Statt Miststöcken prägten E-Autos mit Nummernschildern aus vielen Kantonen für eine Woche die Strassen von Anwil. Gesprächsthema Nummer eins war die E-Mobilität.

Peter Stauffer

Es ist eine echte Herausforderung, eine Reportage in vernünftiger Länge über das E-mobility-Experiment Anwil zu schreiben, wenn man die Woche als Reporter mittendrin erlebt hat und selber ein Teil davon war. Gedanken, Bilder, Stichworte schwirren im Kopf herum. Kehrichtwagen, Tesla-Invasion, «Experiment-Chat», Hilfsbereitschaft, Luca Hänni. Es liesse sich ein Buch schreiben, aber hier nur eine Auswahl von lauter kleinen Geschichten und Geschichtchen, von Meinungen und Eindrücken, von persönlichen Fazits aus dem Experiment Anwil:

Gemeindearbeiter
Schon seit vielen Jahren erledigt er einen Teil der anfallenden Arbeit mit einem Still-Elektroschlepper (Höchstgeschwindigkeit 15 km/h). Für diese Woche erhielt er zusätzlich ein Kyburz-Elektromobil samt Anhänger (45 km/h). Zur Erledigung seiner Pflichten konnte er also auswählen zwischen Gemeindetraktor und Still- oder Kyburzelektrofahrzeug. Wenn er auswählen müsste, würde er beim Schlepper bleiben. Dessen Einsatzmöglichkeiten sind für seinen Job vielseitiger und vorteilhafter. Die Postbotin ist mit einem Benziner unterwegs. «Ich muss beim Aussteigen und Gang zu den Briefkästen immer aufpassen, dass ich nicht in den Weg eines ‹säuselnden› Fahrzeugs gerate.»

ZH und andere Schilder
Der Schreibende fuhr mit einem Fahrzeug mit AG-Nummer herum. Ein Ammeler Traktorfahrer hielt bei einem kurzen Halt an und sagte: «Du kannst froh sein, dass du keine ZH-Nummer hast.» – Spass, Trost, Vorurteil oder Stolz auf die Heimat? Wohl von allem ein bisschen. Dabei sind sich die meisten Teilnehmer durchaus bewusst: Wenn nicht so viele Firmen und Private aus anderen Kantonen ihr Elektromobil für eine ganze Woche zur Verfügung gestellt hätten, wäre das Experiment gar nicht durchführbar gewesen, notabene für die Benutzer kostenlos.

Teslas, Teslas, Teslas um und an
Früher säumten Misthaufen die Dorfstrasse, vergangene Woche prägten Teslas aus den unterschiedlichsten Regionen der ganzen Schweiz das Strassenbild. Viele Ammeler und Ammelerinnen kamen in den Genuss einer Fahrt mit diesem Kraftpaket und waren begeistert. Sprach man vor der Experiment-Woche über Elektroautos, fiel früher oder später das Stichwort Tesla. Nun konnte man aber feststellen – und auch sehen und ausprobieren – dass die meisten gängigen Automarken auch auf den Elektro-Zug aufgesprungen sind.

Chat
Ein Mitglied der Energiekommission startete auf WhatsApp einen Chat «Experiment Anwil». Der wurde rege benutzt zum Austausch und fast ein wenig überschwemmt mit «Daumen hoch», Bildern und Smileys. Aber sinnvoll war er «äinewäg». Infos von allgemeinem Interesse, Shuttledienste, Suche nach Mitfahrgelegenheiten, Eindrücke und Fragen konnten so schnell verbreitet und an den Mann/die Frau gebracht werden.

Podiumsgespräch
«Das Podiumsgespräch war absolute Spitze. Tobias Müller und seine Gesprächspartner haben die Zuhörer in ihren Bann gezogen.» Diese Ansicht teilten wohl die meisten der überaus zahlreich Erschienenen am Freitagabend in der Mehrzweckhalle. Die Gespräche erstreckten sich über eine weite Palette der Elektromobilität im Allgemeinen, boten aber auch erste Fazite und Eindrücke der ganzen Woche.

Werkhof
Der Werkhof mit seinen rundum eingerichteten Ladestationen wurde zum allabendlichen Treffpunkt. Da wurde gelacht, ausgetauscht, erzählt und diskutiert. Einwohner, die sich im Alltag wohl kaum treffen, kamen ins Gespräch. Es entwickelte und verstärkte sich eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl. Überall waren der Spass und die Freude an der Sache spürbar, und auch Skeptiker kamen zu Wort.

Veranstalter
Die EBL mit ihrem Direktor und den Mitarbeitern setzten sich mit grossem Engagement ein. Die meisten strahlten Optimismus und Freude an der Sache aus. Stets waren sie hilfsbereit. Für das Fest am Samstag legten sich die Dorfvereine voll ins Zeug. Sommerkaffee (Frauenverein), Festwirtschaft (Turn- und Sportverein), Solarmobilrennen (Schule), Kinderprogramm (Kulturkommission) und die verschiedenen Marktstände wie auch das schöne Wetter trugen viel bei zum Gelingen des samstäglichen Abschlussfestes.

Die Einwohner und Einwohnerinnen von Ammel werden das E-Experiment wohl nicht so schnell vergessen. Interessant wird auch sein, festzustellen, wie schnell sich die E-Mobilität in Anwil von zurzeit 6 Prozent der Einwohner steigern wird.

Der Blackout blieb aus – ein Fazit

vs. Die Elektrogenossenschaft Elektra Basel schreibt zusammenfassend über ihre ausführliche Bilanz zum Experiment Anwil vom 10. bis 15. September:
Die 142 Anwiler, die ihr Benzin- oder Dieselfahrzeug während einer Woche gegen ein Elektrofahrzeug getauscht haben, legten zusammen 27 341 km zurück. Dank dem umweltfreundlichen Strom wurden – im Vergleich zu den Benzin- und Dieselfahrzeugen, die normalerweise unterwegs sind – total 3,8 Tonnen CO2-Emissionen eingespart. Das Stromnetz blieb trotz einem zusätzlichen Stromverbrauch von +8,5 Prozent sowie Lastspitzen von +100 Prozent stabil. Das Experiment endete ohne nennenswerte Zwischenfälle und Abschleppdienste, dafür mit 100 Prozent Elektrospass.

Experiment geglückt

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