AUSGEFRAGT - MARCEL WERDENBERG, MITGLIED «FREIWILLIGE FÜR FLÜCHTLINGE SISSACH»
14.09.2018 Bildung«Unsere Aufgaben haben sich verändert»
Zum zweiten Mal findet morgen das Kulturen- und Filmfest Kulima statt. Gefeiert wird auf dem Platz und in der Turnhalle der Primarschule in Sissach. Das Fest organisiert die Gruppe Freiwillige für Flüchtlinge ...
«Unsere Aufgaben haben sich verändert»
Zum zweiten Mal findet morgen das Kulturen- und Filmfest Kulima statt. Gefeiert wird auf dem Platz und in der Turnhalle der Primarschule in Sissach. Das Fest organisiert die Gruppe Freiwillige für Flüchtlinge Sissach.
Peter Stauffer
Das Kulima-Fest vom Samstag, 15. September, soll einen ungezwungenen Rahmen bieten, um sich gegenseitig kennenzulernen,Verständnis zu schaffen und auch um Vorurteile und Ängste abzubauen. Auf dem Platz werden an verschiedenen Essensständen kulinarische Spezialitäten angeboten. Themen der Filme in der Turnhalle sind Flucht, Migration und Kultur. Ausserdem gibt es ein Kinderprogramm mit Spielen aus diversen Regionen der Welt. Die «Volksstimme» spricht mit OK-Mitglied Marcel Werdenberg über den Einsatz für Flüchtlinge und ob es die Gruppierung Freiwillige für Flüchtlinge Sissach (FfFS) heute überhaupt noch braucht.
«Volksstimme»: Herr Werdenberg, das Wort «Kulima» kommt in der afrikanischen Sprache Kiswahili vor. Es heisst auf Deutsch «aufhacken, pflügen». Haben Sie den Namen für das Fest dieser Bedeutung wegen gewählt?
Marcel Werdenberg: Nein, das war nicht der Grund. Es würde zwar im weitesten Sinn zum Einsatz von «Freiwillige für Flüchtlinge Sissach» passen. Die Erklärung ist aber einfacher: Wir beschreiben unser Fest als «Kulinarisches Cinema Sissach». Der Festtitel setzt sich aus dem Anfang und dem Ende der zwei Wörter «Kulinarisches Cinema» zusammen.
Welches Ziel verfolgen Sie mit diesem Festival?
Eines der Hauptziele ist, den Austausch zwischen verschiedenen Kulturen zu ermöglichen. Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenshintergründen – Einheimische, Flüchtlinge und Migranten – sollen ins Gespräch kommen. Wir erhoffen uns auch, dass mit dem Kulima-Fest das Verständnis für Andersartigkeit und Vielfältigkeit gefördert werden kann.
«Freiwillige für Flüchtlinge Sissach». Was oder wer ist das?
Das ist eine lose Gruppe von Personen beiderlei Geschlechts, die sich gemeinsam für die Flüchtlinge einsetzt, mit dem Schwerpunkt, den Flüchtlingen Hilfe bei der Bewältigung des Alltags zu bieten. Die Meinungen sind geteilt, ob nicht ein Verein mit all seinen Vor- und Nachteilen sinnvoller wäre. Deshalb sind wir bei der jetzigen «Formel» geblieben.
Was war der Auslöser für die von FfFS?
Im Jahr 2015 war die Flüchtlingsthematik äusserst aktuell. Unzählige Berichte erschienen in den Medien. Gegen Ende des Jahres 2015 wurden diese Mediengeschichten bei uns plötzlich Realität. Flüchtlinge wurden den Gemeinden zugewiesen, man sah sie auf den Strassen und man sah ihre Hilflosigkeit. Sie lösten zum Teil Ängste, aber auch eine Welle von Hilfsbereitschaft aus. Nach einem Vortrag über die Flüchtlingshilfsorganisation Cap Anamur, welchen die reformierte Kirche organisiert hatte, stellten sich Fragen wie: Und jetzt? Wars das? Was können wir tun?
Blieb es bei diesen Fragen?
Nein, eine Gruppe von engagierten Menschen traf sich und suchte nach Wegen, den geflüchteten und hier gestrandeten Menschen Hilfe zu bieten. Im Kontakt mit den Behörden und den Flüchtlingen wurden Bedürfnisse und Möglichkeiten abgeklärt. Daraus entstanden verschiedene Angebote wie Deutsch lernen, Sport, Hilfe bei der Bewältigung des Alltags. Dazu gehört unter anderem die Kommunikation mit den Behörden, einkaufen, Austausch mit Menschen, die hier zu Hause sind, und vieles mehr.
2018 kamen keine neuen Flüchtlinge. Hat sich Ihr Einsatz für Flüchtlinge seit der Gründung verändert? Ist Ihnen die Arbeit ausgegangen oder anders gefragt: Braucht es FfFS noch?
Die Bedürfnisse und damit auch die Aufgaben haben sich tatsächlich stark verändert. Viele Asylverfahren sind abgeschlossen. Einige Flüchtlinge haben die Niederlassungsbewilligung in irgendeiner Form erhalten, andere sind weggezogen oder haben sich so weit integriert, dass sie unsere Hilfe nicht mehr brauchen. Unsere Arbeit hat sich mehr und mehr in Richtung Einzelcoaching vor allem für Familien verschoben, beispielsweise bei der Begleitung bei der Einschulung der Kinder.
Zurück zum Fest. Können Sie uns etwas über die Organisation sagen?
Ein OK von sechs Personen ist seit Anfang Jahr an der Arbeit. OK-Chefin ist Andrea Wüthrich. Während ihrer Abwesenheit vertrete ich sie. Am Fest selber sind ungefähr vierzig Personen im Einsatz, je zur Hälfte aus Migrantenkreisen und aus unserer Organisation. Die Essensstände werden autonom betrieben, das heisst Einkaufen, Kochen und Verkaufen sind Sache der Betreiber. Den Gewinn dürfen sie behalten. Wir vom OK sind für den Rahmen und die Infrastruktur – Stände, Einholen von Bewilligungen, Marketing, Sponsorensuche, Strom, Filme und so weiter – verantwortlich.
Welche kulinarischen Genüsse erwarten die Besucher?
Es werden afghanische, eritreische, nepalesische, italienische, portugiesische und chinesische Spezialitäten angeboten. Für einmal ist es ein Fest ohne schweizerische Essensangebote.
Wie finanzieren Sie das Ganze?
Wie gesagt, die Essensstände sind (auch) in finanzieller Hinsicht autonom. Die Kosten für den «Rahmen», also die gesamte Infrastruktur wie Zelte, aber auch Werbung oder zum Beispiel Filmrechte, werden durch den Verkauf von Getränken sowie durch die zahlreichen Sponsoren bestritten.
Was erhoffen Sie sich von Kulima?
Da das Fest in ähnlichem Rahmen wie das erste verläuft, hoffen wir auf gutes Gelingen, eine fröhliche Stimmung und viele Kontakte. Bei gutem Wetter erwarten wir 300 bis 400 Besucherinnen und Besucher.
Zur Person
rr. Marcel Werdenberg ist Mitglied des Kulima-Organisationskomitees. Für die Gruppierung Freiwillige für Flüchtlinge Sissach sei er eine Art «Mädchen für alles»: Er ist Gründungsmitglied, Ansprechpartner und Sekretär. Er organisiert und lädt zu den zweimonatlichen Treffen ein. Werdenberg ist als Auslandschweizer in Deutschland aufgewachsen. Seit 1992 wohnt er in Sissach. Beruflich war er als IT-Leiter und Logistikverantwortlicher tätig. Heute ist der 65-Jährige pensioniert.