Heute wäre eine Darstellung zur Zukunft der Sammlung des Sportmuseums Schweiz angebracht. Das Museum befindet sich in Liquidation, der Erhalt der wertvollen Sammlung von nationaler Bedeutung ist noch ungeklärt. Einer der wertvollsten Bestände ist das Bildarchiv des Fotografen ...
Heute wäre eine Darstellung zur Zukunft der Sammlung des Sportmuseums Schweiz angebracht. Das Museum befindet sich in Liquidation, der Erhalt der wertvollen Sammlung von nationaler Bedeutung ist noch ungeklärt. Einer der wertvollsten Bestände ist das Bildarchiv des Fotografen Walter Scheiwiller, der wie kein anderer über Jahrzehnte das Sportgeschehen in der Schweiz mit seinen ästhetischen Fotografien dokumentiert hat. Ausgerechnet am Tag, an dem das Sportmuseum bekannt gibt, dass es aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben muss, stirbt der 96-jährige Scheiwiller.
An den Leichtathletik-Schweizermeisterschaften am 25. Juli 1971 auf der Schützenmatte in Basel schiesst Walter Scheiwiller eines seiner berühmtesten Bilder. Die Weitspringerin Meta Antenen springt 6,81 Meter und der Fotograf hält den Riesensatz fest. Genau im richtigen Moment drückt er auf den Auslöser: Antenen befindet sich am höchsten Punkt, der Körper ist durchgestreckt, Arme und Beine parallel nach hinten gerichtet, der Hintergrund leicht unscharf. Das Bild hat ikonische Qualität. Ein weiteres Negativ eines Sprungs vor Antenens Bestweite zeigt, dass Scheiwiller bei seinem ersten Versuch einen Bruchteil einer Sekunde zu früh abgedrückt hat. Arme und Beine der Athletin sind noch nicht in idealer Position.
Walter Scheiwiller kommt am 19. Juli 1922 in Deutschland zur Welt. Sein Vater arbeitet dort als Stickereifachmann. Nach der Rückkehr in die Schweiz wächst Scheiwiller in Luzern und Wittenbach auf. Als 14-Jähriger beeindruckt ihn die Bildästhetik des Nazipropagandafilms «Olympia» von Leni Riefenstahl und er entschliesst sich, 1939 eine Fotografenlehre anzutreten. Als ehemaliger Leichtathlet und Fussballer erfasst er die komplexen und schnellen Bewegungsabläufe beinahe intuitiv und macht sich so mit der Kamera ausgerüstet «auf die Suche nach dem Schönen im Sport», wie er selber sagt. Seine Bilder kann er mit grossem Erfolg verkaufen. Sie «zeigen, dass nicht der Athlet ein gutes Bild macht, sondern der Fotograf – ein Künstler –, weil er den Sekundenbruchteil zum Abdrücken im Auge und im Gefühl hat», wie der einstige «Sport»-Chefredaktor, Walter Lutz, einmal über den Fotografen schreibt.
Am 14. September 2018 stirbt Walter Scheiwiller. Das Sportmuseum Schweiz tut alles, damit sein Vermächtnis erhalten bleibt.
Hans-Dieter Gerber*
*Hans-Dieter Gerber ist Co-Leiter des Sportmuseums Schweiz in Münchenstein.