Lehren mit Leidenschaft
10.08.2018 SissachMit dem ersten Schultag beginnt auch für Lehrerin Sarah Brunner ein neues Leben
Nach sechs Wochen Sommerferien herrscht auf den Schulhöfen ab Montag wieder der normale Betrieb. Nervös sind nicht nur die rund 5500 Erstklässler, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer wie ...
Mit dem ersten Schultag beginnt auch für Lehrerin Sarah Brunner ein neues Leben
Nach sechs Wochen Sommerferien herrscht auf den Schulhöfen ab Montag wieder der normale Betrieb. Nervös sind nicht nur die rund 5500 Erstklässler, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer wie Sarah Brunner, die erstmals vor einer eigenen Klasse stehen.
Jürg Gohl
Alles steht bereit. Die Schulglocke könnte jetzt schrillen, die Klasse 5a der Primarschule Sissach in ihr Zimmer im Dorfschulhaus stürmen und Lehrerin Sarah Brunner mit Unterrichten beginnen. Ihr wäre das sogar recht, denn sie spürt, wie in ihr die Nervosität von Tag zu Tag steigt. Noch schläft sie ruhig. Dass dies aber auch in der Nacht auf Montag der Fall sein wird, möchte sie nicht garantieren.
Noch herrscht im Zimmer Ruhe und Ordnung. Am Montag ändert sich das auf einen Schlag. Die rund 5500 Erstklässler, die erstmals zur Schule gehen, werden besonders nervös sein. Das gilt aber auch für die «Erstklässler» unter den Lehrern, die am Montag erstmals vor einer Klasse stehen werden. Wie Sarah Brunner.
Der Wochenplan an der Schulzimmerwand ist fein säuberlich ausgefüllt. Dort sind die Schwerpunkte festgehalten, welche die Klasse bis heute in einer Woche zu erledigen hat. Die Lehrerin hat den Starttag bis ins Detail geplant. Zuerst werden die Kinder ein Klassenlied einüben, das sie durch die beiden letzten Primarjahre begleiten soll (der Titel ist geheim).Anschliessend werden sie in Gruppen mit Klötzen bauen. Bauklötze für Fünftklässler? Keine Angst, es gehe um das Teamerlebnis, erklärt sie. Zudem erwartet die Schüler je eine Lektion Frühenglisch und Mathematik und dazwischen wird auf dem Pausenhof den Erstklässlern ein Empfang bereitet.
Sommerferien im Klassenzimmer
Die Englisch-Lektionen werden von Förderlehrer Markus Heiniger unterrichtet. Fürs Frühfranzösisch ist die Klassenlehrerin selber zuständig. Sie ist Befürworterin dieses oft angefeindeten Fachs und ergänzte ihre Ausbildung eigens mit einem einmonatigen Aufenthalt in der Romandie als Au-pair-Frau. So fand sie auch Gefallen an der Sprache und hofft, dass sich das auf die Klasse übertrage.
Die 23-jährige Sarah Brunner wird auch in einem Jahr oder in zehn Jahren das neue Schuljahr bis ins letzte Detail vorbereiten. Möglicherweise müsse sie vor ihrem ersten Jahr mehr investieren, von dem sie später profitieren kann. So war sie in den Sommerferien während zweieinhalb Wochen – unter anderem als Pfadileiterin – weg, den Rest der Zeit benutzte sie zum Vorbereiten. «In den vergangenen zwei Wochen war ich praktisch jeden Tag mal an der Schule», sagt sie. Alleine ist sie nicht: Immer wieder tauchen an diesem Tag auch routiniertere Kolleginnen und Kollegen auf, die ebenfalls mit Präparationen beschäftigt sind.
Am Montag dürfte sie die Nervö- seste im ganzen Zimmer sein. Während die Klasse bereits seit vier Jahren besteht und sich die Schüler gegenseitig bestens kennen, hatte die Lehrerin erst zwei Mal die Gelegenheit, noch im alten Schuljahr die Kinder kennenzulernen: in einer Schnupperlektion und als Begleiterin ihres Vorgängers auf der Abschlussreise.
Von der Psychologie zur Pädagogik
Sarah Brunner ist sich bewusst, dass sie in einem Jahr stärker gefordert sein wird, wenn es um die Promotion ihrer Schülerinnen und Schüler geht. Wer geht ins Niveau A, wer ins E und wer ins P? Es scheint, dass ihrer Stimme bei diesem Thema plötzlich die Euphorie abhanden kommt. Deshalb will sie sich frühzeitig um einen regelmässigen Kontakt mit den Eltern bemühen, um so gemeinsam die beste Lösung für das Kind zu finden. Gleichwohl freue sie sich, die Kinder eng durch «eine kurze, aber wichtige Lebensphase» begleiten zu können.
Wenn sie über anstehende Promotionsgespräche nachdenkt und spricht oder in «ihrem» Klassenzimmer Stunden vorbereitet, gerät sie immer wieder ins Staunen über sich selbst. Denn im Gegensatz zu vielen ihrer Schüler trug sie sich nie mit dem Gedanken, einmal den Lehrerberuf zu ergreifen. Sie studierte ein Jahr lang Psychologie, ehe sie sich umbesann und die Pädagogik entdeckte. «Jetzt bin ich überzeugt, nicht nur meinen Beruf, sondern auch meine Berufung gefunden zu haben», sagt sie, «ohne Leidenschaft geht das Unterrichten nicht.»