«Es geht im Buch nicht nur um den Anlass»
25.10.2018 SissachFür Herausgeber Heiner Oberer sind das Metzgen und das Schwein wichtiger als der Medienrummel
Der Sissacher Heiner Oberer hat nicht nur wesentliche Teile des Buchs «Ausgeschlachtet» verfasst. Als Mitherausgeber konzipierte er das 240 Seiten umfassende Werk. Im Interview ...
Für Herausgeber Heiner Oberer sind das Metzgen und das Schwein wichtiger als der Medienrummel
Der Sissacher Heiner Oberer hat nicht nur wesentliche Teile des Buchs «Ausgeschlachtet» verfasst. Als Mitherausgeber konzipierte er das 240 Seiten umfassende Werk. Im Interview mit der «Volksstimme» spricht er von einem ausgewogenen Rückblick.
Jürg Gohl
Gemeinsam mit Jörg Rieder und Bobby Bösiger fasst der frühere «Volksstimme»-Mitarbeiter, Koch und gelernte Metzger Heiner Oberer die ein Jahr zurückliegende Metzgete auf 240 Seiten zusammen – wenn man da noch von einer Zusamenfassung reden kann. Im Gespräch geht er auf die Ziele und Hintergründe von «Ausgeschlachtet» ein.
«Volksstimme»: Herr Oberer, die Metzgete vor einem Jahr hat einen riesigen Wirbel in der Presse ausgelöst, sogar im Ausland. Löste dies den Entschluss aus, der Metzgete nachträglich ein Buch zu widmen?
Heiner Oberer: Der Wirbel überraschte uns schon. Dass eine gewöhnliche Metzgete europaweit diesen Wirbel auslösen kann, veranlasste uns zum Nachdenken, weil etwas, das früher alltäglich war, so aufgebauscht wurde. Man unternimmt etwas scheinbar ganz Normales, und dann folgt dieser Aufruhr. Das hängt gewiss mit den sozialen Medien zusammen. Ich betrachte es als Sittengemälde unserer Zeit. Noch vor wenigen Jahren wäre vielleicht eine Lokalzeitung erschienen und hätte links unten über den Anlass berichtet. Darauf hätte es vielleicht einen Leserbrief gegeben. Nun hagelte es 500, 600 Kommentare in den Foren.
Betrachtet man das Buch, so fällt auf, dass der ganze Medienrummel schwergewichtig thematisiert ist. Aber letztlich handelt es sich um ein Sachbuch zum Themenkreis Metzgen, Schwein und Fleischkonsum. Haben Sie das bewusst so gewichtet?
Mit dem Anlass wollten wir den Zuschauern möglichst real zeigen, wie auf einem Bauernhof ein Schwein geschlachtet wird. Es ging uns um Aufklärung, aber sicher nicht um PR für Metzgereien. An jenem Tag konnte vieles bei den Erläuterungen nur angedeutet werden. Dieses Material wurde nun in einem Buch ausführlich festgehalten. Wir bemühten uns, in «Ausgeschlachtet» möglichst alle Aspekte durch kompetente Autoren abzudecken. So beschreibt zum Beispiel der Liestaler Ethnologe Dominik Wunderlin in aller Ausführlichkeit die Geschichte des Metzgens. Klar, ohne die Metzgete hätte es das Buch nicht gegeben. Aber es geht darin längst nicht nur um diesen Anlass. Es ist auch für alle freiwilligen Mitarbeitenden interessant, dank des Buchs zu beobachten, wie etwas ganz Kommunes plötzlich aus dem Ruder laufen kann.
Kommen die Gegner der Metzgete denn auch zu Wort?
Natürlich. Den beiden prominentesten von ihnen, Pfarrer Lukas Baumann und Beatrice Pfister, hatten wir angeboten, ihre Sicht darzulegen. Sie waren damals gegen die Metzgete und sind nun auch gegen das Buchprojekt an sich. Sie verzichteten auf einen Beitrag. Gleichwohl wurden sie von Autoren porträtiert. Bereits als wir das Buch konzipierten, entschieden wir, den Gegnern gebührend Platz einzuräumen. Zudem legt Tierethiker Thomas Gröbly, ein Kritiker des Metzgens, in einem ausführlichen Interview seine Sicht der Dinge dar. Wir wollten die Diskussion über die Metzgete von einer emotionalen auf eine sachliche Ebene führen. Deshalb erhalten auch die Gegner ihren Auftritt. Natürlich kommt unter dem Strich mehr Pro als Kontra zu Wort. Das liegt aber auf der Hand, weil es sich schliesslich um ein Sachbuch zum Metzgen und zum Schwein handelt.
Was man an Ihrem Auftritt vor bald einem Jahr kritisieren könnte: Es war mit den alten Metzger-Werkzeugen etwas gar nostalgisch. Einverstanden?
Irgenwo im Buch sagt tatsächlich jemand, ihm sei das öffentliche Metzgen wie ein Workshop mit einem Hauch Ballenberg vorgekommen. Das wollen wir nicht abstreiten. Wir bildeten an jenem Samstag nicht die Alltagsrealität in einem Schlachthof ab. Es ging uns eigentlich mehr darum, zu zeigen, wie bei diesem Thema alles in einem Zusammehang steht. Im Buch haben wir das auf 240 Seiten verdichtet. Aber natürlich wollen wir auch nochmals aufzeigen, was wir alles ungewollt ausgelöst haben. So hat zum Beispiel Metzger Rolf Häring Morddrohungen erhalten. Wir erhielten üble Mails. Das zeigen wir auch.
Mails und Morddrohung: Hatten Sie erwartet, dermassen angefeindet zu werden?
Beim Kanton hat man uns im Vorfeld gewarnt, dass auf uns zwei grosse Probleme zukommen werden, nämlich die Hygiene und die Tierschützer. Das erste sei zu bewältigen, das zweite sei unberechenbar. Zugegebenermassen erschraken wir gleichwohl. Doch es ist auch ein Zeichen der Zeit. Es gilt: Die Empörten, die Lautesten und die Scheibeneinschmeisser erhalten Gehör.
Um eine Frage kommen wir natürlich nicht herum: Ein Jahr nach der Metzgete erscheint das Buch. Planen Sie, den Anlass in einem Jahr samt dem abendlichen Essen zu wiederholen?
Nein. Natürlich werden wir immer wieder darauf angesprochen. Viele fordern uns auf, zumindest das Wurstmahl, an dem damals doch 200 Personen teilgenommen haben, zu wiederholen. Doch da möchte ich auf zwei Dinge hinweisen: Der Samstag damals war für alle Beteiligten ein riesiger «Chrampf», vor allem für Metzger Rolf Häring. Er stand von fünf Uhr am Morgen bis spät in die Nacht im Einstz und hetzte von Schauplatz zu Schauplatz, um Hand anzulegen. Zweitens sind für den kulinarischen Teil einer Metzgete die Restaurants zuständig. Hinter diesem Anlass steckt viel Arbeit und viel Organisation. Wir haben jetzt ausgeschlachtet. Die Metzgete soll einmalig bleiben.