schweizer die Rückweisung. Schweizer hatte dem Wasserversorgungsprojekt des Gemeinderats eine Alternative gegenübergestellt.
Der Gemeinderat schlug vor, eine 555 Meter lange Leitung zum Reservoir von Liedertswil zu legen, das mit Wasser des Verbunds Reigoldswil-Ziefen gespeist wird. Die Vorarbeiten dafür seien bereits 1987 geleistet worden. Mit der neuen Leitung habe man neben der eigenen Goldbrunnenquelle eine zweite unabhängige Wasserversorgung bei ausserordentlicher Trockenheit oder einer Havarie wie dem Felssturz vom November 2017, der die Leitung zwischen der Goldbrunnenquelle und dem Titterter Reservoir Egg kappte.
Konfusion total
Beat Schweizer dagegen schlug vor, an der Stelle, wo sich die Wasserleitung Reigoldswil-Liedertswil und die Leitung Goldbrunnenquelle-Reservoir Egg kreuzen, diese mit einer sogenannten Übergabestation zu verbinden. Er denke, dass seine Lösung günstiger sei als das Projekt der Gemeinde: 400 000 Franken – ohne Gewähr allerdings.
Nach einiger Konfusion darüber, ob erst über den Rückweisungsantrag abgestimmt werden muss oder ob der Gemeinderat nun mit seinem Projekt an der Reihe ist – Gemeindepräsident Heinrich Schweizer hinterliess dabei keinen souveränen Eindruck – obsiegte der gesunde Menschenverstand: Planer Martin Nideröst stellte das Projekt des Gemeinderats vor. Der Wasserpreis wird durch die Investition von 2.10 auf 2.80 Franken pro Kubik erhöht.
Die aus der Versammlung geäusserten Bedenken am Projekt des Gemeinderats waren diffus. Ein Kritiker vermisste eine «Gesamtschau», ein anderer hielt ein flammendes Plädoyer für die Goldbrunnenquelle, die seit 116 Jahren für Titterten sprudle. Das, obwohl nicht zur Debatte stand, jene Quelle stillzulegen.
Ein Votant bilanzierte: «Wir haben die Wahl zwischen einem schlüsselfertigen Projekt von Fachleuten und einer teuren Planung für ein neues Projekt mit offenem Ausgang.» Auf ein Experiment wollte sich die Mehrheit dann doch nicht einlassen: Der Rückweisungsantrag wurde mit 42 zu 28 Stimmen abgelehnt, das Projekt des Gemeinderats mit 46 zu 22 Stimmen gutgeheissen.
Im Fall eines Investitionskredits für die Renovation der Küche beim Gemeindesaal konnte der Gemeinderat die Stimmbürger nicht auf seine Seite bringen. 70 000 Franken waren der Mehrheit zu viel Geld. «Wir brauchen im Gemeindehaus doch keine professionelle Restaurant-Küche», hiess es. Da half auch der Hinweis nicht, dass die Küche heute viel stärker genutzt werde, als beim Bau vor 23 Jahren vorgesehen war und die Einrichtung unpraktisch sei. Der Betrag wurde mit 37 gegen 33 Stimmen aus dem Budget gestrichen. Der Gemeinderat muss nun eine günstigere Variante ausarbeiten.
Hundesteuer und Kirchenglocken
Mit dieser Anpassung hiessen die Stimmbürger das Budget mit Ausgaben von 2,1 Millionen Franken und einem minimalen Plus von 18 000 Franken gut. Der Steuerfuss bleibt bei 65 Prozent. Auch die weiteren Steuern und Gebühren bleiben unangetastet. Ausnahme: die Hundesteuer. Die wird als Reaktion auf den übervollen Hundefonds auf 65 Franken für den ersten und 75 Franken für jeden weiteren Hund pro Haushalt halbiert.
Die Kirchenglocken werden künftig um sieben Uhr morgens den Tag einläuten. Ein Antrag aus der Bevölkerung, wonach die Glocken erst um 7.55 Uhr hätten läuten dürfen, wurde entsprechend korrigiert. Nicht eingetreten ist die Versammlung auf einen Antrag, eine Kommission «5G-Technologie» einzusetzen. Der Gemeinderat wolle Hand bieten für Informationsveranstaltungen zum Thema, sagte der Gemeindepräsident, eine Kommission aber sei nicht angebracht.
Zu Beginn der Versammlung hatte Schweizer orientiert, dass Gemeinderat Thomas Moor am 4. Dezember mit sofortiger Wirkung zurückgetreten sei und deshalb bereits nicht mehr an der Versammlung teilnehme. Der Gemeinderat und Moor würden den Entscheid bedauern. Eine Begründung lieferte Schweizer nicht. Man werde in naher Zukunft orientieren, erklärte er auf Nachfrage. Moor war erst im August 2017 in den Gemeinderat gewählt worden.