«Ich könnte nicht ohne den FCB sein»
29.12.2018 RickenbachLegende Karl Odermatt (76) amtet seit 2017 als Verwaltungsrat beim FC Basel 1893
Er war beim FC Basel der grosse Spielmacher der Ära Benthaus, er machte den Verein als Repräsentant in schwierigen Zeiten wieder salonfähig und ist heute als Verwaltungsrat im obersten ...
Legende Karl Odermatt (76) amtet seit 2017 als Verwaltungsrat beim FC Basel 1893
Er war beim FC Basel der grosse Spielmacher der Ära Benthaus, er machte den Verein als Repräsentant in schwierigen Zeiten wieder salonfähig und ist heute als Verwaltungsrat im obersten Führungsgremium vertreten. Karl Odermatt und sein Leben mit dem 125-jährigen FC Basel.
Daniel Schaub
«Volksstimme»: Herr Odermatt, der FC Basel 1893 feierte in diesem Jahr sein 125-Jahr-Jubiläum – Sie haben einen erheblichen Teil der Vereinsgeschichte mitgeprägt. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu diesem Klub beschreiben?
Karl Odermatt: Ich durfte rund 50 Jahre – mit einem kleinen Abstecher nach Bern – in diesem Klub in verschiedenen Rollen mitspielen. Dieses Jubiläum bildet einen Abschnitt, es ist etwas Spezielles. Es ist eine Wahnsinnsgeschichte, zu der ich einiges beitragen konnte. Es gab Höhen und Tiefen, aber jeder Sportler weiss, dass man nicht immer nur gewinnen kann.
Ist es Zufall, dass der FC Basel ausgerechnet in seinen Jubiläumsjahren 1968, 1993 und 2018 nicht so erfolgreich war, wie er sich das wünschte?
Die Jahre liegen so weit auseinander; das ist unabhängig voneinander und deshalb schwer definierbar. Aber eines ist sicher: Es gibt immer Epochen, die beginnen und die enden. Wir sind momentan in der Situation eines Neuanfangs. Das ist nach einer Titelserie von acht Meisterschaften nicht einfach, es ist ein Umbruch. Was mich stört: Wir sind immer noch Zweiter, doch man spricht über uns, als wären wir Absteiger. Da stimmt einfach die Relation nicht. Klar, wir liegen 19 Punkte hinter YB, aber dieses Team ist so stark, das müssen wir einfach neidlos anerkennen.
Mit der Übernahme des Präsidiums durch Bernhard Burgener im Sommer 2007 haben Sie eine neue Rolle beim FCB übernommen. Was veränderte die erhöhte Verantwortung als Verwaltungsrat in Ihrem Alltag?
Herr Burgener kam eines Tages zu mir und fragte mich, ob wir den FCB übernehmen wollen. Da sagte ich: «Bist du verrückt oder wahnsinnig?» Er ist seit 30 Jahren einer meiner besten Freunde. Wir haben dann unsere Pläne gemacht und er sagte: «Wir ziehen das jetzt durch.» Das fand ich toll, denn es war nicht einfach, eine schweizerisch-baslerische Lösung zu finden. Es hätte auch passieren können, dass jemand Auswärtiges kommt und den FCB übernimmt. Bernhard Burgener hat das verhindert, indem er sagte: «Wir machen das.»
Mit der Übernahme hat vieles geändert. Neue Köpfe, neue Ideen, eine neue Philosophie. Was sind die Schwierigkeiten am Anfang einer solchen neuen Epoche?
Wir wollten mehr mit eigenen, mit jungen Spielern arbeiten. Das ist nicht einfach, es braucht seine Zeit, und diese Zeit hat man leider nicht. Alle wollen, dass wir Meister machen, etwas anderes zählt nicht. Wir sind auf dem Weg, das ins Lot zu bringen. Intern haben wir keine Schwierigkeiten, wie es kolportiert wird. Wir wissen, was fehlt, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir in der Vorrunde neun verletzte Spieler hatten, darunter fast die ganze Verteidigung, den Torhüter. Es ist normal, dass dann im Mannschaftsgefüge nicht alle Rädchen ineinandergreifen können.
Wie geht man mit der öffentlichen Kritik um, die in den vergangenen Monaten doch recht stark war?
Wir sind überzeugt von unserem Weg und ziehen ihn durch. Logischerweise müssen wir auch wirtschaftlich das Gleichgewicht halten. Ohne die Champions League fehlen uns 30 Millionen Franken, und wenn wir diese Bühne nicht haben, können wir die ganz guten Spieler nicht verkaufen. Das Rad dreht sich. Wir sind vorsichtig, wir wollen den Verein nicht durch spekulative Handlungen gefährden.
Sie arbeiteten viele Jahre im Marketing des Klubs. Wie muss man sich Ihre neue Rolle vorstellen?
Ich bin noch heute im Marketing tätig. Vor Weihnachten besuchte ich 17 Kunden, ich redete mit ihnen. Es ist ja nicht gerade so, dass sie uns im Moment um den Hals fallen. Es werden auch Fragen gestellt, die nicht so angenehm sind. Aber da mussten wir durch und es wurde auch sehr geschätzt. In der Führungsrolle im Verwaltungsrat geht es darum, den Weg mitzubestimmen. Aber das ist kein Weg von heute auf morgen, sondern es ist ein Aufbau. Das Konzept wird Schritt für Schritt umgesetzt. Das geht nicht einfach nur «tätsch».
YB hat im Schweizer Fussball vom FCB die Führungsrolle übernommen. Wie sehen Sie das, der ja zum Ende seiner Karriere noch vier Jahre für die Berner gespielt hatte?
YB ist eine Mannschaft, die zusammenwachsen konnte, über drei, vier Jahre. Sie konnte sich kontinuierlich verbessern, weil auch kaum ein Spieler weggekauft wurde. Das war bei uns komplett anders. Doch jetzt fängt das bei YB auch an. Die Begehrlichkeiten der Spieler wachsen, das ist der normale Zyklus. Es gab ja schon Abgänge und die müssen ersetzt werden. 19 Punkte sind kaum aufholbar, aber wir haben ein Kader, das unbedingt Zweiter werden kann. Und ich sage, dass wir in einiger Zeit wieder ausgeglichen sein werden. Aber es ist wichtig, dass wir diese Zeit auch bekommen.
Wie hat die Beziehung zwischen Ihnen und Bernhard Burgener begonnen?
Er wuchs im Lehenmattquartier auf, und als wir im «Joggeli» Tore schossen, hallte der Jubel bis dorthin. Später besuchte er die Spiele. Als ich ihn durch einen Freund kennenlernte und ich keine Stelle hatte, gab er mir eine Chance. Ich arbeitete zunächst kaufmännisch in seiner Firma, dann über ihn für den FC Basel, der damals in die NLB abstieg und sehr wenig Geld hatte. Da begann meine Marketingtätigkeit für den FCB. Burgener sagte damals zu mir: «Du gehörst zum FCB.» Was viele nicht wissen: Er setzte sich damals, als der FCB nahe am Abgrund stand, dafür ein, dass der Verein überhaupt existieren konnte.
Was haben Sie sich gegenseitig zu verdanken?
Ich habe ihm sehr viel zu verdanken. Es war sehr wichtig, dass ich damals bei ihm eine Stelle erhielt. Heute sind wir so gute Freunde, dass er fast alle zwei, drei Wochen zu mir zum Essen kommt, wenn ich koche. Ich konnte viel von ihm profitieren, aber er würde dasselbe von mir sagen. Er sagt, wir seien ein Team und das ist auch sein Grundsatz beim FCB.
Sein Führungsstil wurde zuletzt auch kritisiert; seine persönliche Präsenz sei zu gering, hiess es etwa …
Aber er hat ja seine Leute. Er muss im operativen Geschäft nicht täglich da sein. Wir sind sehr gut aufgestellt. Jeder kann jederzeit mit ihm reden.
Welches Gewicht hat Ihr Wort?
Ich stehe täglich mit Bernhard Burgener im Austausch, aber es geht dort um die Gesamtsituation, um die Führung, um Entscheidungen, was zu tun ist, dass es noch besser geht.
Sie wurden kürzlich 76 – scheinen aber noch immer voller Kraft und Energie. Wie geht das?
Ich bin glücklich, dass mir der liebe Gott den Verstand erhalten hat. Ich habe Freunde wie Fritz Künzli oder auch Köbi Kuhn, denen es nicht so gut geht. Die Kraft hole ich mir zu Hause, bei meiner lieben Frau, sie schaut Tag und Nacht zu mir und zu meinen zwei Buben. Ich habe auch noch zwei Töchter. Wir haben ein gutes Verhältnis, das gibt mir Kraft. Ich stehe täglich um 6 Uhr auf, sehe, wie die Burschen zur Arbeit gehen. Ich fühle mich fit, brauche nicht mehr als sechs Stunden Schlaf und solange ich körperlich und geistig fit bin, setze ich mich jeden Tag für den FCB ein. Es ist mein Herzensklub und ich könnte nicht mehr ohne den FCB sein.
Und umgekehrt wohl auch nicht. Sie kennt noch immer jedes Kind, obwohl Ihr letztes Spiel schon über 40 Jahre zurückliegt …
Ich spielte zuletzt im «Fauteuil» in einem Märchen für Erwachsene mit. Im «Rumpelstilzchen» gibt es den Koch Purzel, der immer schläft. Und statt wie vermutet er, komme dann ich aus dem Ofen und rufe «Sali zämme». Es gab ein riesiges Geschrei, die Leute klatschten und sangen «Karli, non e Gool», so lange, dass ich kaum mehr dazu kam, meinen weiteren Text zu sprechen. Da sagte mir Theaterleiterin Caroline Rasser, sie kenne keinen Sportler in der Schweiz, der so publikumsnahe sei wie ich. Es gab Ferdy Kübler, Federer ist auch so einer, der steht über allem. Kürzlich war ich in Dornach, als eine Schulklasse vorbeiging, etwa Zwölfjährige. Da ruft einer: «Dort ist der Karli!», und alle kamen angerannt und ich gab ihnen Autogrammkarten. Die Lehrerin fragte sich, wie das möglich ist. Ich habe mich nie als etwas Besseres gefühlt, weil ich beim FCB bin. Ich bin immer mich geblieben und verbringe fast mein ganzes Leben beim FCB.
Sie wohnen seit 20 Jahren in Rickenbach. Was bedeutet Ihr Zuhause für Sie?
Ich bin den ganzen Tag in Basel. Am Abend bin ich froh, rauszukommen aus der Stadt. Das hier ist wie eine Wohlfühloase. Ich geniesse es, mit meiner Frau etwas zu essen, ein Glas Wein zu trinken und über Alltägliches zu reden.
Sie kochen gerne auch selbst. Was sind Ihre Spezialitäten?
Ich mache das beste Risotto, aber das behauptet ja jeder, der kocht. Ich mache speziell Kalbshaxen, Braten, aber auch andere feine Sachen.
Wie verankert sind Sie im Dorf?
Ich war eine Zeit lang im Schulrat, und immer an den Sitzungen. Ich redete auch an Jungbürgeraufnahmen. Ich war in der Gemeinde involviert und natürlich bin ich auch Steuerzahler.
Wie lebt es sich als «Stadtkind» auf dem Land?
Ich liebe die Berge, ich liebe das Land. Meine Frau kommt ursprünglich von einem Bauernhof. Die Geschwister sind gestorben, jetzt müssen wir schauen, was mit dem Hof passiert.
Aber Sie werden nun nicht noch Bauer?
Nein, nein. Ich bin Basler und arbeite für den FCB. Da müsste sie sich einen anderen suchen …
Der Spielmacher
das. Karl Odermatt (76) machte für den FC Basel 1893 zwischen 1962 und 1975 total 411 Spiele und 123 Tore. Der Spielmacher mit dem guten Auge und dem scharfen Schuss prägte die grosse Erfolgsära von Trainer Helmut Benthaus, wurde fünfmal Meister und dreimal Cup-Sieger und machte auch 50 Spiele für das Schweizer Nationalteam. Zudem spielte er einmal zusammen mit Cruyf, Beckenbauer, Eusebio, Netzer und anderen für die Weltauswahl in Barcelona. Ab 1975 spielte er vier Jahre für YB und wurde noch einmal Cup-Sieger. Nach seiner Karriere versuchte sich Odermatt in vielen Branchen, ehe er über seinen Freund Bernhard Burgener zum FC Basel 1893 zurückfand. Dort arbeitet er seit Jahren in der Marketingabteilung und ist seit 2017 auch Verwaltungsrat des Klubs. Mit seiner zweiten Frau wohnt er in Rickenbach.