Ein tröstlicher Acker
17.08.2018 KänerkindenFlurnamen | «Wibertröster» zwischen Känerkinden und Wittinsburg
Um alte Flurnamen wie «Wibertröster» oder «Pfaffechämmerli» ranken sich Geschichten und Anekdoten. Sie enthalten meist ein Quäntchen Wahrheit, oft auch ...
Flurnamen | «Wibertröster» zwischen Känerkinden und Wittinsburg
Um alte Flurnamen wie «Wibertröster» oder «Pfaffechämmerli» ranken sich Geschichten und Anekdoten. Sie enthalten meist ein Quäntchen Wahrheit, oft auch mehr. Doch lässt sich der Wahrheitsgehalt nicht mit letzter Sicherheit eruieren.
Markus Ramseier
Im Gebiet «Roti Flue» am Schleifenberg in Liestal heisst eine schmale Nische in der Felswand «Pfaffechämmerli». «Pfaff» ist die ursprüngliche, nicht abwertende Bezeichnung für Priester, Geistlicher, Pfarrer. Die Standesbezeichnung wurde auch zum Familiennamen Pfaff, Pfäffli. Im Baselbiet ist das Geschlecht Pfaff in Liestal, Seltisberg und Rothenfluh alteingesessen.
«Chammer», «Chämmerli» werden im Namengut kammerartig abgeschlossene Geländeformen genannt, was dem Geländebeschrieb entspricht. Aber wie gehören die beiden Namenbestandteile zusammen? Da hilft kein Wörterbuch der Welt. Der Namenforscher ist auf die Mithilfe ortsvertrauter Gewährspersonen angewiesen.
Ein alteingesessener Liestaler weiss zu berichten, dass sich vor der Reformation ein Pfarrer, der ein Liebesverhältnis mit einem Liestaler Mädchen gehabt habe, dort vor der empörten Bevölkerung versteckt haben soll. Von der Felsnische aus habe man genau den Kirchturm im Blick. Andere bringen den Namen mit einem Liestaler Bürger namens Pfaff in Verbindung, der in alten Zeiten einen Mord begangen haben soll. Um dem Tod zu entrinnen, habe er in der Felskammer Unterschlupf gesucht, bis ihn der Hunger ins Tal getrieben habe, wo er dem Scharfrichter überantwortet worden sei. Schriftliche Beweise für die eine oder andere Version lassen sich nicht erbringen.
Ein Acker erhält die Ehe
Der Flurname «Wibertröster» bezeichnet flaches Kulturland an der Grenze von Wittinsburg zu Känerkinden. Der Name ist 1758 erstmals schriftlich belegt: «Drey Viertel Acker … der Weiber Tröster genannt.» Das Wort «Weib»/«Wib» wurde ursprünglich nicht im heute abschätzigen Sinn gebraucht, sondern bezeichnete ganz allgemein den Gegensatz zum Mann, der bei diesem offensichtlichen Scherznamen aber nicht als Tröster auftritt. Diese Rolle kommt eindeutig dem Acker zu.
Nach der mündlichen Überlieferung wollte sich eines Tages nämlich eine Frau von ihrem Mann, dem Besitzer dieses Ackers, scheiden lassen. Bevor es soweit war, beschlossen die beiden, den Acker nochmals zu besichtigen. Sie fanden die Anpflanzung darauf so schön, dass die Frau reuig wurde und mit ihrem Mann weiter haushaltete. Ein origineller Ansatz also, um Konflikte zu lösen und Kosten zu sparen ...
Teil 5 von 7. In unserer kleinen Sommerserie stellt der Flurnamenforscher Markus Ramseier seine liebsten Namen im Oberbaselbiet vor. 20. Juli, Seite 4; 24. Juli, Seite 5; 5. August, Seite 9; 10. August, Seite 2.