Der Meister war ihm gut gewogen
26.10.2018 AnwilMax Weitnauer präsentiert am Sonntag erneut einen Gedichtband, Charles Brauer liest daraus vor
Der Oberbaselbieter Max Weitnauer lässt sich auch mit 88 nicht davon abhalten, einen neuen Gedichtband vorzulegen. Seine Verse sind noch immer von beachtenswerter Qualität. Am ...
Max Weitnauer präsentiert am Sonntag erneut einen Gedichtband, Charles Brauer liest daraus vor
Der Oberbaselbieter Max Weitnauer lässt sich auch mit 88 nicht davon abhalten, einen neuen Gedichtband vorzulegen. Seine Verse sind noch immer von beachtenswerter Qualität. Am Sonntag erfolgt in Anwil die Vernissage. Kein Geringerer als Charles Brauer ist der Vorleser.
Jürg Gohl
Das Alter hat auch seine Pflicht: Denn Alter schützt vor Torheit nicht.
Die Handschrift auf der Karte, die er seinem Büchlein beilegt, wirkt immer eine Spur zittriger. Pflegte er es bis vor Kurzem, sein neues Werk persönlich in der Redaktionsstube vorbeizubringen und den Besuch mit einem kurzen Schwatz und mit einem Abstecher in Oltingen, dem Ort seiner jüngeren Jahre, zu verbinden, so trifft sein Werk jetzt mit der Post ein, angekündigt in einem freundlich-freudigen Telefongespräch. Wer mag es dem hageren, gross gewachsene Max Weitnauer mit seiner grauen Künstlermähne verdenken, dass er den weiten Weg von seiner Wahlheimat im Kanton Tessin mit inzwischen 88 Lebensjahren nicht mehr zu oft auf sich nehmen mag?
Am Sonntag wird der frühere Bankfachmann, der seit Jahren in Lugano wohnt und erst nach seiner Pensionierung zu schreiben und zu dichten begonnen hat, diesen Weg in seine Heimat im obersten Baselbiet gerne auf sich nehmen. Übermorgen stellt er in der alten Schule in Anwil – ein Jahr nach der «Maurerkelle» – seinen jüngsten Band vor. Dass sich sogar der renommierte Vorleser Charles Brauer aus Böckten dafür gewinnen liess, dem Publikum aus Weitnauers neustem Werk vorzulesen, darf durchaus auch als Kompliment an Weitnauers Schaffen interpretiert werden. Mögen seine Schritte auch kürzer werden, so überzeugen, nein, überraschen die Gedichte des Heimweh-Oberbaselbieters handwerklich wie inhaltlich erneut. Es handelt sich 25 Jahre nach «Ein Blumenstrauss», seinem ersten Gedichtband, um die achte Sammlung lyrischen Schaffens.
Trugen die vergangenen fünf Gedichtbände stets ein handwerkliches Arbeitsinstrument als Titel wie vor einem Jahr «die Maurerkelle», so ist diese neuste Sammlung mit «Weisheit, Stärke, Schönheit» überschrieben. So lautet zugleich auch der Titel eines der insgesamt 90 Gedichte, die praktisch alle zwischen zehn und zwanzig Zeilen lang sind. Darin dichtet er: Weisheit, Stärke, Schönheit walten, ehrsam unser Sein gestalten.»
Manchmal sind die Verse humorvoll, manchmal muten sie sehr philosophisch an. So hält der Leser bei Zeilen inne, die er gut einem Wilhelm Busch oder Erich Kästner zuordnen würde. Zum Beispiel beim «Der Pfarrer»:
Leider ist so mancher Pfarrer kläglich Herrgotts Trittbrettfahrer.
Doch daneben gibt es auch den ernsten, philosophischen, lebenserfahrenen Max Weitnauer, wenn er etwa in «Meine Spuren» auf sein Leben zurückblickt:
Denk ich zurück, sind meine Spuren statt lupenrein begrenzt durchzogen. Mein Leben hatte eigne Uhren, Der Meister war mir gut gewogen.