Das Glück, sauberes Wasser trinken zu können
27.09.2018 Sissach, AnwilZwei Gymnasiastinnen legen bei Entwicklungsprojekt auf Madagaskar Hand an
Die beiden Gymnasiastinnen Lea Stocker aus Anwil und Elena Zihlmann aus Sissach sind im Sommer nach Madagaskar gereist, um dort mitzuhelfen, Brunnen zu bauen und der Bevölkerung sauberes Wasser zu ...
Zwei Gymnasiastinnen legen bei Entwicklungsprojekt auf Madagaskar Hand an
Die beiden Gymnasiastinnen Lea Stocker aus Anwil und Elena Zihlmann aus Sissach sind im Sommer nach Madagaskar gereist, um dort mitzuhelfen, Brunnen zu bauen und der Bevölkerung sauberes Wasser zu beschaffen. Sie schildern das Erlebte.
Lea Stocker und Elena Zihlmann*
Im Januar 2018 sind wir per Zufall an einen Informationsstand der Organisation Nouvelle Planète gestossen. Ausgehängt war ein Hilfsprojekt in Madagaskar. Wir waren sofort begeistert und haben uns ohne grosses Zögern angemeldet. Während der Vorbereitungstreffen lernten wir unser Team kennen, mit dem wir diesen Sommer nach Madagaskar reisen sollten. Das Team bestand aus elf Leuten im Alter zwischen 17 und 23 Jahren. In den sechs Monaten vor der Abreise haben wir zusammen Spenden gesammelt, um das Projekt sowie die Reise zu finanzieren.
Unsere Reise begann am 18. Juli am Flughafen in Genf. Nach 14 Stunden Flug mit Zwischenlandung in Mailand und Äthiopien erreichten wir Madagaskar. Von der Hauptstadt Antananarivo aus wurden wir von der lokalen Partnerorganisation von «Nouvelle Planète» zu unserem Einsatzort gebracht. Manirisoa ist ein Dorf, das sich im Gebirge auf über 1000 Metern Höhe befindet und etwa sechs Stunden mit dem Auto von Antananarivo entfernt liegt.
Die 3600 Einwohner haben uns mit einem riesigen Umzug freudig empfangen. Wir wurden von allen Seiten angelacht und neugierig betrachtet. Es fehlten uns die Worte. Es wurde gesungen, getanzt und mit den einfachsten Mitteln Musik gemacht. Der Umzug begleitete uns durchs ganze Dorf bis zu unserer Unterkunft, einer momentan geschlossenen Schule, die für uns leergeräumt und mit Betten ausgestattet worden war. Dort wurde uns unser lokales Team vorgestellt, das uns von da an jeden Tag bei der Arbeit, beim Essen und in der Freizeit begleitete und uns alles zeigte.
Schnell in Kontakt mit Bewohnern
Anfangs bestand zwar von beiden Seiten respektvolle Zurückhaltung, es dauerte jedoch nicht lange, bis das Eis gebrochen war. Trotz der kulturellen Unterschiede und der Sprachbarriere konnten wir uns gut unterhalten. Wir verständigten uns auf Französisch und lernten nebenbei einige Wörter auf Madagassisch, zum Beispiel «salama», was guten Tag heisst. Die Bevölkerung hat uns sofort in ihren Alltag integriert und schon bald gingen sie sehr offen mit uns um. Ziel unseres Aufenthalts war es, beim Bau eines Wasserversorgungssystems und 18 Trinkbrunnen fürs Dorf zu helfen. Wir bekamen Einblick in jeden Arbeitsschritt. Wir haben wie die Einheimischen Sand und Steine kilometerweit auf unseren Köpfen geschleppt, haben die zukünftigen Wasserkanäle, in die später die Leitungen eingesetzt wurden, gegraben, und aus Lehm Ziegelsteine geformt und gebrannt, die wir später für den Bau des Brunnens verwendet haben. Aus Holz haben wir Bretter zugeschnitten, mit denen wir einen Zaun um den Brunnen bauten.
Es war eindrücklich zu sehen, wie viel Aufwand hinter einem einzigen Ziegelstein steckt, wenn man keine Maschinen zur Verfügung hat. Es ist extrem, wie viel Arbeit benötigt wird, um ein Dorf mit sauberem Trinkwasser versorgen zu können.
Wir arbeiteten sechs Tage in der Woche. Am Sonntag besuchten wir zusammen mit den Einheimischen den Gottesdienst. Dieser ist ähnlich aufgebaut wie katholische Gottesdienste in der Schweiz, mit dem Unterschied, dass er vier Stunden dauert. Es wurde gebetet und gesungen. Im Dorf sind fünf verschiedene Religionen vertreten. Jede hat ihre eigene Kirche. Die Kirchen sind wie alle anderen Häuser im Dorf aus Lehm gebaut und mit Blech- oder Strohdächern versehen. Die Bevölkerung hat sich grosse Mühe gegeben, im Innern alles so gut wie möglich einzurichten und schön zu verzieren. Dazu verwendeten sie Tücher, Girlanden und Blumen. Der Glaube ist dort ein sehr wichtiger Teil im Leben der Menschen und wird in den Alltag miteinbezogen. Trotzdem steht er nicht zwischen den einzelnen und jeder respektiert die Religion des anderen.
An Lebensumstände gewöhnt
Die Menschen in Manirisoa waren äusserst offen und neugierig. Sie wollten alles über uns und unser Land erfahren. Sie gaben uns Einblicke in ihr bescheidenes, für die meisten Menschen in der Schweiz wohl unvorstellbares Leben. Anfangs waren wir schockiert über die Lebensbedingungen, jedoch merkten wir schnell, dass die Leute nichts anderes kennen und das zu schätzen wissen, was sie haben. Wir haben uns sehr schnell an die neuen Umstände gewöhnt und uns am Ende sogar sehr wohlgefühlt. Was wir nach der Rückkehr in der Schweiz vermissen, ist dieser Zusammenhalt der Menschen, den wir dort erlebt haben, sowie die Offenheit jedem einzelnen gegenüber. Die Leute haben sich in jeder freien Minute irgendwo hingesetzt, haben Musik gemacht und gesungen. Es herrschte ständig eine fröhliche Stimmung. Wir genossen jeden Moment.
Trotz dieser wunderschönen Eindrücke haben wir auch schockierende Dinge mit ansehen müssen. Auf der Durchreise sahen wir Kinder mit Hungerbäuchen, die auf riesigen Abfallfeldern nach etwas Essbarem suchten. In der Stadt wurden wir an jeder Ecke von Kindern und Erwachsenen angebettelt. Es war ein schlimmes Gefühl, nicht all diesen hungernden Leuten etwas geben zu können, obwohl es uns an nichts fehlt.
Demgegenüber wurden wir in Manirisoa rundum verwöhnt. Eine Gruppe von Madagassinnen hat jeden Tag für uns gekocht. Zum Frühstück wurden uns jeden Morgen madagassische Gebäcke serviert. Mittags und abends assen wir meistens Reis mit frischem Gemüse und Fleisch oder Fisch. Jeden Tag haben zwei unseres Teams in der Küche mitgeholfen. Wie sich herausstellte, ist es gar nicht so einfach, auf einer Feuerstelle zu kochen. Umso mehr waren wir beeindruckt von den köstlichen Speisen, die sie uns jeden Tag zubereiteten. Am meisten genossen wir die frischen Bananen, Ananas und Avocados.
In Madagaskar viel gelernt
Vor der Heimreise haben wir noch zwei Tage in der Nähe der Hauptstadt verbracht und einen Lemuren-Park besucht. Auf unserer Reise haben wir einiges gelernt. Zum Beispiel haben wir erfahren, wie wichtig die Körpersprache ist. Der meiste Kontakt erfolgte nicht nur über Worte, sondern auch über Blicke, Gesten und Lachen. Wir haben gelernt, Dinge wertzuschätzen, die für uns hier selbstverständlich sind. Zum ersten Mal aus einem Brunnen sauberes Trinkwasser schöpfen zu können, machte alle Madagassen und Madagassinnen wahnsinnig glücklich. Für sie bedeutet das ein besseres Leben mit weniger Krankheiten und mehr Zeit für Bildung und Arbeit.
Es bleiben uns unvergessliche Momente und Freunde auf der anderen Seite der Welt.
* Die beiden Autorinnen aus Anwil und aus Sissach berichten über ihren Einsatz, den die «Volksstimme» medial unterstützt hat.